
Bereits im Januar legte die EU-Kommission ihre Pläne für ein europäisches Konjunkturprogramm vor: Fünf Milliarden für Energieprojekte und die Entwicklung des ländlichen Raums. Doch das Projekt ist strittig, sowohl in der konkreten Ausgestaltung als auch in der Finanzierung. Beim heutigen Treffen der EU-Energieminister in Brüssel wurde neben den Konjunkturhilfen noch ein weiteres Thema kontrovers diskutiert. Wie lässt sich die Energieversorgung Europas sicherstellen?
Im Grund ist man sich in Fachministerkreisen im Grunde eigentlich einig. Investitionen in die Energienetze sind wichtig und sollen neben dem erhofften positiven Konjunkturschub vor allem eines bringen: Die Abhängigkeit vom russischen Gas verringern.
Doch die Pläne stoßen bei vielen Mitgliedsstaaten auf Kritik, auch in Deutschland. Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) kritisiert die geplanten Investitionen als „Sammelsurium von nationalen Befindlichkeiten“. Auch die Heransgehensweise der EU sei die falsche. Denn aus deutscher Sicht liegt die Verantwortung für die Realisierung und die Finanzierung von Infrastrukturprojekten grundsätzlich bei den Energieunternehmen. Erst danach seien die EU-Mitgliedsstaaten und dann die EU selbst gefragt.
Guttenberg: Mehr Solidarität in der Gaspolitik
In Bezug auf die Gasversorgung plädiert Guttenberg für mehr Solidarität. "Aber Solidarität ist keine Einbahnstraße, sie muss auf ausreichenden Eigenanstrengungen der Mitgliedsstaaten beruhen." Sein Vorschlag: Um Lieferengpässe in Krisenzeiten besser überbrücken zu können, sollen alle Mitgliedsstaaten einen bestimmten Anteil ihrer Importe durch Speicher, unterbrechbare Verträge oder Ersatzbrennstoffe abdecken.
Langfristig sollen die Risiken einer einseitigen Abhängigkeit bei den Gasimporten aber grundsätzlich verringert werden. Diversifikation lautet hier das Zauberwort. Statt Gas vorrangig aus Russland zu importieren und zum Spielball russischer Interessen zu werden, will die EU die Importabhängigkeit auf mehrere Länder verteilen.
Das in der EU benötigte Gas wird zu zwei Dritteln importiert. Diese Importabhängigkeit wird sich nach Schätzungen der EU in den nächsten Jahren noch weiter erhöhen. Neue Pipelines sollen die Abhängigkeiten zumindest auf mehrere Erzeugerländer verteilen. Das konkreteste Projekt ist derzeit die Nabucco-Pipeline. Sie soll über die Türkei Europa den direkten Zugang zu den Gasvorkommen am Kaspischen Meer und im Nahen Osten ermöglichen. Ab 2013 könnte dann das Gas fließen.
Daneben will die EU in den Ausbau der innereuropäischen Gasnetze investieren und die Gas-Mindestvorräte aufstocken. Für die Verkoppelung von den europäischen Gas-Pipelines sind rund 1,3 Milliarden Euro vorgesehen, in Off-Shore-Windanlagen und die klimafreundliche Speicherung von Kohlendioxid sollen weitere 1,65 Milliarden Euro investiert werden. Insgesamt sind 3,75 Milliarden Euro für Energieprojekte im EU-Konjunkturpaket vorgesehen.
EU-Energiekommissar Andris Piebalgs setzte sich trotz der strittigen Punkte für eine rasche Umsetzung der Pläne ein. Allerdings bezeichnete die tschechische Ratspräsidentschaft die Vorschläge noch nicht als entscheidungsreif, da einige Punkte erst kurz vor dem heutigen Treffen der Energieminister geändert wurden. Daher werden das EU-Konjunkturpaket und die Vorschläge zur Verbesserung der Energiesicherheit vermutlich beim Frühlingsgipfel der Staats- und Regierungschefs am 19. und 20. März in Brüssel erneut zur Debatte stehen.
Auch Russland sucht die Unabhängigkeit
Russland zieht derweil seine eigenen Lehren aus den europäischen Unabhängigkeitsbestrebungen. Gestern nahmen Japans Premierminister Taro Aso und der russische Präsident Dmitrij Medwedjew auf der Insel Sacchalin die erste russische Gasverflüssigungsanlage in Betrieb. Russland wird Japan zukünftig mit flüssigem Erdgas beliefern. In verflüssigter Form kann Gas auch in Regionen geliefert werden, die nicht mit einer Pipeline erschlossen werden können. Für den russischen Gaskonzern Gazprom ist das Geschäft mit Flüssiggas ein Zukunftsfeld, 45 Milliarden Dollar will Gazprom in den kommenden 20 Jahren investieren.
Bereits am Dienstag schloss Russland zudem ein Energieabkommen mit China ab. Russland sichert China die Lieferung von Erdöl über 20 Jahre zu, im Gegenzug gewährt Peking Moskau einen Kredit über 25 Milliarden Dollar. Geld, das Russland angesichts sinkender Rohstoffpreise und fallendem Rubel gut gebrauchen kann.