Einreisestopp für Muslime Gericht stoppt Teil von Trumps Anordnung

Der von Donald Trump verhängte Einreisestopp gegen Muslime aus bestimmten Ländern könnte gegen die US-Verfassung verstoßen. Dies legt der Entscheid eines New Yorker Gerichts nah. Die Proteste gegen das Dekret nehmen zu.

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Der Teilerfolg vor Gericht macht den Gegnern des Einreisestopps Mut. Quelle: Reuters

New York/Washington US-Präsident Donald Trump hat seine erste Schlappe erlitten. Ein Gericht in New York fror in der Nacht zum Sonntag einen Teil seines Einreisestopps für viele Muslime ein. Mit dem Urteil errangen Bürgerrechtsorganisationen im Kampf gegen Trumps Dekret vom Freitag einen wichtigen Teilsieg. Der Gerichtsentscheid legt nahe, dass der Erlass gegen die US-Verfassung verstößt. Die Klärung soll vermutlich in einigen Wochen erfolgen.

Das Gericht verfügte, dass seit Freitag in den USA eingetroffene Flüchtlinge oder Besucher aus den vom Bann betroffenen Ländern zunächst nicht in ihre Heimat zurückgeschickt werden dürfen. Voraussetzung ist der Besitz eines gültigen Visums oder einer Greencard, der Schutzstatus des Flüchtlingsprogramms der USA oder eine andere offizielle Berechtigung, in die USA einzureisen.

Der Spruch gilt landesweit. Es war nicht klar, ob alle Festgehaltenen auf freien Fuß gesetzt werden müssen. Die Regierung ist angehalten, eine Liste aller Festgehaltenen zu veröffentlichen. Vermutlich sind es etwa 200 Menschen. Richterin Ann M. Donnelly begründete ihre Entscheidung unter anderem so: „Es besteht bei fehlender Begründung der Abschiebung die unmittelbare Gefahr substanzieller und irreparabler Schäden für Flüchtlinge, Visa-Inhaber und Individuen derjenigen Nationen, die vom präsidialen Erlass des 27. Januar betroffen sind.“

Trumps Anordnung hatte zur Folge, dass Einreisende nach ihrer Ankunft auf US-Flughäfen in Gewahrsam genommen und am Verlassen des Transitbereichs gehindert worden waren. Allein auf dem Kennedy-Airport in New York und auf den internationalen Flughäfen von Chicago, Houston und Washington DC wurden Dutzende Ausländer bei der Einreise abgefangen.

Das von Trump verfügte vorläufige Einreiseverbot für viele Muslime hatte zahlreiche Menschen in Verzweiflung gestürzt und Chaos auf Flughäfen in etlichen Teilen der Welt ausgelöst. Von Irakern über Jemeniten bis hin zu Sudanesen wurden Menschen mit gültigen Visa kurz vor ihrer Abreise auf heimischen Flughäfen oder bei Zwischenaufenthalten auf dem Weg in die USA gestoppt.

Mehrere strandeten nach ihrer Ankunft in den Vereinigten Staaten: Sie waren zum Zeitpunkt von Trumps Dekret am Freitagnachmittag (Ortszeit) schon auf dem Weg in die USA und wurden bei ihrer Ankunft in Gewahrsam genommen.


Kanada und Großbritannien kritisieren

An Flughäfen in mehreren US-Städten protestierten tausende Menschen dagegen. Allein am New Yorker Flughafen JFK waren es mehr als 1000, die friedlich demonstrierten. Sie skandierten „So sieht Demokratie aus“ oder „Lasst sie rein“. Auch in Metropolen wie Washington, Los Angeles, San Francisco, Chicago und Dallas gab es Demonstrationen.

Die US-Bürgerrechtsorganisation ACLU hatte zusammen mit zwei anderen Gruppen im Namen mehrerer Festgehaltener Beschwerde vor Gericht eingereicht. Die ACLU will auch die anderen Teile von Trumps Dekret angreifen. Weltweit hatten Menschenrechtler Empörung geäußert über Trumps Verfügung. Es gab auch erste politische Konsequenzen: Der Iran lässt nach eigenen Angaben nun selbst keine US-Bürger mehr einreisen.

Die Regierungen Großbritanniens und Kanadas haben sich unmissverständlich von dem Dekret distanziert. Das Büro der britischen Premierministerin Theresa May erklärte in der Nacht zum Sonntag, die Einwanderungspolitik der USA sei zwar ebenso wie die anderer Länder allein deren Sache. „Aber wir sind mit diesem Ansatz nicht einverstanden, und es ist keiner, den wir verfolgen werden.“ Die Anordnung Trumps werde nun auf ihre Bedeutung und juristischen Folgen geprüft. „Wenn es irgendwelche Konsequenzen für britische Staatsangehörige haben sollte, dann werden wir natürlich bei der US-Regierung Einspruch dagegen erheben“, hieß es in der Stellungnahme.

Trump hatte weitreichende Einreisebeschränkungen verfügt, um „radikale islamische Terroristen“ aus den USA fernzuhalten. Das Einreiseverbot gilt für alle Flüchtlinge und vorerst 120 Tage. Flüchtlinge aus Syrien bleiben sogar auf unbestimmte Zeit ausgesperrt. Auch für Menschen aus weiteren mehrheitlich muslimischen Ländern, die „bestimmten Anlass zur Sorge“ hinsichtlich Terrorismus gäben, hat Trump mindestens 90 Tage lang die Grenze geschlossen.

Kanadas Premierminister Justin Trudeau reagierte darauf, indem er Flüchtlinge in seinem Land demonstrativ willkommen hieß. „An all jene, die vor Verfolgung, Terror und Krieg fliehen - Kanada wird euch willkommen heißen, ungeachtet eures Glaubens“, schrieb Trudeau auf Twitter. Seine Botschaft endet mit den Worten: „Vielfalt ist unsere Stärke #WelcomeToCanada (WillkommenInKanada)“. Dazu postete er ein Foto von sich und einem syrischen Flüchtlingsmädchen, das er im Dezember 2015 persönlich am Flughafen von Toronto willkommen geheißen hatte. In einem Telefonat zwischen Donald Trump und Bundeskanzlerin Angela Merkel hingegen fand das Einreiseverbot keinerlei Erwähnung.


Massiver Protest aus der Wirtschaft

Doch auch die US-Wirtschaft reagierte mit deutlichem Unverständnis auf das Dekret. Besonders scharf verurteilte Google-Chef Sundar Pichai die Unterzeichnung des Dekrets. In einer E-Mail an seine Mitarbeiter erklärte Pichai, dass allein 187 Google-Angestellte von der Entscheidung betroffen wären. „Wir sind verärgert über den Einfluss dieser Anordnung und jegliche Ankündigung, die Googlern und ihre Familien Einschränkungen auferlegt und es verhindert, großartige Talente in die USA zu holen“, schrieb der Google-Chef. Google-Mitgründer Sergey Brin schloss sich derweil selbst den Protesten vor Ort an.

Kritik kam auch von Facebook-Chef Mark Zuckerberg. Er forderte US-Präsident Donald Trump dazu auf, die Grenzen der Vereinigten Staaten für Flüchtlinge geöffnet zu lassen. Es mache die Amerikaner aus, denjenigen zu helfen, die in Not seien, schrieb Zuckerberg, dessen Schwiegereltern selbst als Flüchtlinge in die USA kamen, am Freitag in einem Post in seinem sozialen Netzwerk.

Auch Tesla-Chef Elon Musk erklärte, dass dies keine Politik sei, die sein Unternehmen unterstützen könne. Der private Fahrdienstleister Uber berichtete bereits von konkreten Auswirkungen des Erlasses. Etwa ein Dutzend Verwaltungsmitarbeitern und etlichen Fahrern sei es in den kommenden Wochen nicht mehr möglich, in die USA einzureisen. Auch Microsoft, Apple-Chef Tim Cook, Twitter und Linkedin wenden sich in Statements klar gegen den Einreisebann. Zudem wurden Protestnoten von rund 4.000 US-Wissenschaftlern verfasst.

Trump hatte als ein Kernstück seines Anti-Terror-Kampfes einen 90-tägigen Einreisestopp für Menschen aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern verfügt, die „bestimmten Anlass zur Sorge“ hinsichtlich Terrorismus gäben: Syrien, Iran, Irak, Sudan, Somalia, Libyen und Jemen. Flüchtlinge aus aller Welt sind zumindest für 120 Tage ausgesperrt, jene aus Syrien sogar auf unbestimmte Dauer.

Trump will die Verbote erst dann wieder aufheben, wenn „angemessene“ Überprüfungsmechanismen aus seiner Sicht sicherstellen, dass keine „radikalen islamischen Terroristen“ in die USA gelangen. Am Samstag betonte er, die Maßnahmen seien nicht gleichbedeutend mit einem Muslim-Bann. Und sie funktionierten „sehr schön“ - das könne man auf den Flughäfen sehen. Eine Reaktion des Weißen Hauses auf den Gerichtsentscheid gab es zunächst nicht. Die Proteste sollen am Sonntag an mehreren Dutzend Flughäfen fortgesetzt werden. Die Nachrichtenseite thinkprogress.org führt mehr als zwanzig Orte auf.

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