Es wirkt schon eindrucksvoll. Die Opec hat getagt, die Opec hat einen Beschluss gefasst, und der Rohölpreis ist binnen weniger Stunden um fast drei Prozent gestiegen. Auf knapp 49 Dollar für das Fass der Sorte Brent am Handelsplatz London, 60 Prozent mehr als zu Jahresanfang. Man könnte meinen, jetzt sei der gewaltige Ölpreisverfall, der vor knapp zwei Jahren einsetzte, endlich vorbei. Weil die Saudis endlich wieder den Ölhahn nach links drehen und ihre Rekordproduktion drosseln.
Überzeugend ist diese Meinung freilich nicht. Die Ölminister des Opec-Kartells haben sich bei ihrer Tagung in Algier darauf geeinigt, ihre gesamte Produktion demnächst von derzeit 33,2 Millionen Barrel pro Tag auf eine Gesamtmenge zwischen 32,5 und 33 Millionen zu kürzen. Das wäre maximal eine Kürzung um 2,2 Prozent der Gesamtfördermenge. Um solche Margen schwankt von Monat zu Monat die Ölförderung in den USA oder auch in Russland, das bekanntlich nicht zum Opec-Kartell gehört. Und überdies haben die Ölminister in Algiers keineswegs neue Förderquoten für die einzelnen Mitgliedsländer beschlossen. Das soll Ende November in Wien geschehen. Wenn überhaupt.
Warum hat Algiers dann überhaupt den globalen Rohölmarkt so heftig bewegt? Da ist viel Psychologie im Spiel: Händler, die 2008 schon mit dem Ölmarkt zu tun hatten oder vielleicht sogar schon so alt sind, dass sie die Marktbewegungen der Achtziger- und Neunzigerjahre noch im Kopf haben, die motiviert jede Verlautbarung der Opec in Minutenschnelle zum Drücken des Knopfs für Kaufen oder Verkaufen, je nachdem. Derzeit mehr als heute, weil die Opec seit etlichen Jahren überhaupt keine relevanten Beschlüsse mehr gefasst hatte. Und jetzt die Erklärung von Algiers, die der iranische Ölminister Bidschan Sanganeh dort gleich zur „außergewöhnlichen Entscheidung“ deklarierte.
Das stimmt, aber eher bei politischer als bei ökonomischer Betrachtung. Gelähmt war die Opec in letzter Zeit nämlich vor allem wegen der Konfrontation der nahöstlichen Intimfeinde Saudi-Arabien und Iran. Die Saudis hatten sich auf den Standpunkt versteift, jede Produktionsdrosselung des gesamten Kartells müsse von den Iranern mit dem gleichen Prozentsatz mitgetragen werden. Für Teheran, das nach den Jahren des internationalen Boykotts seine Ölindustrie gerade erst wieder auf das Niveau von vor einem Jahrzehnt hochfahren will, war das völlig inakzeptabel.
Und das hat sich mit Algier geändert. Die Saudis sind einverstanden, dass der überschaubare iranische Anteil am Welthandel mit Erdöl weiter steigt, während ihr eigener sinkt. Prinzipiell jedenfalls: Denn mit genauen Zahlen soll der Grundsatzbeschluss ja erst in zwei Monaten in Wien gefüllt werden. Bis dahin wird sich genauer feststellen lassen, ob sich der derzeitige Rückgang der globalen Ölnachfrage verfestigt oder nicht. Die Opec-Minister werden auch genau darauf schauen, ob die russische Produktion weiter so stark steigt wie in den vergangenen Monaten.
Was Sie über den Ölpreis wissen müssen
Da Öl ursprünglich in Fässern abgefüllt wurde - Barrel im Englischen -, wird diese Maßeinheit in der Branche bis heute verwendet. Ein Barrel sind 159 Liter.
Die steile Talfahrt begann Mitte 2014, bis Anfang 2016 hatte sich der Preis mehr als gedrittelt. Seitdem hat sich der preis wieder erholt, bleibt aber weiter weit hinter früheren Niveaus zurück. Hintergrund ist ein knallharter Wettbewerb zwischen den klassischen Ölförderern wie Saudi-Arabien und neuen Konkurrenten, die Rohöl mit der aufwendigen Fracking-Methode aus Schiefergestein lösen, allen voran in den USA.
Rohöl ist nicht gleich Rohöl. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Sorten – je nach Region. Alleine der Finanzinformationsdienst Bloomberg listet mehr als 100 Stück auf, wovon allerdings nur wenige große Bedeutung haben. Als Richtwert am Finanzmarkt gilt das US-Rohöl West Texas Intermediate (WTI). Eine weitere wichtige Sorte ist das Nordsee-Öl Brent.
Bei den Ölsorten gibt es gravierende Unterschiede bei der Qualität, was auch zu merklichen Preisunterschieden führt. So kann etwa die Sorte North Dakota Sour in der Raffinerie nur schwer verarbeitet werden, weil sie stark schwefelhaltig ist. Das schlägt sich auch im Preis nieder.
Für US-Öl und Brent-Öl werden die Preise über das Spiel von Angebot und Nachfrage gebildet. Aber auch diese Sorten können eine Vielzahl von unterschiedlichen Preisen haben, was daran liegt, dass sie in sogenannten Future-Kontrakten gehandelt werden. Der Käufer erwirbt dabei Rohöl mit unterschiedlichen Lieferdaten. Der am meisten gehandelte und damit für die Anleger wichtigste Future-Kontrakt läuft über einen Monat.
Auch die Ölsorten des Ölkartells Opec (Organisation erdölexportierender Länder) sind für die Weltwirtschaft von hoher Bedeutung. Von der Opec-Zentrale in Wien wird einmal täglich der sogenannte Opec-Korbpreis ermittelt. Hierfür melden alle Mitgliedstaaten des Ölkartells ihre jeweiligen Ölpreise, dann wird der sogenannte Korbpreis aller 13 Opec-Sorten errechnet. Dieser Durchschnittspreis wird allerdings immer mit einem Tag Verzögerung veröffentlicht und spiegelt daher nicht die neueste Entwicklung wider.
Und schließlich hängt viel an der politischen Entwicklung zwischen den verfeindeten Hauptstädten Riad und Teheran. Die saudische Herrscherfamilie scheut nach Meinung der meisten Beobachter trotz allem Säbelrasseln vor einer weiteren Eskalation des Konflikts zurück: Im Jemen läuft der Stellvertreterkrieg schlecht für die saudische Seite, und das ambitionierte Wirtschaftsreformprogramm steht und fällt mit halbwegs friedlichen Verhältnissen.
Da fallen ein paar wirtschaftliche Erfolge der verhassten Iraner nicht wirklich ins Gewicht, und eine ganz leicht reduzierte Ölproduktion ist auch kein ökonomisches Problem für Saudi-Arabien, wenn der Ölpreis gleichzeitig steigt.
Ob das auf Dauer so bleibt, ist allerdings aus all diesen Gründen fraglich.