
In der arabischen Welt kommt es zu einem folgenschweren Zerwürfnis: Wegen des Vorwurfs der Terrorismusunterstützung setzen mehrere mächtige Nahost-Länder den Golfstaat Katar in einer konzertierten Aktion massiv unter Druck. Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain gaben am Montag bekannt, ihre diplomatischen Verbindungen zu Katar abzubrechen. Zudem kündigten sie an, alle Verkehrsverbindungen nach Katar einzustellen - und den Luftraum für Flugzeuge des Landes zu schließen. Bürger aus dem Land hätten nun zwei Wochen Zeit, die drei anderen Golfstaaten zu verlassen. Katar wies die Anschuldigungen als Lügen zurück und sprach von einer Kampagne zur Schwächung des Landes. Der saudiarabische Erzrivale Iran sieht sich als eigentliches Ziel des Vorstoßes und die USA als Strippenzieher. Sowohl die Türkei, Russland als auch Iran riefen die Staaten auf, den Konflikt beizulegen. Das Weiße Haus teilte mit, US-Präsident Donald Trump werde sich bemühen, die Lage zu deeskalieren.
Saudi-Arabien beschuldigt Katar, extremistische Organisationen wie die Muslimbruderschaft, den IS und Al-Kaida zu unterstützen und deren Botschaften zu verbreiten. Der Vorwurf richtet sich offenkundig insbesondere gegen den staatlichen Fernsehsender Al-Dschasira. Saudi-Arabien klagt Katar zudem an, Milizen mit Kontakten zum Erzrivalen Iran zu fördern. Die Kämpfer seien sowohl in der saudiarabischen Region Katif aktiv, wo sich im Osten des sunnitisch geprägten Landes eine Hochburg der schiitischen Minderheit befindet, als auch in Bahrain.
Allerdings weist die Regierung Katars die Vorwürfe einer Terrorunterstützung ebenso zurück wie Saudi-Arabien, das selbst auch immer wieder beschuldigt wird, radikal-islamische Gruppen im Ausland zu unterstützen. Die US-Regierung stärkte Katar demonstrativ den Rücken. Die USA und die von ihr geführte Koalition gegen die Extremisten-Miliz Islamischer Staat seien dankbar für das Engagement Katars für die regionale Sicherheit und die andauernde Unterstützung für die Truppenpräsenz der Anti-IS-Koalition, sagte ein Sprecher des US-Zentralkommandos der Nachrichtenagentur Reuters.
Die Staaten mit den höchsten Pro-Kopf-Einkommen 2016
Schweiz
59.275 US-Dollar / Kaufkraftparität
Quelle: Global Finance Magazine
San Marino
64.443 US-Dollar / Kaufkraftparität
Vereinigte Arabische Emirate
67.969 US-Dollar / Kaufkraftparität
Norwegen
69.296 US-Dollar / Kaufkraftparität
Irland
69.374 US-Dollar / Kaufkraftparität
Kuwait
71.263 US-Dollar / Kaufkraftparität
Brunei Darussalam
79.710 US-Dollar / Kaufkraftparität
Singapur
87.082 US-Dollar / Kaufkraftparität
Luxemburg
101.936 US-Dollar / Kaufkraftparität
Katar
129.726 US-Dollar / Kaufkraftparität
Saudi-Arabien schloss das Land aus der Militärkoalition aus, die in Jemen gegen schiitische Rebellen kämpft. Die Huthi-Rebellen werden vom Iran unterstützt. Auch der Jemen und die Rebellen im Osten Libyens brach die Beziehungen zu Katar ab.
Katar drohen nun unmittelbar ökonomische Konsequenzen. Wichtige Fluggesellschaften wie Etihad und Emirates kündigten an, ab Dienstag alle Flüge von und nach Doha auf unbestimmte Zeit auszusetzen. Ägypten schloss den Luftraum für Flugzeuge aus Katar, was das Luftdrehkreuz Doha gefährden könnte, über das auch europäische Passagiere nach Asien fliegen. Es wird mit erheblichen Störungen im Flugplan gerechnet, vor allem bei Qatar Airways. Am Hamad-Flughafen in Katar wurden allein im ersten Quartal 2017 knapp zehn Millionen Passagiere abgefertigt, viele davon kommen aus den Nachbarländern zum Umsteigen. Qatar Airways ist an der Iberia- und British-Airways-Mutter IAG beteiligt.
Der internationale Verband der Airlines, IATA, rief dazu auf, Grenzen nicht zu schließen. "Unsere Branche hängt von offenen Grenzen ab", sagte IATA-Chef Alexandre de Juniac. In Deutschland bietet die Lufthansa eine tägliche Verbindung via Kuwait nach Doha an. "Der Abbruch diplomatischer Beziehungen einiger Nachbarländer zu Katar hat zum aktuellen Zeitpunkt keine Auswirkungen auf diese Flugverbindung", sagte ein Konzernsprecher.
An den Finanzmärkten kam aber schon Unruhe auf. Der Ölpreis gab nach. Die Frage sei nun, ob es zu verstärkten Spannungen zwischen den Opec-Schwergewichten Saudi-Arabien, Iran und Irak komme, sagte Analyst Virendra Chauhan von der Beratungsfirma Energy Aspects. Katar ist der weltgrößte Exporteur von Flüssigerdgas (LNG). Händler sagten, noch sei es zu früh, um die Auswirkungen des diplomatischen Streits auf die LNG-Lieferungen in der Region abschätzen zu können.
Es könnte auch schon bald zu Engpässen im Lebensmittelhandel kommen. Katar mit seinen 2,5 Millionen Einwohnern ist hier stark abhängig von Importen. Die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien würden bereits keinen weißen Zucker mehr liefern, sagten Insider zu Reuters.
Engagement bei VW und Deutscher Bank
Die Börse in Katar brach um 7,3 Prozent ein. Sorge bereitete den Anlegern der Aufruf Saudi-Arabiens an internationale Unternehmen, Katar zu meiden. Der Golfstaat hat sich in den vergangenen Jahren an einer Reihe von Konzernen in Europa beteiligt. In Deutschland sind Investoren aus dem Mini-Staat unter anderem Großaktionäre bei Volkswagen und der Deutschen Bank.
In Katar soll 2022 die Fußball-Weltmeisterschaft ausgetragen werden. Die Fifa teilte am Montag nur mit, man sei in "regulären Kontakten" mit dem Golfstaat. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) will die politische Lage mit der Bundesregierung beraten. "Es sind noch fünf Jahre bis zum Anpfiff der WM. In dieser Zeit müssen politische Lösungen vor Boykott-Androhungen den Vorrang haben", sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel. "Aber eines steht unabhängig davon fest: Grundsätzlich sollte sich die Fußballgemeinschaft weltweit darauf verständigen, dass große Turniere nicht in Ländern gespielt werden können, die aktiv den Terror unterstützen."
Die Ankündigung der arabischen Staaten kommt nur wenige Tage nach dem Besuch von US-Präsident Trump in Saudi-Arabien. Dort hatte er in einer Grundsatzrede vor zahlreichen Staats- und Regierungschefs die islamische Welt zum gemeinsamen Kampf gegen Terrorismus aufgerufen. In deutschen Regierungskreisen wurde danach die Befürchtung geäußert, dass Trumps Versuche, den Iran zu isolieren, zu verschärften Konflikten zwischen Schiiten und Sunniten führen könnten.
US-Außenminister Rex Tillerson betonte nun, der Streit zwischen den Golf-Alliierten werde den Anti-Terror-Kampf nicht beeinträchtigen. Er rief bei einem Besuch in Sydney die Verbündeten auf, ihre Differenzen beizulegen. In Katar befindet sich ein großer US-Militärstützpunkt.
Der Iran reagierte mit Kritik. Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen werde die Krise im Nahen Osten nicht lösen. "Was nun geschieht, ist ein vorläufiges Ergebnis des Schwertertanzes", erklärte ein ranghoher Mitarbeiter von Präsident Hassan Ruhani. Er spielte damit auf den traditionellen Schwertertanz an, an dem Trump im Rahmen seines Besuchs in Riad teilnahm. Auch deutsche Außenpolitiker sehen die Eskalation als Folge des Trump-Besuchs.
Das ist Katar
Das Emirat Katar im Osten der arabischen Halbinsel ist geografisch zwar nur etwa halb so groß wie Hessen, gewinnt international aber sowohl politisch als auch wirtschaftlich immer mehr an Bedeutung. Große Vorkommen an Erdöl und Erdgas machten Katar zu einem der reichsten Länder der Erde. Das Land ist 2022 Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft.
Quelle: dpa
Rund 2,2 Millionen Menschen leben in Katar, von denen der Großteil aus dem Ausland kommt und als Gastarbeiter beschäftigt ist.
Das Land hat zahlreiche Beteiligungen an europäischen Unternehmen, darunter etwa Anteile am VW-Konzern und an der Baufirma Hochtief. Der arabische Nachrichtensender al-Dschasira hat seinen Sitz in Katar. Katar ist Mitglied der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) und hat unter anderem zusammen mit Saudi-Arabien, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten den Golfkooperationsrat mitgegründet, der eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in der Region als Ziel hat. Südlich der Hauptstadt Doha befindet sich der größte Stützpunkt der US-Armee in der arabischen Welt.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisiert Katar für die Ausbeutung von Gastarbeitern und eingeschränkte Meinungsfreiheit.