Eskalation beim Nato-Gipfel Trump droht mit Alleingang in Verteidigungsfragen

Trump droht mit Alleingang in Verteidigungsfragen Quelle: AP

US-Präsident Donald Trump droht offen mit Konsequenzen, sollten Partner wie Deutschland nicht sofort mehr zahlen. Bei einer Pressekonferenz danach gibt er sich wieder versöhnlich. Und lobt sogar Deutschland.

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Beim Nato-Gipfel in Brüssel ist der Streit zwischen den USA und der Nato eskaliert: US-Präsident Donald Trump droht nach Angaben von Diplomaten offen mit einem amerikanischen Alleingang in Verteidigungsfragen. Wenn die Bündnispartner nicht sofort zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgäben, würden die Amerikaner ihr eigenes Ding machen, sagte Trump demnach am Donnerstag beim Gipfeltreffen in Brüssel. Ob Trump die Drohung ernst meint und was er für den Fall einer Nichterfüllung seiner Forderung plant, blieb zunächst offen. Theoretisch denkbar wäre zum Beispiel eine Reduzierung des Nato-Engagements der USA, im drastischsten Fall aber sogar auch ein Bruch mit der Nato. Bei einer Pressekonferenz im Anschluss hat US-Präsident Donald Trump wiederum zugesichert, weiter zur Nato zur stehen. Die Vereinigten Staaten blieben dem Bündnis sehr stark verpflichtet, sagte er vor Journalisten in Brüssel.

Nach Trumps Äußerungen kamen die 29 Bündnispartner zu einer Sondersitzung zusammen. Öffentlich wollte Trump seine Drohung nach dem Krisentreffen nicht mehr wiederholen. Er lobte stattdessen die bislang von den Bündnispartnern angekündigten Erhöhungen ihrer Verteidigungshaushalte und bezog dabei sogar Deutschland mit ein. Bei der Krisensitzung habe ein großartiger kollegialer Geist geherrscht, sagte er. Was in der Runde genau diskutiert wurde, blieb zunächst unklar. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich nicht zu Details, sondern sagte nur, es habe eine „sehr ernste Diskussion“ gegeben. Trump sagte allgemein: „Ich habe große Achtung vor Deutschland.“

US-Präsident Donald Trump hatte am Tag zuvor bereits die Bundesregierung frontal wegen zu niedriger Militärausgaben und milliardenschwerer Gasimporte aus Russland angegriffen. „Deutschland ist total von Russland kontrolliert“, behauptete Trump. Kanzlerin Angela Merkel wies dies scharf zurück. Nach einem Einzelgespräch betonten beide später das gute Verhältnis beider Länder. Doch setzt der Dauerstreit über die Lastenteilung das transatlantische Militärbündnis inzwischen erheblich unter Druck.

US-Präsident Donald Trump geht es nicht wirklich darum, dass die Nato-Verbündeten mehr in Verteidigung investieren, vermutet Militärexperte Christian Mölling. Die Bundeswehr erzeuge bei den Verbündeten Mitleid.
von Ferdinand Knauß

Trump hatte gezielt Deutschland ins Visier genommen und seine Kritik auch gegen den Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 gerichtet. Die USA beschützten Deutschland, doch die Bundesrepublik zahle Milliarden für Erdgas an Russland und mache das Land damit stark, sagte der US-Präsident. Deutschland sei ein „Gefangener“ Russlands. Die Nato unternimmt derzeit erhebliche Anstrengungen zur militärischen Abschreckung Russlands. Trump will sich am kommenden Montag in Helsinki mit Wladimir Putin treffen.

Merkel reagierte bei ihrer Ankunft beim Gipfel auf Trumps Anwürfe: Sie betont, Deutschland wisse, dass es mehr für Verteidigung leisten müsse. Dies setze die Bundesregierung aber auch um. "Die Trendwende ist längst eingeleitet", sagt Merkel auf dem Nato-Gipfel. Alle europäischen Nato-Mitglieder seien sich einig über die veränderte Sicherheitslage. Mit Blick auf die frühere DDR, die sie selbst erlebt habe, betont sie dass ein Teil Deutschlands von der Sowjetunion kontrolliert worden sei. „Und ich bin sehr froh, dass wir heute in Freiheit vereint sind als die Bundesrepublik Deutschland und dass wir deshalb auch sagen können, dass wir unsere eigenständige Politik machen können und eigenständige Entscheidungen fällen können“, sagte die CDU-Chefin.

Faktencheck zu Trumps Aussagen

Sie unterstrich auch die großen Anstrengungen Deutschlands für die Nato und die USA. „Wir stellen den größten Teil unserer militärischen Fähigkeiten in den Dienst der Nato“, sagte Merkel. „Und wir sind bis heute sehr stark in Afghanistan engagiert. Und damit verteidigen wir auch die Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika.“ Einige der 29 Staats- und Regierungschefs sprangen Merkel bei. So würdigte die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite die deutsche Rolle bei der Verteidigung des Baltikums.
Hintergrund des scharf geführten Konflikts ist Trumps Forderung, dass alle Nato-Partner spätestens 2024 jährlich mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben. Er beruft sich auf eine Festlegung beim Nato-Gipfel in Wales 2014. Deutschland interpretiert dieses Ziel allerdings nur als Richtwert und betont, man bewege sich wie versprochen darauf zu. De facto hat Deutschland die Militärausgaben erhöht, kommt aber derzeit nur auf 1,24 Prozent und bis 2024 höchstens auf 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Dies hält der US-Präsident für völlig unzureichend. Trump beklagt eine unfaire Lastenteilung und attackiert seit Monaten vor allem Deutschland. Nach den jüngsten Prognosen der Nato werden 2018 neben den USA lediglich Griechenland, Großbritannien, Polen, Rumänien sowie die drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland das Zwei-Prozent-Ziel erreichen.

In der Sitzung der Staats- und Regierungschefs schlug Trump nach Angaben von Teilnehmern sogar eine Erhöhung auf vier Prozent der Wirtschaftsleistung vor. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wurde später danach gefragt, wich aber aus und sagte, man fange nun erstmal mit den beschlossenen zwei Prozent an.

Trotz des ungelösten Dauerstreits verbreiteten Trump und Merkel nach einem Treffen am Rande des Gipfels zunächst Harmonie. Trump nannte die Beziehungen zu Deutschland „hervorragend“ und sein Verhältnis zur Kanzlerin sehr, sehr gut. Er beglückwünsche sie zu ihren großen Erfolgen. Auch Merkel betonte, der Austausch sei „wichtig, weil wir Partner sind und weiter zusammenarbeiten wollen“, sagte sie.
Stoltenberg versuchte, den Konflikt zwischen den Bündnispartnern zu entschärfen. Tatsächlich billigten die Teilnehmer am späten Nachmittag wie geplant ihre vorab ausgehandelte Gipfelerklärung. „Wir hatten Diskussionen, wir haben auch Differenzen, aber vor allem Entscheidungen, die die Allianz voranbringen“, sagte Stoltenberg.

In der Erklärung beschwören die Bündnispartner den Schulterschluss in einer „gefährlichen, unvorhersehbaren und volatilen Sicherheitsumgebung“ und kritisieren insbesondere Russlands „aggressives Handeln“. Mazedonien wird zu Nato-Beitrittsgesprächen eingeladen. Die Partner bekräftigen auch das in Wales formulierte Zwei-Prozent-Ziel. Der Streit über die Auslegung wird aber nicht beigelegt - sondern die alte Formulierung unverändert bekräftigt.

Mit seiner Kritik an Nord Stream 2 macht Trump nach dem Streit über den Klimaschutz, das Iran-Atomabkommen, über Strafzölle und Autoimporte aus Deutschland eine weitere transatlantische Konfliktlinie auf. Die rund 1200 Kilometer lange Pipeline soll russisches Erdgas über die Ostsee nach Mittel- und Westeuropa transportieren. Die USA sehen Europa indes als wichtigen Markt für ihr eigenes Fracking-Gas.
Dem US-Präsident selbst wird in den USA ein zu russlandfreundlicher Kurs vorgehalten. Trump sei loyaler zum russischen Präsidenten Putin als zu Nato-Verbündeten, kritisierten die demokratischen Oppositionsführer Nancy Pelosi und Chuck Schumer und nannten Trumps Gipfelauftritt peinlich. Trump hatte von scharfer Kritik an Putin in den vergangenen Monaten abgesehen. Nächsten Montag will er sich in Helsinki mit Putin treffen. Es gibt Befürchtungen, dass er dem Kreml-Chef dabei große Zugeständnisse machen könnte.

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