Ebrahim Raeissi Zurück zu islamischen Wurzeln im Iran

Der Iran wählt am Freitag einen neuen Präsidenten. Ebrahim Raeissi, die Konkurrenz des bisherigen Amtsinhabers, gilt als einer der realistischen Kandidaten. Ein Porträt.

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Der iranische Spitzenkandidat des erzkonservativen Klerus, Ebrahim Raeissi, winkt seinen Anhängern zu. Doch erst nach der Wahl am Freitag wird sich zeigen, ob er der neue Präsident wird. Quelle: dpa

Als Politiker war der Kleriker Ebrahim Raeissi bis jetzt ein unbeschriebenes Blatt im Iran. Der 56-Jährige gilt zwar schon seit Jahren als einflussreich - aber vor allem in seiner Rolle als Generalstaatsanwalt in Teheran oder als die Nummer zwei in der Judikative. In der Politszene ist er jedoch ein Neuling.

Im vergangenen Jahr wurde er vom obersten Führer, Ajatollah Ali Chamenei, zum Leiter der Astane-Ghods-Rasawi-Stiftung in Maschhad im Nordostiran ernannt. Der Chefposten in dieser größten religiösen Stiftung des Landes ist einer der prestigeträchtigsten Jobs für Kleriker. Der 56-Jährige leitet dort den Schrein des achten schiitischen Imams Reza. Es wird sogar spekuliert, dass Raeissi Nachfolger Chameneis als oberster Führer werden könnte.

Nun will er aber zunächst Präsident werden, oder vielmehr will das islamische Establishment ihn zum Präsidenten machen. Seine Aufgabe ist es, den Reformkurs von Präsident Hassan Ruhani und den verstärkten Trend zur Säkularisierung in der Gesellschaft zu beenden. Mit Raeissi will der Gottesstaat zurück zu seinen islamischen Wurzeln.

Für viele Beobachter hat der 1960 in Maschhad geborene Raeissi jedoch politisch sowie wirtschaftlich wenig Erfahrung. Vizepräsident Eshagh Dschahangiri nannte ihn sogar einen „Polit-Praktikanten“. Im Gegensatz zu Ruhani hat er aber die volle Unterstützung des Klerus und der staatlichen Medien.

Im Wahlkampf gab er sich sozialistisch und als Vertreter der Armen. Er wolle jedes Jahr Millionen von neuen Jobs schaffen. Experten halten seine wirtschaftlichen Vorstellungen und Versprechen allerdings für unsachlich und nicht umsetzbar.

Außenpolitisch gibt sich Raeissi gesprächs-, aber nicht kompromissbereit. Das Wiener Atomabkommen von 2015 mit den Weltmächten, das im Iran symbolisch für die Öffnung des Landes angesehen wird, lehne er nicht ab. Er wolle aber konsequenter - und im Gegensatz zu Ruhani weniger kompromissbereit - für die Umsetzung des Deals agieren. Für Beobachter könnte genau diese Einstellung zum Scheitern des Atomabkommens führen.

Reformer werfen Raeissi außerdem vor, gesellschaftliche Freiheiten und Frauenrechte einschränken zu wollen. Er wird von Reformern auch oft mit Ex-Präsident Mahmud Ahmadinedschad verglichen. Raeissi hat diese Vorwürfe kategorisch zurückgewiesen. Auch Beobachter halten ihn nicht für einen Hardliner wie Ahmadinedschad - aber für liberal und frauenfreundlich auch nicht.

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