Erdgas aus Russland US-Sanktionen könnten deutsche Energieversorgung belasten

Die USA bringen Strafmaßnahmen gegen Russland auf den Weg. Dahinter stecken wirtschaftliche Interessen: Die USA wollen die Gas-Pipeline Nord Stream 2 verhindern. Billigt der Senat die Sanktionen, bestrafen die Amerikaner jedoch nicht nur die Russen: Auch die Energiegewinnung der EU, vor allem Deutschlands, wird bedroht.

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Die Pipeline Nord Stream 2 soll Erdgas aus Russland durch die Ostsee direkt nach Mecklenburg-Vorpommern liefern. (Foto: Reuters)

Demokraten und Republikaner im US-Kongress haben sich auf neue Sanktionen gegen Russland geeinigt: Sie wollen Handelsbeschränkungen gegen das Land in einem neuen Gesetzentwurf verschärfen. Der Entwurf geht jetzt in den Senat – einmal beschlossen, macht es das neue Gesetz für US-Präsident Donald Trump unmöglich, die Sanktionen eigenständig wieder aufzuheben.

Die EU unterstützt die Forderungen nicht. Dabei geht es nicht darum, Russland im Allgemeinen vor Sanktionen zu schützen. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker befürchtet, dass der Gesetzesentwurf der USA trotz Nachbesserungen durch die Kommission weiterhin negative Folgen für europäische Unternehmen haben könnte: "Deshalb hat die Kommission heute beschlossen, dass - sollte unseren Bedenken nicht ausreichend Rechnung getragen werden - wir bereit sind, innerhalb von Tagen adäquat zu reagieren. Amerika zuerst kann nicht bedeuten, dass Europas Interessen an letzter Stelle kommen."

Kritiker vermuten, dass die USA sich vor allem einen Marktvorteil im europäischen Raum verschaffen wollen. Russland ist Gasversorger Nummer eins in Europa. Die EU-Kommission vermutet, dass die Amerikaner die russischen Gasanbieter mit Hilfe der Sanktionen zugunsten von amerikanischem Gas verdrängen wollen. Die USA könnten dann eigenes Gas einfacher nach Europa exportieren, trotz höherer Kosten für die Abnehmer. Aktuell kann das Land bei den niedrigen Preisen der Konkurrenz noch nicht mithalten.

Vor allem Deutschland drängt laut der Nachrichtenagentur Reuters auf schärfere Sanktionen gegen Russland. Die Bundesregierung fordert gebündelte Sanktionen aller westlichen Länder gegen Russland. Das sei nicht nur effektiver, sondern man könne so auch unliebsame Folgen für einzelne Partnerländer vermeiden.

Die geplanten US-Sanktionen stünden vor allem dem Bau der neuen Gaspipeline Nord Stream 2 im Weg, die von Russland Erdgas über die Ostsee direkt nach Deutschland liefern soll. Die Bundesregierung fürchtet, dass an dem Projekt beteiligte deutsche Unternehmen eingeschränkt werden. Auch die russische Regierung warnte, das US-Vorgehen könnte wichtige Energie-Großprojekte mit der EU in Gefahr bringen.

Martin Schäfer, Sprecher des Auswärtigen Amts wiederholte, was Sigmar Gabriel bereits in vergangenen Gesprächen über die Sanktionen betont hatte: Die Sanktionen dürften kein Instrument der Industriepolitik zugunsten Amerikas sein. Europa habe Interesse, gemeinsam mit den USA Maßnahmen gegen Russland etwa wegen der Ukraine-Krise und der Annexion der Krim zu ergreifen.

Bis das Gesetz für die neuen Sanktionen beschlossene Sache sei, bliebe noch genug Zeit, mit den USA an Verbesserungen im Entwurf zu arbeiten, in denen dann die europäischen Interessen mehr berücksichtigt würden.

Abhängig vom russischen Erdgas

Russische Lieferungen sind bereits heute sehr wichtig für Deutschlands Energieversorgung. Laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie werden jeweils circa ein Drittel des deutschen Gas- und Ölbedarfs  aus russischen Lieferungen gedeckt. 2016 deckte Erdgas bereits knapp 23 Prozent des gesamten Energieverbrauchs in Deutschland. Laut der AG Energiebilanzen e.V. ist der Erdgasverbrauch in Deutschland im ersten Quartal dieses Jahres zudem um 6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr angestiegen.

Bereits um den Bau der seit 2011 in Betrieb genommenen Pipeline Nord Stream 1 gab es Streit innerhalb der EU. Polen und die baltischen Staaten fürchteten bereits beim ersten Projekt, außen vor gelassen zu werden und einen wirtschaftlichen Nachteil gegenüber anderen EU Ländern zu erleiden.

Eigentlich soll Nord Stream 2 schon 2019 an den Start gehen, die finale Entscheidung fällt die EU-Kommission aber erst nach der Sommerpause. Vor allem Polen und die baltischen Staaten wehren sich gegen den Bau, aus Sorge, dass sich die EU zu abhängig von Russland mache.

Auch die Ukraine warnt vor zu viel Macht für Russland, man habe in der Krim-Krise gesehen, wohin das führen könne. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sieht die zweite Pipeline „als Werkzeug russischer Energie-Aggression gegen mein Land. Und nicht nur gegen die Ukraine, sondern gegen die ganze Europäische Union.“

Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie – und Handelskammertages (DIHK), fürchtet dass die gemeinsamen Projekte mit Russland, vor allem der Bau der neuen Pipeline, durch die Sanktionen zum Stillstand kommen könnten: „Davon wäre auch die deutsche Wirtschaft empfindlich getroffen.“

Die Bundesregierung fördert das Projekt Nord Stream II, auch die deutschen Unternehmen Wintershall und Uniper unterstützen den Bau. Beide Unternehmen wollten sich zu den US-Sanktionen nicht äußern, solange die Zukunft des Projektes nicht geklärt ist. Aus dem Hause Wintershall heißt es lediglich: “Wir beobachten die Entwicklungen in den USA genau und können nichts weiter kommentieren.“

Der größte Erdgas-Lieferant für Deutschland ist die Firma Gazprom. Das Unternehmen ist der alleinige Gesellschafter der Nordstream 2 AG und finanziert die Hälfte des Projekts. Den Rest zahlen die beteiligten Unternehmen, in Anteilen von bis zu 950 Millionen Euro. Die Einnahmen durch die Pipeline werden, im Falle eines Baus, für Gazprom im Bereich von mehreren Milliarden Euro liegen. Durch das Projekt wird außerdem der Grundstein in der Partnerschaft mit verschiedenen Unternehmen für noch größere Projekte legen. Unter anderem ist von Pipelines nach China oder in die Türkei die Rede. Auch bei Gazprom wollten sich weder die deutsche Tochterfirma noch das russische Mutterunternehmen zu den aktuellen Entwicklungen äußern.

Mit Material von Reuters und dpa.

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