Eskalation Weiterer Toter nach neuen Zusammenstößen in Hongkong – Angriff auf Justizministerin in London

Bei den Protesten wurde ein alter Mann von einem Pflasterstein getroffen und starb. Zudem soll die Hongkonger Justizministerin in London attackiert worden sein.

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Die Demonstranten fordern den Rücktritt von Regierungschefin Carrie Lam. Quelle: dpa

Am Rande der anhaltenden Anti-Regierungsproteste in Hongkong hat es ein weiteres Todesopfer gegeben. Wie die Behörden am Donnerstagabend mitteilten, erlag ein 70-jähriger Mann seiner schweren Verletzung.

Lokale Medien hatten zuvor berichtet, dass der Mann am Mittwoch in einer Auseinandersetzung zwischen Anti-Regierungsdemonstranten und Anwohnern von einem Pflasterstein am Kopf getroffen worden war. Der Mann hatte demnach mit anderen versucht, von Demonstranten zur Blockade ausgelegte Steine von der Straße zu räumen. In anderen Berichten hieß es, er habe auch Videos und Fotos gemacht.

Es werde vermutet, dass der Mann während seiner Mittagspause durch einen „harten Gegenstand“ starb, der von „Randalierern“ geschleudert wurde, hieß es in einer Mitteilung der Hongkonger Behörde für Lebensmittel- und Umwelthygiene, für die das Opfer als Reinigungskraft gearbeitet hatte. Die Polizei stufte die Tat als Mord ein.

Auf einem Video von dem Vorfall ist zu erkennen, wie sich schwarz gekleidete Demonstranten und eine andere Gruppe mit Steinen und anderen Objekten bewerfen. Der Mann wird von einem Objekt getroffen und fällt zu Boden.

Die Sonderverwaltungsregion Hongkong sei empört über „die böswillige Tat“, hieß es in der Mitteilung der Regierung weiter. Die Polizei werde alle Anstrengungen unternehmen, um den Fall zu untersuchen und die Straftäter vor Gericht zu bringen.

Angriff auf Hongkonger Justizministerin

Zudem wurde nach Angaben der Führung in der chinesischen Sonderverwaltungszone Justizministerin Teresa Cheng in London von Demonstranten angegriffen und verletzt. Das wäre die erste direkte Auseinandersetzung zwischen einem Hongkonger Regierungsmitglied und den Demonstranten – noch dazu im Ausland.

Cheng war in der britischen Hauptstadt, um für Hongkong unter anderem als Geschäftsmetropole zu werben. China legte offiziell Beschwerde in Großbritannien ein und forderte, dass die mutmaßlichen Täter zur Rechenschaft gezogen werden.

Der Hongkonger Regierung zufolge hat Cheng „schwere körperliche Schäden“ erlitten. Die chinesische Botschaft in London teilte mit, Cheng sei zu Boden gedrückt und an der Hand verletzt worden.

Die Gewalt in Hongkong war in den vergangenen Tagen eskaliert. Vergangene Woche bestätigten die Behörden den Tod eines Studenten, der am Rande von Ausschreitungen von einem Parkhaus gestützt war.

Am Montag hatte ein Polizist einem jungen Demonstranten in den Bauch geschossen. Sein Zustand hatte sich im Laufe der Woche gebessert. Ebenfalls am Montag zündete ein radikaler Demonstrant einen Sympathisanten der Regierung an. Sein Zustand ist kritisch. Gleiches gilt für einen 15-Jährigen, der laut Berichten von einem Tränengas-Kanister am Kopf getroffen worden war.

Angst vor tiefer Rezession

Auf Grund der eskalierten Proteste geht die Regierung in Hongkong künftig von einer tiefen Rezession aus. 2019 wird beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) jetzt ein Rückgang von 1,3 Prozent erwartet, wie die Regierung am Freitag in Hongkong mitteilte. Bislang hatte die Regierung ein Minus von 0,1 Prozent erwartet. Die Prognose gilt für das Wachstum im Gesamtjahr im Vergleich zum Vorjahr. Es wäre die erste Rezession auf Jahressicht in Hongkong seit der globalen Finanzkrise vor gut zehn Jahren.

Auf kürzere Sicht befindet sich die Sonderverwaltungszone bereits in der Rezession. Im zweiten Quartal war die Wirtschaftsleistung (BIP) zum Vorquartal um 0,5 Prozent geschrumpft, im dritten Quartal ging sie um 3,2 Prozent zurück. Diese Zahlen bestätigte die Regierung am Freitag.

Analysten sprechen von einer „technischen“ Rezession, wenn die Wirtschaftsleistung eines Landes zwei Quartale in Folge sinkt. Ein solcher rechnerischer Abschwung unterscheidet sich von einer Rezession über ein ganzes Jahr hinweg betrachtet, die im Ausmaß zumeist schwerwiegender ist.

Den fünften Tag in Folge entflammten auch am Freitag an vielen Orten in der Stadt Proteste. Demonstranten blockierten dabei mehrere Straßen.

Die seit mehr als fünf Monaten anhaltenden Proteste in der chinesischen Sonderverwaltungsregion richten sich gegen die Regierung: Die Demonstranten kritisieren unter anderem den wachsenden Einfluss Chinas auf die ehemalige Kronkolonie. Seit der Rückgabe an China 1997 wird Hongkong nach dem dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ autonom regiert.

Die Demonstranten fordern freie Wahlen, eine unabhängige Untersuchung von Polizeibrutalität sowie Straffreiheit für die bereits weit mehr als 4000 Festgenommenen. Auch der Rücktritt von Regierungschefin Carrie Lam gehört zu ihren Forderungen.

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