Einigung mit Geldgebern Jetzt muss Alexis Tsipras liefern

Der griechischen Regierung bleiben nur wenige Wochen, das letzte große Reformpaket durchs Parlament zu bringen. Der Juni wird damit für Tsipras zum Schicksalsmonat.

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Noch ist er nicht am Ziel. Er muss jetzt die versprochenen Reformen liefern. Quelle: Reuters

Athen Griechenland hat beim Ausstieg aus dem Hilfsprogramm eine wichtige Hürde genommen: Am Samstagabend haben die Regierung und die Geldgeber die vierte und letzte Prüfrunde des laufenden Anpassungsprogramms auf Arbeitsebene abgeschlossen. Der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos und die Geldgeber-Institutionen bestätigten die Einigung.

Das sogenannte Staff Level Agreement (SLA) ist das Ergebnis intensiver Verhandlungen Athens mit den Vertretern der vier Gläubigerinstitutionen – der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB), des Euro-Stabilitätsmechanismus ESM und des Internationalen Währungsfonds (IWF).

In der letzten Phase der Prüfrunde ging es vor allem um das stockende Privatisierungsprogramm, die Deregulierung des Energiemarktes, die Reform der öffentlichen Verwaltung, Änderungen im Tarifvertrags- und Arbeitsrecht sowie um Zwangsversteigerungen von Immobilien, deren Besitzer mit der Bedienung ihrer Kredite im Rückstand sind.

In siebenstündigen Beratungen am Samstag gelang es, die Differenzen beizulegen. „Wir haben in allen Fragen Übereinstimmung erzielt“, sagte Finanzminister Tsakalotos. Die griechischen Behörden würden nun die beschlossenen Maßnahmen „so rasch wie möglich umsetzen“, hieß es in einer Erklärung der EU-Kommission, der EZB und des ESM, die in Brüssel herausgegeben wurde. Dazu werde man „in den nächsten Wochen intensiv zusammenarbeiten“.

Nachdem Premierminister Alexis Tsipras nach seinem Amtsantritt 2015 zunächst auf Zeit spielte und mit den Geldgebern pokerte, hat er es jetzt eilig mit der Umsetzung der Reformauflagen. Mit einem fristgerechten Abschluss des am 20. August auslaufenden Anpassungsprogramms würde Tsipras sein Wahlversprechen, Griechenland aus den Fesseln des „Spardiktats“ zu befreien, doch noch einlösen. Das wäre für Tsipras ein politischer Trumpf, den er bei vorgezogenen Wahlen ausspielen könnte – womöglich noch im Herbst dieses Jahres.

Doch noch ist Tsipras nicht am Ziel. Er muss jetzt die versprochenen Reformen liefern. Der nächste Schritt ist eine Sondersitzung oder Telefonkonferenz der Euro-Arbeitsgruppe EWG, die Anfang der Woche das Verhandlungsergebnis prüfen soll. Am kommenden Donnerstag beraten dann die Finanzminister der Eurogruppe. Anschließend ist Athen wieder am Zug: Die Regierung muss im Eilverfahren die Gesetzesänderungen zur Umsetzung der Reformschritte durchs Parlament bringen.

Das soll bis Mitte nächsten Monats geschehen, rechtzeitig vor der nächsten Sitzung der Eurogruppe am 21. Juni. Dieses Datum gilt wegen der bevorstehenden Sommerpause vieler Parlamente als letzter Termin, wenn Griechenland das Programm planmäßig zum 20. August abschließen will. Damit wird der Juni für Tsipras zu einem Monat, der über sein politisches Schicksal entscheiden könnte.

In einer vergangene Woche veröffentlichten Umfrage liegen die oppositionellen Konservativen zwar 10,5 Prozentpunkte vor der linksgerichteten Regierungspartei Syriza. Ein erfolgreicher Abschluss des Sparprogramms könnte aber die politischen Kräfteverhältnisse zu Tsipras‘ Gunsten verändern.

In Teilen der Bevölkerung stoßen die Auflagen der Geldgeber allerdings weiterhin auf großen Widerstand. Tausende griechische Rentner protestierten vergangene Woche in Athen gegen bevorstehende Einschnitte. Nachdem die Renten seit Beginn der Krise bereits um durchschnittlich ein Viertel beschnitten wurden, sollen die Bezüge Anfang 2019 noch einmal um bis zu 18 Prozent gekürzt werden.

Die griechischen Gewerkschaften haben für den 30. Mai einen Generalstreik gegen den Sparkurs und die Steuerpolitik der Regierung angekündigt. Auch innerhalb des regierenden Linksbündnisses Syriza regt sich Widerspruch, vor allem gegen die Privatisierungspolitik und die Zwangsversteigerungen. Die parlamentarische Mehrheit für das voraussichtlich letzte große Reformpaket gilt aber dennoch als gesichert. So kurz vor dem Ziel will kein Regierungsabgeordneter den Ausstieg aus dem Programm in Gefahr oder gar Tsipras zu Fall bringen.

Erfüllt Athen die Reformvorgaben, wollen die Finanzminister bei ihrem Treffen im Juni die letzte Rate aus dem laufenden Hilfsprogramm bewilligen. Wenn die Parlamente der Euro-Staaten zustimmen, könnten die Gelder Mitte Juli ausgezahlt werden. Es geht um einen Betrag von 11,7 Milliarden Euro.

Der Großteil des Geldes soll in einen Liquiditätspuffer von rund 20 Milliarden Euro fließen. Diese Rücklage würde es Griechenland ermöglichen, sich notfalls auch ohne Emissionen neuer Staatsanleihen bis weit ins Jahr 2020 zu refinanzieren.

Aber bereits beim Finanzministertreffen am Donnerstag dürfte es eine wichtige Weichenstellung geben: Der IWF erwartet von den europäischen Geldgebern klare Aussagen über Schuldenerleichterungen für Griechenland. Davon hängt ab, ob sich der Fonds doch noch finanziell an dem auslaufenden Hilfsprogramm beteiligt. „Die Zeit läuft ab“, mahnte IWF-Sprecher Gerry Rice vergangene Woche.

Der Fonds drängt darauf, dass die Europäer jetzt konkrete Vorschläge für deutliche Schuldenerleichterungen auf den Tisch legen. „Wir brauchen wirklich eine Einigung beim nächsten Treffen der Eurogruppe“, unterstrich der IWF-Europadirektor Poul Thomsen im Interview mit dem amerikanischen TV-Sender CNBC. Griechenlands Staatsschulden belaufen sich auf fast 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Der IWF hält diese Schuldenlast nicht für tragfähig, zumal er die Wachstumsaussichten des Landes deutlich pessimistischer einschätzt als die EU. Vor allem die Bundesregierung zögert aber bisher mit Zusagen über Schuldenerleichterungen. Das Thema ist nicht nur bei FDP und AfD, sondern auch in den Unionsparteien politisch kontrovers.

Es ist deshalb fraglich, ob sich der Fonds am dritten Griechenland-Rettungsprogramm überhaupt noch finanziell beteiligt. Er darf nach seinen Statuten nur Geld verleihen, wenn die Schuldentragfähigkeit des Empfängerlandes gesichert ist. Finanzprobleme wirft das aber für Athen nicht auf.

Griechenland will und kann auf die IWF-Gelder ohnehin verzichten. Es geht lediglich um 1,6 Milliarden Euro. Die Kredite des Fonds sind deutlich teurer als die Darlehen des Euro-Stabilitätsmechanismus ESM. Überdies braucht Athen die Mittel gar nicht. Von den bis zu 86 Milliarden Euro, die das dritte Rettungspaket umfasst, wird das Land bis zum Programmende nur rund 58 Milliarden abrufen.

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