Egils Levits Lettlands Präsident: Deutschland muss mehr Verantwortung übernehmen

Deutschland ist das größte und wirtschaftlich stärkste Land Europas. Egils Levits sieht die Bundesrepublik daher in der Pflicht – und fordert mehr deutsche Führungsverantwortung.

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„Deutschland muss mehr Verantwortung in der Welt übernehmen, die seiner ökonomischen und politischen Macht entspricht - auch auf militärischer Ebene“, sagte Levits. Quelle: Reuters

Riga Vor seinem Deutschland-Besuch hat sich Lettlands Staatspräsident Egils Levits für eine stärkere Führungsrolle der Bundesrepublik ausgesprochen. „Deutschland muss mehr Verantwortung in der Welt übernehmen, die seiner ökonomischen und politischen Macht entspricht – auch auf militärischer Ebene“, sagte Levits der Deutschen Presse-Agentur in Riga. Deutschland müsse in einer veränderten Welt eine adäquate und verantwortungsvolle Rolle übernehmen.

Mehr als 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg sei Deutschland „ein anerkanntes und hochgeschätztes Zentrum Europas“ geworden. „In turbulenten Zeiten war es immer eine Art Stabilisator und auch die Bundeskanzlerin“, sagte Levits mit Blick auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU). „Deutschland setzt sich im Rahmen der Nato auch für die gemeinsame Verteidigung des europäischen Raumes ein. Das ist für uns besonders wichtig.“

Bedenken vor einer wachsenden Dominanz Deutschlands hat Levits nach eigenen Worten nicht. Deutschland habe immer sehr gut mit seiner Größe umgehen können und die Interessen der anderen EU-Mitgliedstaaten - besonders jener in Mittel- und Osteuropa – berücksichtigt. „Ich verbinde mit Deutschland eine Politik der Verantwortung, aber auch die Menschen sind nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs in ihren Auffassungen und ihrer Handlungsweise sehr verantwortungsvoll“, sagte Levits.

Levits wird am Freitag in Berlin zu Gesprächen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) erwartet. Neben den von Levits als „hervorragend“ bezeichneten bilateralen Beziehungen soll es in den Gesprächen auch um die Zukunft der EU gehen.

Angesichts des Brexits und der Verwerfungen in den transatlantischen Beziehungen stecke die EU „in einer schwierigen Situation, wenn nicht sogar in der Krise“, beklagte er. Auch bei der Vorstellung, wie es mit Europa weitergehen solle, befinde sich die EU in einer „Phase der Desorientierung“. Es sei schwierig, eine Tendenz zu einem Zusammenwachsen zu erkennen – die Integration stagniere, sagte Levits.

Um die Spannungen der EU zu überwinden, seien ein „sehr intensiver Dialog“ und Kompromissbereitschaft nötig. „Absoluter Vorrang haben dabei für mich Konsenslösungen unter Beachtung der grundlegenden Werte und Prinzipien - Rechtsstaatsprinzipien inklusive -, auf denen Europa sich gründet“, sagte der ehemalige EU-Richter. Dazu gehöre etwa auch, dass die Länder Mittel- und Osteuropas bei der Vergabe der neuen EU-Kommissionsressorts gerecht bedacht werden müssten.

Levits verbrachte einen Teil seines Lebens in Deutschland, wohin er zu Sowjetzeiten mit seinen Eltern ausgewandert war und wo er später auch studiert hatte. „Deutschland ist mir sehr gut bekannt und ans Herz gewachsen. Und ich glaube auch, dass ich durch meinen langjährigen Aufenthalt ein wenig Deutsch geworden bin“, sagte er. Das drücke sich durch „Diszipliniertheit, Verantwortungsbewusstsein und auch eine demokratische Grundeinstellung“ aus.

Mehr: Während sich im Westen Handelskriege und Rezessionssorgen ausbreiten, wächst die Wirtschaft in Osteuropa weiter. Wachstumstreiber sind vor allem die steigenden Löhne.

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