Eskalation der Krise So abhängig ist Nordkorea von China

China steckt beim Kräftemessen zwischen Nordkorea und den USA in einer Zwickmühle. Das Land scheint sich gegen den früheren Verbündeten zu stellen - und kann so Nordkorea zum wirtschaftlichen Kollaps zwingen.

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Ein Mann schaut eine TV-Sendung zu Kim Jong Un auf einem Bildschirm an. Quelle: AP

90 Prozent des nordkoreanischen Handels läuft über China. Es ist ein gewaltiges Druckmittel, das der chinesische Premier Li Keqiang in der Hand hält. Bleibt die Frage, wie der Chinese es nutzen wird.

Am Wochenende hat der UN-Sicherheitsrat die wegen des Raketen- und Atomprogramms seit 2006 bestehenden Sanktionen gegen Nordkorea erneut verschärft. So wurde unter anderem die Ausfuhr von Kohle, Eisen, Blei und Fisch verboten. Die Exporteinnahmen werden durch diese Maßnahmen um ein Drittel gekappt.

„Es ist ein großer Erfolg, dass neben China auch Russland für die verschärften Sanktionen gegen Nordkorea gestimmt hat“, sagt Hartmut Koschyk, Vorsitzender der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe. Diese werden das Land empfindlich treffen. „Künftig werden dem Land Exporterlöse im Wert von einer Milliarde Euro fehlen.“

Auslandseinnahmen des nordkoreanischen Regimes

Derzeit hat Nordkorea einen Anteil von sechs Milliarden US-Dollar am Gesamthandel mit der Welt. Fast alles geht nach China, nur ein Bruchteil geht unter anderem nach Indien und Russland. China hätte also den Einfluss, das Regime untergehen zu lassen. Auf der anderen Seite hat das Land die immer neuen Sanktionen in den vergangenen Jahren nur lasch umgesetzt.

Noch im April hatte China Zahlen veröffentlicht, wonach der Kohleimport aus Nordkorea sich im ersten Quartal 2017 auf 2,67 Millionen Tonnen – und damit um die Hälfte zum Vorjahreszeitraum verringert habe. Zugleich soll der Gesamthandel mit Nordkorea um 37,4 Prozent zugenommen haben. Das lässt sich wohl nur damit erklären, dass umsatzstarke Handelsgüter wie etwa Textilien nicht unter UN-Sanktionen fallen.

Hoffnung, dass China seinen einstigen Verbündeten mit wirtschaftlichen Nadelstichen zur Räson bringen kann, bleibt trotzdem. Denn der Beschluss der UN vom Wochenende war erstmalig einstimmig – und damit scheint China mehr und mehr auf Distanz zu Nordkorea zu gehen. Sie werden die UN-Sanktionen zum ersten Mal „ohne jede Einschränkung“ unterstützen, hieß es.

Das chinesische Regime möchte – so die offiziellen Verlautbarungen – Frieden und Stabilität in der Region schützen und die Verbreitung von Atomwaffen eindämmen. In einem Interview hat der chinesische Außenminister Nordkorea aufgefordert, seine Atom- und Raketentests zu stoppen. Ein noch vor wenigen Jahren undenkbarer Vorgang.

Sechs-Augen-Gespräche aufnehmen

"China hat seine Haltung gegenüber Nordkorea in den vergangenen Jahren massiv verändert. Von einem zuverlässigen Protektor hat es sich zu einem kritischen Nachbarn entwickelt“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Ralph Wrobel von der Westsächsischen Hochschule Zwickau. „Mittlerweile ist die Stabilität in der gesamten Region viel wichtiger als die Kooperation mit dem nordkoreanischen Regime."

So hat etwa im April die staatliche Fluggesellschaft Air China mehrere ihrer Flüge von Peking nach Pjönjang gestrichen. Sie ist neben der nordkoreanischen Air Koryo längst die einzige Fluggesellschaft, die diese Strecke überhaupt noch fliegt. Offiziell heißt es: Die Flüge wurden aufgrund einer geringen Nachfrage gestrichen.

Außerdem wurden Schiffe mit Kohlelieferungen zurückgewiesen – eines der wichtigsten Exportgüter für Nordkorea.

Nordkorea hat die jüngsten Sanktionen der Vereinten Nationen gegen das isolierte Land als Verletzung seiner Souveränität kritisiert und Gegenmaßnahmen angekündigt.

„China versorgt Nordkorea durch den Import von Kohle, Eisen, Blei und Fischen für Devisen und damit auch den Erhalt des Regimes. Hält sich China jetzt – wie versprochen – an die Sanktionen, dann dürften sich die Probleme in Nordkorea kurzfristig zuspitzen.“ Erst am Dienstag hat China ein Militärmanöver vor der Küste der koreanischen Halbinselabgehalten, um Waffen und Flugabwehrsysteme zu erproben und Angriffe auf Küsten zu üben. Dazu wurden auch Raketen abgeschossen. Ob es einen direkten Zusammenhang zu den verschärften Sanktionen gibt, bleibt unklar. Ausgeschlossen ist er aber zumindest nicht.

„China plant langfristig und ist sehr an einer diplomatischen Lösung interessiert, die aber auch die eigenen Interessen berücksichtigt. Auch die USA werden ihren Beitrag leisten müssen“, gibt Hartmut Koschyk zu Bedenken.

Guam

So sieht die UN-Resolution auch vor, dass die 2009 gestoppten Sechs-Parteien-Gespräche zwischen Nordkorea sowie Südkorea, China, Russland, Japan und den Vereinigten Staaten zur Lösung des Konflikts wiederaufgenommen werden sollten. Denn ein Angriff auf Nordkorea oder durch das Regime hätte unkalkulierbare Folgen für das machtpolitische Gleichgewicht in Ostasien. US-Präsident Donald Trump versucht es derweil mit grober Rhetorik. Wenn Nordkorea seine Drohungen fortsetze, werde diesen „ mit Feuer, Wut und Macht, wie die Welt es so noch nicht gesehen hat, begegnet“, sagte Trump am Dienstag.

Es bleibt zu hoffen, dass der chinesische Premier seine Macht gegenüber Nordkorea bedacht und vorsichtig einsetzt, um einerseits seinem eigenen Land – auch langfristig – nicht zu schaden. Andererseits aber auch um seine Position im weltpolitischen Gefüge zu festigen. Denn ein Kollaps des Landes hätte für China nicht nur Millionen von Flüchtlingen, sondern vielleicht auch US-Truppen an seiner Grenze zu Nordkorea zur Folge.

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