Ende der Castro-Ära Kubas neuer Staatschef Díaz-Canel ist eine Marionette

Miguel Díaz-Canel ist das neue Gesicht Kubas. Hoffnung auf politische Reformen macht der Präsident aber nicht.

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Mexiko-Stadt Als Miguel Díaz-Canel am Donnerstag seine erste Rede als Kubas Präsident, fühlten sich die Pessimisten bestätigt. Erstmals seit fast 60 Jahren steht auf der sozialistischen Karibikinsel kein Castro mehr an der Spitze. Vielen Kubanern sagt nicht einmal der Name des neuen Staatschefs etwas. Vor den 605 Delegierten der Nationalversammlung und den TV-Kameras wirkte Díaz-Canel nervös. Er las vom Papier ab und verhaspelte sich hin und wieder. Mehr noch als seine Unsicherheit ernüchterte die Zuhörer aber der Inhalt seiner Rede – jedenfalls diejenigen, die nicht dem harten Kern der kubanischen KP angehören.

Der neue Präsident machte in seiner Rede klar, dass er künftig zwar an der Spitze der Karibikinsel steht. Aber die Politik, die machen auch weiterhin die „Historischen“ – allen voran Raúl Castro, der die kommenden drei Jahre Chef der Partei und der Politbüros bleibt und somit „Díaz-Canel nicht alleine lässt“, wie es der Ökonom Pavel Vidal ausdrückt.

Díaz-Canel hat es selbst deutlich gesagt und damit seine Kernkompetenz beschnitten: „Raúl Castro wird weiter die wichtigsten Entscheidungen anführen“, sagte er. Wer sich gefragt hat, ob Díaz-Canel ein eigenständiger Präsident und Veränderer sein wird oder vielleicht doch nur eine Marionette, der hat nun seine Antwort.

Der neue Staatschef wird Kuba keinen Aufbruch bringen, sondern Stagnation. Sein Mandat sei es, „die Kontinuität der kubanischen Revolution in einem historischen Moment zu sichern“, sagte Díaz-Canel. Und denjenigen, die auf stärkere Reformen hofften, erteilte er sogleich eine Absage: „In Kuba ist kein Platz für diejenigen, die nach einer Rückkehr des Kapitalismus streben“.

Dabei hat Kuba den Aufbruch dringend nötig. Unabhängige Ökonomen gehen davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt die beiden vergangenen Jahre geschrumpft ist. Die Insel braucht nun tiefgreifende Reformen, weniger Bürokratie, eine schnellere Öffnung und mehr Investitionen.

Ein Ziel, dass Raúl Castro mit der Annäherung an die USA zu Zeiten des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obamas erreichen wollte, war die Diversifizierung der Sponsoren. Touristen und US-Unternehmen sollten die Dollars bringen, die Venezuela nicht mehr zahlen kann. Der sozialistische Bruderstaat war über ein Jahrzehnt das für Kuba, was vor der Öffnung Osteuropas die Sowjetunion war: Ein lebenswichtiger Verbündeter. Venezuela sandte Öl zu vergünstigten Preisen, Kuba schickte Lehrer und Ärzte, die Caracas in harten Dollars zahlte. Doch inzwischen liegt Venezuelas Ökonomie selbst im Koma – und mit ihr die kubanische.

Von 2012 bis 2016 fiel der Handel zwischen beiden Ländern von 8,5 auf 2,2 Milliarden US-Dollar. Seither ging es weiter bergab. Daran zeige sich, dass Castro die Reformen zu klein gedacht habe, sagt Vidal. Dem Ökonom zufolge hat es der Ex-Staatschef nicht geschafft, die Abhängigkeit Kubas von externen Gönnern abzubauen. Zudem steckt das Land in Devisennöten, weil Kuba jährlich zwei Milliarden US-Dollar für Nahrungsmitteleinkauf ausgeben muss. Die eigene Landwirtschaft wirft trotz privater Anreize kaum etwas ab.

Die Führung in Havanna sucht deshalb schon länger nach neuen Sponsoren. Raúl Castro war sogar in Algerien, um dort das Öl zu beschaffen, das er nicht mehr aus Venezuela bekommt. Nach Angaben des Thinktanks Washington Office on Latin America (WOLA) füllen aber vor allem China und Russland zunehmend die Lücke, die Venezuela hinterlassen hat.

2014 erließ Moskau Kuba im Vorfeld eines Besuchs von Russlands Präsident Wladimir Putins in Havanna 32 Milliarden US-Dollar an Auslandsschulden. Diesen Monat erst investierte China 36 Millionen US-Dollar in kubanische Projekte in den Bereichen Landwirtschaft, Wasserversorgung, erneuerbare Energien und Technologie. China ist derzeit der größte Handelspartner der Insel. Die Volksrepublik exportierte 2017 Produkte im Wert von 1,8 Milliarden US-Dollar nach Kuba.

Auch der Warenaustausch mit Russland hat in den letzten beiden Jahren exponentiell zugenommen. Russlands Ausfuhren nach Kuba wuchsen 2017 um 81 Prozent. Zum ersten Mal seit den 1990er Jahren sendet das Land wieder Öl nach Kuba, um den Verlust der vergünstigten Lieferungen aus Venezuela auszugleichen. Wer sich wirtschaftlich so eng an Peking und Moskau bindet, wird sich auch politisch an diese beiden autoritären Staaten schmiegen.

Eine Öffnung zur Europäischen Union (EU) geht deutlich langsamer vonstatten. Im November trat ein Abkommen zwischen Brüssel und Havanna über politischen Dialog und Zusammenarbeit in Kraft. Die EU will damit die Demokratie und Menschenrechte in Kuba stärken und eine nachhaltige Entwicklung der Insel fördern.

Anfang Januar war die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini in Havanna, um der neuen Nähe Nachdruck zu verleihen. Sie erinnerte ihre zahlreichen Gesprächspartner daran, dass die EU nach wie vor eine starke Stellung auf der Insel hat. Die EU ist der größte Investor und der zweitwichtigste Handelspartner Kubas. Zudem kommt rund ein Drittel aller Touristen aus den 28 EU-Staaten. Bis 2020 stellt Brüssel Havanna zudem 50 Millionen Euro für Projekte in der Landwirtschaft, der Ernährungssicherheit und für die Hilfe zur besseren Nutzung natürlicher Ressourcen zur Verfügung. Beide Seiten vereinbarten ergänzend zudem einen neuen EU-Kuba-Rat.

Aber anders als China und Russland stellt Brüssel unangenehme Fragen nach politischen Gefangenen, mehr Demokratie und der Zulassung einer Opposition. Dies haben die Kubaner von Chinesen und Russen nicht zu erwarten.

Wie sehr sich der neue Staatschef an die EU wirklich anlehnt, wird sich zeigen müssen. Aber es ist bekannt, dass er ein Faible für Modelle wie in China und Vietnam hat. Wirtschaftliche Öffnung und Kapitalismus bei politischer Unbeweglichkeit und Niederhalten der Opposition. Ende März war der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Vietnams, Nguyễn Phú Trọng, zu Besuch in Havanna. Díaz-Canel umschwärmte ihn: „Ihre wirtschaftliche Entwicklung ist beeindruckend“, sagte er. Zur politischen Situation verlor er hingegen kein Wort.

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