Ersatz für russische Exporte Für Deutschlands Rohstoffhunger bietet sich Kasachstan als Alternative zu Russland an

Kasachstan verfügt über 200 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche. Das ist etwa zwölfmal so viel wie Deutschland. Bisher gingen die Exporte vor allem in den Iran, nach Russland und China, sagt der Botschafter des Landes in Berlin. Quelle: Außenministerium Kasachstan

Die ehemalige Sowjetrepublik Kasachstan könnte fast alles liefern – mit deutscher Hilfe, sagt Botschafter Dauren Karipov im Interview. Der Wirtschaftsstandort bietet bis zu 25 Jahren Steuerfreiheit.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Der Weg zum kasachischen Außenposten in Deutschland führt tief nach Ostberlin, nach Schönhausen im Bezirk Pankow. Die einstige Residenz des US-Botschafters in der DDR gehört heute zur Botschaft Kasachstans, einst Teil der UdSSR. Dort bittet Botschafter Dauren Karipov, der ausgezeichnet Deutsch spricht, bereitwillig zum Gespräch. Thema: Wie sein Land, das selbst zuletzt von politischen Unruhen erschüttert wurde, bei denen sogar russische Einheiten eingriffen, den Deutschen nun helfen kann, russisches Gas, Öl und andere Rohstoffe zu ersetzen und auch landwirtschaftliche Erzeugnisse zu liefern.

WirtschaftsWoche: Herr Botschafter, die Sanktionen gegen Russland führen dazu, dass Energie und andere Rohstoffe in Deutschland knapp zu werden drohen. Kann Kasachstan in die Bresche springen?
Dauren Karipov: Kasachstan ist derzeit der drittgrößte Erdöllieferant für Deutschland. Mein Land verfügt über ein erhebliches Potenzial, um die Versorgung Deutschlands mit konventionellen Energieressourcen zu erhöhen, aber auch grüne Energie zu produzieren und anschließend zu exportieren. Wir verfügen außerdem über bedeutende Vorkommen an Gas oder Zink, Wolfram, Silber, Blei, Chromit, Kupfer, Gold und seltene Erden. Kasachstan steht bereit, die wirtschaftlichen und handelspolitischen Beziehungen mit Deutschland rasch und umfassend auszubauen.

Lesen Sie auch: Kasachstan rückt als Ausweg ins Blickfeld

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ist in die Golfstaaten und nach Norwegen gereist, um mehr Lieferungen von Öl und Gas nach Deutschland zu vereinbaren. Sollte er also auch in Ihr Land reisen?
Wir würden uns über einen Besuch von Minister Habeck freuen und ich bin mir sicher, dass beide Länder weitreichende Vereinbarungen treffen können, um Deutschlands Bedarf an Rohstoffen und Verarbeitungsprodukten zu decken.

WirtschaftsWoche-Redakteur Christian Ramthun traf den Botschafter Kasachstans, Dauren Karipov, in der Botschaft in Berlin. Quelle: Privat

Wie schaut es mit landwirtschaftlichen Produkten wie Weizen und Ölsaaten aus, wo wegen des Krieges ebenfalls Engpässe drohen?
Wir verfügen über 200 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche…

… also rund zwölfmal so viel wie Deutschland …
… und sind einer der großen Getreideexporteure auf der Welt. Bisher liefern wir vor allem in Richtung Iran, China und Russland, können aber auch gern mehr Getreide nach Deutschland exportieren. Wir haben noch ein beträchtliches Potenzial, um die Erträge zu erhöhen. Dazu brauchen wir aber Knowhow und technische Zusammenarbeit. Hier wünschen wir uns eine umfassende Kooperation mit Deutschland – sie wäre zu beiderseitigem Nutzen.

Kasachstan liegt mitten in Asien ohne direkte Seeverbindung. Ist das nicht ein Nachteil für den Ausbau der bilateralen Beziehungen?
Wir betrachten uns als zentrale Drehscheibe in Asien und als Teil der Seidenstraße. Mehr als 80 Prozent der auf dem Landweg von China nach Europa beförderten Güter werden über Kasachstan abgewickelt. Güterzüge brauchen nur 14 Tage, um ihr Ziel zu erreichen, das ist drei- bis viermal schneller als Seefracht. Und im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsunion haben wir Zugang zu den Märkten der Nachbarländer mit einer Gesamtbevölkerung von 180 Millionen Menschen und einer Wirtschaftsleistung von 2,2 Billionen Dollar.

Wollen Sie hier um deutsche Unternehmen werben?
Vor dem Hintergrund der schrecklichen Ereignisse in der Ukraine ist die Zahl der Unternehmen, die an einer Zusammenarbeit mit Kasachstan interessiert sind, gestiegen. Einige deutsche Unternehmen, die in Russland tätig sind, haben Interesse an der Eröffnung eines Büros in Kasachstan oder an einer teilweisen oder vollständigen Verlagerung ihrer Geschäftstätigkeit in unser Land bekundet. Auch russische Unternehmen, die nicht auf der Sanktionsliste stehen, sind an einer Tätigkeit in Kasachstan interessiert.

von Rüdiger Kiani-Kreß, Jacqueline Goebel, Max Haerder, Andreas Macho, Christian Schlesiger, Martin Seiwert, Silke Wettach

Profitiert Kasachstan also vom Krieg in der Ukraine?
Das steigende Interesse deutscher Unternehmen war schon vor Februar 2022 zu bemerken, nicht zuletzt dank der exklusiven Präferenzen für deutsche Unternehmer und Investoren, die Präsident Tokajew während seines Besuchs in Deutschland im Dezember 2019 vorgestellt hatte und dafür sogar eine Sonder-Regierungsarbeitsgruppe errichten ließ. Wir sind an einer weiteren Vertiefung der Handels- und Investitionszusammenarbeit mit Deutschland sehr interessiert.

Wie viele deutsche Unternehmen sind bereits in Kasachstan vertreten?
Es gibt mehr als 600 Joint Ventures mit deutscher Kapitalbeteiligung. Große Unternehmen sind dabei wie Metro, Knauf Gips, Heidelberg Cement, BASF, Linde, Obi oder Claas. Die Hauptbereiche, in denen deutsche Unternehmen tätig sind, sind Baugewerbe, Handel, industrielle Fertigung und Bergbau. Sie alle profitieren auch von unserem günstigen Investitionsklima.

Günstiges Investitionsklima?
Dies wird durch maßgebliche internationale Ratings bestätigt. Im Jahr 2021 verzeichnete Kasachstan den höchsten Zuwachs an ausländischen Direktinvestitionen unter den Transformationsländern, nämlich ein Plus von 35 Prozent laut UNCTAD (Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung; Anm. d. Red.). Kasachstan belegt im Doing-Business-Ranking der Weltbank den 25. Platz, vor Ländern wie Österreich, Japan oder Russland und ein wenig hinter Deutschland. Wer sich in einer unserer 13 Sonderwirtschaftszonen ansiedelt, wird im Übrigen für 15 Jahre von Zollgebühren befreit. Wenn ein ausländischer Investor über 50 Millionen US-Dollar in Kasachstan investieren möchte, kann er mit der Regierung sogar ein Investitionsabkommen vereinbaren, im Rahmen dessen er Präferenzen, etwa Steuerfreiheit bis zu 25 Jahren, gewährt bekommt. Außerdem haben wir 36 Industriegebiete mit schlüsselfertiger Infrastruktur.

Kasachstan bringt sich für engere Lieferbeziehungen mit Deutschland ins Spiel. Bei welchen Rohstoffen das Land am Kaspischen Meer als Ersatz für Russland in die Bresche springen könnte: Ein Blick auf die Zahlen.
von Svenja Gelowicz, Frank Doll

Nicht so gut steht es um die politische Stabilität. Anfang des Jahres gab es Unruhen, bei denen sogar russische Einheiten eingriffen.
Die neue Regierung setzt auf Reformen, um die Spannungen abzubauen. Wir sind dabei, das politische System in Richtung eines präsidialen Parlamentarismus zu entwickeln mit einer größeren Teilhabe der Bürger. Die russischen Einheiten waren Teil der Friedensmission der Organisation für Kollektive Sicherheit, der auch Armenien, Belarus, Kirgisistan und Tadschikistan angehören. Zu deren Funktionen während der Januar-Ereignisse zählten ausschließlich die Sicherung der Regimeobjekte. Die Friedenstruppen verließen das Land, gleich nachdem die Situation wieder stabilisiert war.

Lesen Sie auch: Diese Grafiken zeigen, welche Rohstoffe Kasachstan zu bieten hat

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%