Ein Jahr Trump Schlecht für die Welt, gut für die US-Wirtschaft

Trump ist gut für die US-Wairtschaft Quelle: Illustration

Donald Trump ist seit einem Jahr US-Präsident. Er droht Nordkorea mit einem Atomschlag, heizt den Nahost-Konflikt an und spaltet Amerika. Die Wirtschaft aber boomt, auch dank Trump.

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Janet Yellen hat aus ihrer Ablehnung gegenüber Donald Trump selten ein Geheimnis gemacht. Offen widersprach die Chefin der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) dem US-Präsidenten, etwa in Fragen zur Bankenregulierung. Eine Zusammenarbeit mit dem mächtigsten Mann der Welt lehnt sie ab; in genau zwei Wochen endet ihre Amtszeit. Dennoch erkennt Yellen an, dass die US-Wirtschaft in einem äußerst robusten Zustand ist – auch dank des streitbaren Republikaners. „Die Stimmung der Unternehmen ist unter Trump emporgeschossen“, sagt Yellen. Und Optimismus und Herdentrieb gehörten zu einem Aufschwung nun einmal dazu.

Seit genau einem Jahr ist Donald Trump nun US-Präsident. Durch dieses Amt gilt er gemeinhin als der mächtigste Mann der Welt. Er hat es gleichzeitig aber auch geschafft, einer der bekanntesten Menschen auf diesem Planeten zu werden. Kein Tag vergeht, ohne dass über Donald Trump geredet wird: in Amerika wie in Europa, in Nordkorea wie in Venezuela. Meistens schlecht.

Donald Trump hat es in den 365 Tagen im Amt den Kritikern leicht gemacht, negativ über ihn zu sprechen. Mit der unnötigen Entscheidung, die US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlagern, heizt er den Nahohst-Konflikt an; mit seinem Einreiseverbot für Menschen aus mehreren muslimischen Ländern in die USA – auch mit gültigem Visum – schürt er den Hass auf die Vereinigten Staaten. Mit seinen Angriffen auf Mexiko und Migranten hat er die Rechten in den USA aufgehetzt, der Terror von Charlottesville war die traurige Folge. Zudem der verbale Schlagabtausch zwischen Trump und dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un, den man unterhaltsam bis lustig finden könnte, würden sich hier nicht zwei Regierungschefs mit der Befehlshoheit über Atomwaffen gegenüberstehen. Und dann ist da noch der der Shutdown, pünktlich zum ersten Jahrestag der Trump-Präsidentschaft. Die staatliche Finanzierung für den Bundeshaushalt lief am Freitag um Mitternacht aus. Der öffentliche Dienst in den USA kommt damit in Teilen zum Erliegen.

Was auf die USA beim Regierungsstillstand zukommt

Keine Frage: Politisch hat Donald Trump viel Schaden angerichtet. Er hat die Welt unsicherer gemacht, und das Amt gleich mehrmals beschmutzt. Seine Wirtschaftsbilanz, bezogen auf die heimischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, fällt gleichwohl freundlicher aus, wie nicht nur Janet Yellen feststellen muss.

Die US-Wirtschaft befindet sich in einem ausgezeichneten Zustand. Im zweiten und dritten Quartal 2017 wuchs das Bruttoinlandsprodukt über drei Prozent. 2018 wird es ähnlich weitergehen: Die Bank of America (BoA) rechnet mit einem Plus von 2,4 Prozent, Goldman Sachs erwartet 2,5 Prozent. Und da sind potentielle Konjunkturimpulse durch die von Trump anvisierten Steuersenkungen noch nicht einmal mit eingerechnet. Die Arbeitslosenquote liegt bei 4,1 Prozent, Tendenz weiter fallend. Und die Inflation pendelt sich bei der Zielmarke von 2,0 Prozent ein. „Selbst wenn man diese Zahlen Donald Trump nicht komplett zu verdanken hat, so muss man doch feststellen, dass sich die Sorgen, er würde der Wirtschaft schaden, nicht bewahrheitet haben“, sagt Ethan Harris, Chefvolkswirt der Bank of America.

Tatsächlich fürchtete die Wirtschaft mit dem Amtsantritt von Donald Trump um ihre Wachstumschancen. Kündigte Trump doch in kürzester Zeit das transpazifische Freihandelsabkommen TPP auf, unterzog dem wichtigen NAFTA-Abkommen mit Kanada und Mexiko einen kritischen Blick und sprach davon, die US-Schulden neuverhandeln zu wollen.

Arbeitgeber freuen sich über Trump

 

Schaden haben die US-Unternehmer aber (bisher) nicht genommen. Zum einen lehnt Donald Trump den Freihandel nicht per se ab, sondern „nur“ multilaterale Abkommen. Der US-Präsident bevorzugt bilaterale Verträge. In diesen nämlich können die Vereinigten Staaten besser ihre Bedingungen diktieren. Seitdem zusätzlich der Euro gegenüber dem Dollar deutlich zulegte, haben die US-Exporteure endgültig mehr Vor- als Nachteile in den vergangenen Monaten erfahren.

Trumps Steuer-Weihnachtsgeschenk
Es wäre vor allem für US-Unternehmen ein Weihnachtsgeschenk mit Milliarden-Entlastungen. Noch in dieser Woche dürfte der Kongress in Washington nach langem Ringen eine umfassende Steuerreform verabschieden, Präsident Donald Trump könnte das Gesetz noch vor den Feiertagen unterzeichnen. Es wäre der wohl größte Erfolg seiner bisherigen Amtszeit - jenseits des Atlantiks aber sind Wirtschaftsverbände und Regierungen alles andere als begeistert. Quelle: dpa
Was ist der Kern der US-Steuerreform?Das Paket umfasst Steuersenkungen im Umfang von knapp 1,5 Billionen Dollar (1,27 Billionen Euro). Zu den Kernpunkten gehört eine massive Senkung der Unternehmensteuern von derzeit 35 auf 21 Prozent. Auch die meisten übrigen Steuerzahler können davon ausgehen, dass sie zumindest vorübergehend weniger Geld an den Fiskus abführen müssen. Allerdings profitierten die Reichen entgegen Trumps Ankündigungen deutlich stärker als die Ärmeren und die Mittelschicht, so die Kritik der oppositionellen Demokraten. Quelle: dpa
Wie stehen die USA bei den Unternehmensteuern im internationalen Vergleich da?Derzeit sind die Steuern für Firmen sehr hoch. Bei einer Senkung auf 21 Prozent läge die größte Volkswirtschaft der Welt knapp unterhalb des Durchschnitts der meisten Wettbewerber (23 Prozent). Innerhalb der EU gibt es Länder, die ihren Unternehmen noch geringere Steuern ermöglichen - darunter Großbritannien und Irland. Die USA lägen nur knapp unter dem EU-Durchschnitt von etwas mehr als 22 Prozent. Quelle: dpa
Birgt die Reform Risiken für die Vereinigten Staaten?Die Risiken sind groß. Die ohnehin riesige Schuldenlast wird durch die enormen Entlastungen von Unternehmen und dadurch bedingte Mindereinnahmen des Staates noch größer. Kritiker merken an, künftige Generationen von Steuerzahlern hätten die Rechnung zu bezahlen. Zuletzt hatte die amtierende Notenbank-Chefin Janet Yellen ihre Sorgen zum Ausdruck gebracht. Es droht ferner ein Überhitzen der ohnehin fast auf voller Kapazität fahrenden US-Wirtschaft. Die Anreize könnten verpuffen, weil die Unternehmen sich entscheiden könnten, nicht in die reife heimische Ökonomie zu investieren, sondern anderswo. Viele Ökonomen sprechen deshalb von einer „Unzeit“ für die Reform, die Trump aus politischen Gründen durchboxen will. Quelle: AP
Was sagen die Regierungen Europa und Deutschland?Sie warnen vor Wettbewerbsverzerrungen im Handel mit den USA. Peter Altmaier (CDU) und vier weitere europäische Finanzminister warnten in einem Brief an ihren US-Amtskollegen vor einer Benachteiligung ausländischer Firmen. Sorge bereitet ihnen etwa eine angedachte Steuer von 20 Prozent auf Zahlungen an Konzernteile außerhalb der USA - eine Art Sonderabgabe. Es geht um eine Regelung namens „excise tax“, die das Repräsentantenhaus gefordert hatte. Dies würde etwa Autokonzerne mit Produktionsstandorten in den USA treffen, weil sie viele Teile für die Montage etwa aus Deutschland einführen. Unklar blieb, ob in dem nun gefundenen, fast 500 Seiten starken Kompromiss mit dem Senat eine solche Regelung - die zu einer Doppelbesteuerung führen könnte - noch enthalten ist. Experten der Bundesregierung sowie von Wirtschaftsverbänden prüfen dies derzeit intensiv. Aus Sicht des DIHK ist wohl nach wie vor geplant, einen Teil der konzerninternen Leistungen steuerlich höher zu belasten: „Man wird hier noch genauer prüfen müssen, welche Leistungen im Detail betroffen sind und ob damit nicht gegen internationale Vereinbarungen verstoßen wird.“ Quelle: dpa
Was könnten Folgen der Reform für die deutsche Wirtschaft sein - kommt es zu einem Steuerwettlauf?Viele Politiker in Europa - unabhängig von Parteigrenzen, aber auch Wirtschaftsverbände und Ökonomen - befürchten dies. Auch ohne eine Sondersteuer auf konzerninterne Zahlungen werden teilweise große Nachteile für die deutsche Wirtschaft befürchtet. Die größte Sorge: Durch die Senkung der Unternehmensteuern könnten Investitionen in die USA verlagert werden - und in Deutschland sinken. Dies könnte am Ende auf Kosten deutscher Jobs gehen. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, bezeichnete die US-Reform bereits als „absolute Kampfansage“. Zwar könnten von einer Belebung der US-Konjunktur durch eine Steuerreform indirekt auch deutsche Unternehmen profitieren, denn die USA importieren viele deutsche Produkte. Allerdings: Eine Senkung der US-Unternehmensteuern schaffe Anreize für deutsche Unternehmen, profitable Investitionen in die USA selbst zu verlagern, sagte der Chef des Wirtschaftsforschungs-Instituts Ifo, Clemens Fuest: „Das ist aber schlecht für Deutschland, wir wollen diese Investitionen hier, wir brauchen die Arbeitsplätze und das Steueraufkommen.“ Der Europaabgeordnete Sven Giegold von den Grünen sagte: „Der Steuerwettbewerb wird fulminant angeheizt.“ Dies liegt aber auch daran, dass die USA eine neue Methodik zur Steuererhebung anwenden wollen, die mit den mühsam international vereinbarten Grundsätzen - etwa bei den G20 - nur schwer vereinbar ist. Quelle: dpa
Und welche Auswirkungen könnte eine US-Reform auf die Unternehmensteuern in Deutschland haben?Die deutsche Industrie hat sich schon klar positioniert: Wenn die USA die Steuern für Unternehmen senken, müsse Deutschland nachziehen. Sprich: Auch hier solle dann die Last verringert werden. Hierzulande liegen die Unternehmensteuern derzeit bei mehr als 30 Prozent. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, forderte, Deutschland werde die Steuerbelastungen seiner Wirtschaft überprüfen müssen. Die letzte umfassende Reform der Unternehmensbesteuerung liege schon zehn Jahre zurück. BDI-Präsident Kempf sagte: „Steuerpolitik ist immer auch Standortpolitik.“ Quelle: dpa

 

Durch die Bank weg freuen sich die US-Arbeitgeber über die Lockerung von Regulierungen, sowie über die Steuerreform, die die Körperschaftssteuer von 35 auf 21 Prozent senkt und großzügige Abschreibungen ermöglicht. „In innenpolitischen Fragen hat Trump wie ein gewöhnlicher Republikaner agiert“, bilanziert Ian Bremmer, Gründer und Präsident der US-Denkfabrik Eurasia Group. Er habe Auflagen der Obama-Regierung zurückgenommen, vor allem im Umwelt- und Energiebereich, habe eine Steuerreform auf den Weg gebracht und konservative wie wirtschaftsfreundliche Richter ernannt. Wenig überraschend kommt Bremmer zu dem Punkt: „Die Wirtschaft brummt.“

Wie nachhaltig das Trumpsche Wirtschaftsprogramm aber ist, wird sich in der Krise zeigen. Der Konjunkturaufschwung ist schon heute einer der längsten in der Geschichte. „Es ist nicht eine Frage, ob die Rezession kommt, sondern wann“, sagt BoA-Chefvolkswirt Ethan Harris. Trump wäre also gut beraten, die USA schon heute krisenfest zu machen. An Ansatzpunkten mangelt es nicht. Die USA leiden nach wie vor unter einer in die Jahre gekommenen Infrastruktur: Brücken, Straßen und Schulen sind teils in einem jämmerlichen Zustand.

Ein zweites großes Problem für die Unternehmen vor Ort ist der Fachkräftemangel. Schon heute können viele Arbeitgeber offene Stellen nicht besetzen, da es an geeigneten Kandidaten fehlt. Zwar hatte Trump angekündigt, die Aus- und Weiterbildung der Arbeitskräfte zu fördern und zu fordern. Doch den Worten sind bislang keine Taten gefolgt. Ein Expertengremium soll Vorschläge für die Einführung einer Lehre sowie einer dualen Ausbildung nach deutschem Vorbild machen – doch bis heute gibt es kein entsprechendes Papier.

„Die Investition in Bildung zahlt sich im Aufschwung wie im Abschwung aus“, sagt Chefvolkswirt Harris. Boomt die Konjunktur, könne die Produktion nur mit den nötigen Fachkräften ausgeweitet werden. Schwächt sich die Weltwirtschaft ab, hätten die Arbeitnehmer mit der bestmöglichen Qualifikation die größten Chancen, ihren Job zu behalten oder einen neuen zu finden. „Wir brauchen einen großen und schnell verfügbaren Pool an top-ausgebildeten Arbeitskräften“, sagt Harris. Davon sind die USA aber weit entfernt. Es gibt für Donald Trump in den kommenden drei Jahren also viel zu tun. In der Wirtschaftspolitik, und erst recht auf der Weltbühne.

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