Ende des Bürgerkrieges? Kolumbien am Scheideweg

Noch nie stand Kolumbien so kurz vor einem Frieden mit der linksradikalen Miliz Farc wie heute. Mit ihm soll Kolumbien endgültig zum neuen Star Lateinamerikas werden.

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Für Juan Manuel Santos fühlt es sich an wie „Kröten schlucken“. Der kolumbianische Präsident verhandelt seit über zwei Jahren mit der linksradikalen Guerilla-Miliz Farc über Frieden. Nach 50 Jahren Bürgerkrieg soll nun endlich Ruhe in das Land einkehren, das schwer von dem jahrzehntelangen Konflikt gezeichnet ist. Über 220.000 Menschen verloren ihr Leben, die Uno schätzt die Zahl der Flüchtlinge auf 5,3 Millionen – nur in Syrien gibt es mehr.
Noch nie waren die Kolumbianer jedoch so hoffnungsvoll, dass es zu einer Einigung kommt. Es sind bereits die fünften Verhandlungen mit den Guerillas. Bislang waren alle Gespräche gescheitert. Heute seien die Guerillas ausgezehrt, jetzt sei die Zeit gekommen. Wie die Gespräche ausgehen, bestimmt auch darüber, ob das Land den eingeschlagenen Reformkurs fortsetzen kann – und somit den wirtschaftlichen Aufschwung weiterträgt.
Schon jetzt sehen Analysten in Kolumbien das größte Potenzial Lateinamerikas. In der aktuellen Ausgabe des Doing Business-Report der Weltbank landet Kolumbien auf Rang 34 – und ist damit Spitzenreiter aller Lateinamerikanischen Länder.

Kolumbianische Wirtschaft wächst

In den Jahren 2005 bis 2014 wuchs die kolumbianische Wirtschaft im Schnitt um 4,8 Prozent, das Bruttoninlandsprodukt pro Kopf stieg von 3.500 US Dollar auf über 8.000 Dollar. Gleichzeitig reduzierte das Land seine Armutsquote von 45 Prozent auf 30 Prozent. Die Arbeitslosigkeit erreichte im September einen historischen Tiefstand von 8,9 Prozent.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen liegt das Land an einem strategisch wichtigen Punkt am nördlichen Zipfel Lateinamerikas, besitzt sowohl einen Zugang zum Pazifik als auch zum Atlantik. Ökonomisch positiv wirken sich zum anderen auch die Freihandelsabkommen lateinamerikanischer Länder, die Pazifik-Allianz, sowie mit den USA aus (beide seit 2012 in Kraft).

Kolumbien


„Dank über 40 Freihandelsabkommen ist Kolumbien eine der bestfunktionierenden Volkswirtschaften in Lateinamerika und bietet uns gute ökonomische Perspektiven“, sagt ein Sprecher des Pharma- und Chemiekonzerns Bayer. Seit über 100 Jahren ist das Unternehmen in Kolumbien aktiv. Mehr als 1.000 Menschen beschäftigt Bayer hier, der wichtigste Geschäftszweig sind die Pharmazeutika.


Die verschickt das Unternehmen von hier aus nach ganz Lateinamerika. Die strategische Lage kommt ihnen dabei zu Gute. Die Häfen des Landes haben sich zu internationalen Logistikdrehscheiben entwickelt.
In Cartagena etwa wird der größte Containerhafen des Landes betrieben. 2013 wurden hier 1,2 Millionen Container umgesetzt – knapp 60 Prozent des gesamten Aufkommens in Kolumbien. Güter aus Asien oder Australien werden hier für die Märkte in Europa oder die Ostküste der USA umgeladen. Davon profitieren auch deutsche Unternehmen. „Die deutsche Reederei Hamburg Süd unterhält hier ihren weltweit größten Verbindungshub“, sagt Edwin Schuh, Direktor für Kolumbien und Venezuela bei Germany Trade & Invest (GTAI).

Kolumbien ist Südamerikas Star

„Während Brasilien und Argentinien gegen die Rezession kämpfen, ist Kolumbien zu einem der Stars in Lateinamerika aufgestiegen. In den letzten zehn Jahren hat das Land eine große makroökonomische Stabilität aufgebaut“, sagt auch Magdalena Forster, Analystin bei Deutsche Bank Research. Nicht zuletzt sei das Wachstum auch durch die starke Binnennachfrage, etwa den Privatkonsum, entstanden.
Damit die Erfolge der jüngsten Vergangenheit fortbestehen, ist Präsident Santos zu großen Zugeständnissen in den Friedensverhandlungen bereit. Es geht unter anderem um Ländereien, politische Teilhabe und den Kampf gegen den Drogenhandel, der fest in den Händen der Farc sitzt. Kolumbien gehört zu den größten Kokainproduzenten der Welt.
„Wir haben erreicht, dass die Guerilla mit dem kolumbianischen Staat kollaboriert, um illegale Kokapflanzungen durch legale Kulturen zu ersetzten, damit ein Ende des Drogenhandels erreicht wird“, ist sich Santos jetzt schon sicher.
Viele dieser Anbaugebiete liegen im Hinterland, das heute kaum erschlossen ist. Damit diese Potenziale genutzt werden, plant die Nationale Infrastrukturagentur ANI einen umfassenden Ausbau der Infrastruktur. Bis 2021 sollen schätzungsweise 100 Milliarden US-Dollar in die Projekte fließen. „Für deutsche Firmen bestehen gute Chancen als Zulieferer von speziellen Baumaterialien, Maschinen oder Verkehrstechnologie“, schätzt Schuh von GTAI.

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