
Viel Zeit ist nicht mehr. Man musste nur dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vor ein paar Tagen in Washington zuhören: „Wir haben darauf gewartet, dass Diplomatie funktioniert, wir haben darauf gewartet, dass Sanktionen funktionieren. Keiner von uns kann sich leisten, viel länger zu warten.“ Was das heißt: Israel wird in den kommenden Wochen den Iran nicht angreifen, wohl aber spätestens im kommenden Herbst, falls die Teheraner Mullahs bis dahin ihre atomare Aufrüstung nicht stoppen. Denn später, das verbreiten zumindest israelische und amerikanische Experten, wäre die iranische Aufrüstung so weit fortgeschritten, dass Bomben- und Raketenangriffe nichts mehr ändern würden.
Die kommenden Monate werden darum „schwierig“, sagt US-Präsident Barack Obama, und das ist eine gewaltige Untertreibung. Harte Zeiten kommen nicht nur auf Diplomaten, militärische Planer und im schlimmsten Fall auf unbeteiligte Zivilisten zu. Seit der rhetorischen Eskalation der Krise um die iranische Atomrüstung vor ungefähr zwei Monaten ist der Erdölpreis für ein Barrel der Sorte Brent von gut 100 auf etwa 125 Dollar gestiegen.

Sollten die Mullahs im Konfliktfall die Meerenge von Hormuz und damit den Erdölexport ihrer arabischen Nachbarn blockieren, könnte der Preis an den Weltmärkten auf 230 Dollar hochschnellen, meinen die Analysten von Goldman Sachs. 17 Millionen Barrel pro Tag würden in diesem Fall erst einmal vom Weltmarkt verschwinden, 20 Prozent des weltweiten Verbrauchs.





Für solch ein Horrorszenario gibt es keinen Präzedenzfall. Zum bisher schlimmsten Störfall in der Ölversorgung kam es im Winter 1978/79 durch die Revolution im Iran. Damals handelte es sich um deutlich weniger als sechs Millionen Barrel, die ausfielen, mit der Folge einer Verdopplung des Ölpreises in wenigen Monaten. Seitdem kennen die Herrscher in Teheran ihre Macht über den Westen.
Die hat allerdings Grenzen. Erst einmal könnten die strategischen Ölreserven der Industrieländer Versorgungsengpässe bis zu sechs oder sieben Wochen ausgleichen – und länger würde eine militärische Auseinandersetzung kaum dauern. Überdies halten die Analysten der Commerzbank in einer ausführlichen Untersuchung der möglichen Folgen der Irankrise Warnungen vor einem Konjunktureinbruch auch bei starkem Preisanstieg für „eher übertrieben“.