Einigungsprozess Diese Interessen verfolgen Nord- und Südkorea

Kim Jong Un, Machthaber von Nordkorea, und Moon Jae In, Präsident von Südkorea, machen einen gemeinsam Spaziergang. Quelle: dpa

Süd- und Nordkorea wollen eine Ära des Friedens einleiten. Beide bewegen nicht nur militärische, sondern auch wirtschaftliche Interessen. Nordkorea sitzt auf Bodenschätzen, die es isoliert aber nicht bergen kann.

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Als Kim Jong Un am Freitagmorgen Moon Jae-in auf ein paar Schritte auf nordkoreanischen Boden einlud, war das vor allem eines: Symbolik. Im Hintergrund laufen schon seit mehr als einem Monat Gespräche zwischen Nordkoreas Führer und dem südkoreanischen Präsidenten.

Dabei geht es einerseits um militärische Aspekte – etwa die Frage, wie Frühwarnsysteme zwischen beiden Ländern aufgebaut werden können oder wie eine mögliche militärische Abrüstung aussehen könnte. Mindestens genauso wichtig sind handfeste wirtschaftliche Interessen beider Staaten.

„Kim Jong Un hat Jahre investiert, um ein atomares Abschreckungsszenario aufzubauen, das ihn in die Position versetzt, auf dem internationalen Parkett mitzureden“, sagt Bernt Berger von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Kim Jong Un baue schon seit 2013 die nordkoreanische Wirtschaft um – die Politik Byungjin Linie. „Die Atombombe dient als Abschreckung und ermöglicht es, Ressourcen aus dem Militärapparat in die Wirtschaft umzulenken“, sagt Berger. Bis heute ist Nordkorea weltweit das Land mit den höchsten Militärausgaben pro Einwohner – was aber auch vor den Handlungsspielraum für Reformen eingeschränkt. „Die Verteidigung steht nicht mehr an erster Stelle für Nordkorea“, sagt Berger.

Erst zum dritten Mal überhaupt treffen Staatschefs von Süd- und Nordkorea aufeinander. Kim verspricht ehrliche Gespräche, während Moon auf die hohen, auch internationalen Erwartungen an den Gipfel hinweist.

Am ausgenscheinlichsten werde dieser Wandel anhand des Dezentralisierungsschubs im Land, den Berger beobachtet. „Es gibt in den einzelnen Provinzen sehr spannende Initiativen“, erzählt er. „In Wonsan wurden Hotelanlagen aufgebaut, Strände verbessert und ein militärischer Flughafen in einen zivilen umgebaut. Dort sollen mittel- bis langfristig internationale Gäste beherbergt werden. Auch für die Zivilbevölkerung gibt es Besserungen: Die soziale Infrastruktur wird ausgebaut, beispielsweise Wasseraufbereitungsanlagen. „Nordkorea kommt zwar von einem sehr niedrigen wirtschaftlichen Niveau“, sagt Berger. „Aber wo die lokalen Machthaber freie Hand haben, werden sie sehr kreativ.“

Der private Wirtschaftssektor in dem kommunistischen Land umfasst mittlerweile laut Schätzungen rund 50 Prozent – was unter Kim Jong Uns Vater und Großvater noch undenkbar erschien. Beide hielten an einer Staatsökonomie fest.

Die Bilder mit Moon festigen Kim Jong Uns Position innerhalb Nordkoreas und erlauben es ihm, den Wandel weiter voranzutreiben. „Auf lange Sicht muss er die Interessen der Eliten im Land befriedigen – und das heißt Zugang zu internationalen Gütern schaffen“, sagt Berger. In Pjöngjang gibt es mittlerweile eine große Mittelschicht, die steigenden Einfluss hat im Land – und Bedürfnisse.

Bodenschätze im Wert von sieben Billionen US-Dollar

Deswegen dürfte eines der Gesprächsthemen der Kaesong-Industriepark auf nordkoreanischen Boden sein, der seit 2016 geschlossen ist und auf dem südkoreanische Geldgeber einst mit nordkoreanischen Arbeitern Geschäfte machten.

Auch Südkorea hat Interesse an wirtschaftlicher Kooperation mit dem Norden: Russland und Südkorea wollen eine Gaspipeline zwischen beiden Ländern – was nordkoreanisches Territorium berührt. Russland hatte Nordkorea bereits 2014 zehn Milliarden US-Dollar Schulden erlassen, um den Bau der Pipeline voranzutreiben. Nun könnte neue Bewegung in das Großprojekt kommen. „Eine mögliche Wirtschaftszone zwischen Russland, Nord- und Südkorea wird seit Jahren diskutiert“, sagt Berger. „Da wird natürlich nichts über Nacht entschieden, aber allein die Perspektive baut Vertrauen auf.“

Zudem verfügt Nordkorea über immense Bodenschätze. Gold, Silber, Eisenerz, Steinkohle – rund 200 wertvolle Mineralien finden sich dort. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen SRE Minerals dort ein riesiges Vorkommen Seltener Erden entdeckt. Der Wert all dieser Mineralien wird auf sieben Billionen Dollar geschätzt.

Hier inspiziert der Diktator noch persönlich
Auf einer Früchtefarm Quelle: REUTERS
In der Lagerhalle Quelle: REUTERS
Bei der Kontrolle Quelle: REUTERS
Taedonggang Früchte Farm Quelle: REUTERS
Zu Besuch Quelle: REUTERS
Farm No. 1116 Quelle: REUTERS
Beim Rundgang Quelle: Reuters

Um von diesen Bodenschätzen auch wirtschaftlich zu profitieren, braucht das bitterarme Land Hilfe beim Aufbau von Infrastruktur, Technologie und Handelspartner: Es fehlt an Ausrüstung, um sie zu fördern, aufgrund der Wirtschaftssanktionen dürfen auch private Unternehmen aus dem Ausland dort nicht tätig werden, seit 2016 ist es Nordkorea verboten, Gold, Vanadium und Titan zu exportieren. Ohne eine Annäherung an die internationale Gemeinschaft bleiben die Mineralien für Nordkorea wertlos.

„Bei der Öffnung geht es natürlich nicht nur um Bodenschätze“, sagt Berger, aber auch solche Interessen dürften dafür gesorgt haben, dass Nordkorea sich an den Verhandlungstisch begibt.

Ob und inwieweit die Bemühungen von Erfolg gekrönt sein werden, wird sich erst nach dem Treffen von Kim Jong Un und US-Präsident Donald Trump zeigen. „Kim Jong Un und Moon Jae-in müssen jetzt die Grundlagen aushandeln, auf die sich Trump hoffentlich einlassen kann“, sagt Berger.

Wenn die USA nicht gleich Maximalforderungen stellen, sondern sich auf einen kleinteiligen Verhandlungsprozess einlassen und bereit seien, Konzessionen einzugehen, wäre das durchaus möglich.

Was Trump schonmal gefallen dürfte: Nord- und Südkorea wollen eine vollständige Entnuklearisierung der Koreanischen Halbinsel erreichen und kündigten an, 65 nach dem Ende des Krieges offiziell Frieden zu schließen.

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