Erste TV-Debatte zwischen Trump und Biden Wo bleiben die Visionen für die größte Volkswirtschaft der Welt?

Die Fragen des Moderators Chris Wallace bildeten oftmals lediglich den Ausgangspunkt für eine Live-Performance von Trumps Twitter-Feed und die Reaktion vom zunehmend gereizten Biden. Quelle: AP

Bei der ersten Debatte tauschen Trump und Biden mehr Beleidigungen als Inhalte aus. Dabei hätte der amtierende Präsident dringend vom wirtschaftlichen Schwerpunkt der Debatte profitieren müssen.

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Es dauerte nicht lange, bis die erste Debatte zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem Herausforderer Joe Biden völlig zusammenzubrechen drohte. Von Anfang an war das Aufeinandertreffen der beiden Kontrahenten von Unterbrechungen und persönlichen Attacken geprägt. Ein substanzieller Austausch über die Vision der Kandidaten für die Zukunft der größten Volkswirtschaft der Welt? Konnte so kaum stattfinden. Die Fragen des Moderators Chris Wallace bildeten oftmals lediglich den Ausgangspunkt für eine Live-Performance von Trumps Twitter-Feed und die Reaktion vom zunehmend gereizten Biden, der den Präsidenten irgendwann einen „Lügner“ und einen „Clown“ nannte, der „die Klappe halten“ solle.

Vor allem Trump könnte diese Entwicklung noch bereuen. Der inhaltliche Schwerpunkt der Debatte – die Wirtschaft – hätte ihm eigentlich entgegenkommen müssen. Es ist das einzige Thema, bei dem der Präsident seinen Herausforderer in Umfragen regelmäßig abhängt. Allerdings hatte Trumps vermeintliche Stärke auf diesem Feld kurz vor der Debatte einen deutlichen Dämpfer bekommen: Berichte über seine enormen Schulden und minimalen Steuerzahlungen in den vergangenen Jahren, die am Sonntag erstmals von der New York Times publiziert wurden, hatten Trumps in Teilen der Bevölkerung immer noch virulentes Image als Business-Genie erheblich beschädigt. Gleichzeitig eröffneten sie Biden die Gelegenheit, die Ungerechtigkeiten im amerikanischen Wirtschaftssystem deutlich anzusprechen – und direkt mit Trump zu verknüpfen.

„Er sagt, er sei schlau, weil er die Steuergesetze für sich nutzen kann“, so Biden. „Ich werde die Trump-Steuern streichen und wir werden in Menschen investieren, die es brauchen.“ Überhaupt scheute sich Biden nicht, höhere Steuern für Bestverdiener in Aussicht zu stellen. Dies ermögliche staatliche Ausgaben, die vom Wirtschaftsabschwung besonders betroffene Regionen wiederbeleben könnten.

Trump wiederum versprach, die Wirtschaft erneut zu der alten Stärke vor dem Corona-Absturz zurückzuführen. Auch hier zeigten sich die Unterschiede in der Herangehensweise der beiden Kandidaten: Der Präsident wolle schlicht ohne Plan weiter Dinge eröffnen, während in der Hälfte der Staaten die Infektionen weiter stark ansteigen, so Biden. „Man kann die Wirtschaft nicht reparieren, solange Covid nicht besiegt ist.“ Trump warf den Demokraten vor, sie hielten Teile des Landes aus politischen Gründen geschlossen. Die Gesundheitsbehörde CDC hat mehr als sieben Millionen Coronavirus-Infektionen in den USA erfasst. Die Zahl der Toten liegt bei fast 205.000.

Die Pandemie lenkte die Debatte schließlich auch zum Thema Gesundheitspolitik. Trump warf Biden vor, entgegen dessen erklärten Politikzielen eine völlige staatliche Übernahme des Gesundheitssektors zu befürworten. Der linke Flügel der Demokraten, so Trump, werde Biden mitreißen. „Sie werden Sie dominieren, Joe. Das wissen Sie selbst“, so der Präsident.

Biden verwies darauf, dass Trump immer noch keinen Plan für eine Gesundheitsreform vorgelegt habe. Ausgerechnet in einer Zeit, in der das Krankenversicherungsgesetz Obamacare angesichts einer bevorstehenden Verhandlung vor dem Supreme Court wenige Tage nach der Wahl womöglich ernsthaft in seiner Existenz bedroht ist. Die Trump-Administration unterstützt dort eine Klage, die das Gesetz im Erfolgsfall vollständig aufheben und damit Millionen Menschen ohne Versicherungsschutz zurücklassen könnte. Ohnehin habe Trump durch den Wirtschaftsabsturz bereits zehn Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner ihre Krankenversicherung gekostet, so Biden, da sie ihre Jobs verloren hätten


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Dass der Präsident diese Jobs zurückbringen kann, glaubt sein Herausforderer nicht. Er selbst wiederum habe nach der Finanzkrise den wirtschaftlichen Wiederaufstieg der USA mitorganisiert und beispielsweise die Autokonzerne in Detroit gerettet. Dies habe dazu geführt, dass in den letzten drei Jahren der Obama-Administration mehr Jobs entstanden seien, als in Trumps ersten drei Jahren im Amt. Auch habe die Industrie bereits vor dem Covid-Absturz geschwächelt, das Handelsdefizit mit China sei hingegen weiter angestiegen. Trump versuchte von dieser – inhaltlich korrekten – Bestandsaufnahme abzulenken, indem er den Wiederaufstieg der Wirtschaft unter Obama und Biden als den „langsamsten in der Geschichte“ charakterisierte. Danach griff er Bidens Sohn an. Zum Thema Wirtschaftspolitik kehrte das Gespräch nicht mehr zurück.

Die kommenden Tage werden nun zeigen, ob die Debatte die Dynamik des Wahlkampfes noch einmal ändern wird. Die ersten Blitzumfragen legen das allerdings nicht nahe. Laut mehreren Instituten hat Biden die Debatte gewonnen, Trumps aggressives Auftreten kam hingegen nicht gut an.

Für den Präsidenten ist das eine schlechte Nachricht. Schon wieder. Gut fünf Wochen vor der Wahl braucht Trump für sein politisches Überleben einen Wendepunkt im Wahlkampf. In Umfragen liegt er seit Monaten teils deutlich hinter Biden – sowohl landesweit als auch in den wichtigen Swing States. Gleichzeitig gibt es in diesem Jahr deutlich weniger unentschlossene Wähler, die noch vom einen oder anderen Kandidaten überzeugt werden können. Meinungsforscher schätzen ihren Anteil auf drei bis elf Prozent der Wahlbevölkerung. Doch selbst wenn Trump weiter in der Defensive bleiben sollte, ist das Rennen noch nicht gelaufen. Vor dem Wahltag am 3. November treffen er und Biden noch zwei Mal zu Debatten aufeinander. Die nächste ist bereits für den 15. Oktober angesetzt. Womöglich überrascht diese Debatte dann zur Abwechslung mal durch inhaltliche Stärke.

Mehr zum Thema: 750 Dollar soll Donald Trump nur an Einkommenssteuer gezahlt haben. Das wäre eine Erklärung, warum Trump die Unterlagen bislang geheim hielt. Was seine Vorgänger angaben, ist noch heute einsehbar.

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