Diese inoffizielle Währungsunion geriet in Gefahr, als nach 1860 an der Londoner Börse der Wert von Gold gegenüber Silber auf 1:15 sank. Das führte dazu, dass Händler Silbermünzen des Franc-Blocks einsammelten, sie in London gegen Gold eintauschten und dieses bei französischen Banken zum festgeschriebenen Kurs von 1:15,5 verkauften. Die Länder des Franc-Blocks reagierten mit der Senkung des Silbergehalts ihrer Münzen. Da sie das unkoordiniert taten, waren die Münzen nicht mehr austauschbar. Das war der Anlass zur Schaffung einer tatsächlichen, völkerrechtlich wirksamen Währungsunion. Im Dezember 1865 beschlossen Frankreich, Italien, Belgien und die Schweiz die "Convention Monétaire", in Deutschland üblicherweise "Lateinische Münzunion" genannt. Der französische, belgische und der Schweizer Franken behielten ebenso wie die italienische Lira ihren Namen, aber die Staaten verpflichteten sich auf einen gemeinsamen Silber- oder Goldgehalt ihrer Münzen. Eine Bank in Belgien musste eine italienische Lira zum Wert eines Franc annehmen. Kleingeld, die so genannten Scheidemünzen, und vor allem das an Bedeutung gewinnende Papiergeld bezogen ihren Wert damals nur aus der Edelmetall-Zahlungsgarantie der emittierenden Banken – und sie galten nur im ausstellenden Land.
Von der Vision zur Dauerbaustelle
Die Union war dabei nur als erster Schritt zu einem höheren Ziel gedacht. Alle "zivilisierten Nationen" waren ausdrücklich eingeladen, der Union beizutreten. Hinter der Münzunion steckte wie hinter jeder Währungsunion eine politische Vision, die über den rein ökonomischen Nutzen eines größeren Währungsraumes hinausgeht. Im Falle der deutschen und der italienischen Währungsunionen war das die nationale Idee. Im Falle der lateinischen Münzunion war es - neben den machtpolitischen Zielen des französischen Kaisers Napoleon III. - die Idee des Weltgeldes, die wiederum ein Teil der allgemeinen Internationalisierungsbewegung war: Das Internationale Büro für Maß und Gewicht (1875), die Internationale Fernmeldeunion (1865), der Weltpostverein (1874) und viele andere internationale Organisationen sind in dieser ersten Epoche der Globalisierung entstanden.
Auch Preußen und Österreich verhandelten zeitweilig über den Beitritt. Mehrere Staaten - Spanien, Bulgarien und Rumänien zum Beispiel - traten zwar nicht bei, koppelten ihre Münzwährungen aber über den Silber- und Goldgehalt inoffiziell an den Franc.
Die Lateinische Münzunion funktionierte formal einigermaßen. Der grenzüberschreitende Handel im sich damals schnell industrialisierenden Europa jedenfalls profitierte – wie heute – von geringen Transaktionskosten. Aber die große Euphorie für die eine internationale Währung war bald eingeschlafen. Volkswirtschaftliche Ungleichgewichte zwischen den Mitgliedern und vor allem die mangelnde Haushaltsdisziplin der Staaten machten die Union zu einer Dauerbaustelle, die in mancher Hinsicht an die Gegenwart erinnert.