EU-Appell an beide Länder Russland beliefert Ukraine weiter mit billigem Gas

Der russische Präsident Wladimir Putin hat der Ukraine im Gasstreit einen mehrmonatigen Aufschub in Aussicht gestellt. Angesichts des Streits haben Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien die Regierungen in Moskau und Kiew aufgerufen, die Gaslieferungen "in vollem Umfang" aufrechtzuerhalten.

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HB MOSKAU. Die für Energie zuständigen Minister Michael Glos (Deutschland), Martin Bartenstein (Österreich), Fançois Loos (Frankreich) und Claudio Scajola (Italien) schrieben ihren Kollegen in Moskau und Kiew, eine Reduzierung der Gaslieferungen "könnte zu nicht unerheblichen Problemen für die Gasversorgung in Westeuropa führen". Die Initiative zu dem Schreiben ging von Bartenstein aus, wie die österreichische Nachrichtenagentur APA am Samstag berichtete.

Der vom Kreml kontrollierte Gaskonzern Gasprom hat der Ukraine mit einem Lieferstopp ab dem Neujahrsmorgen gedroht, sollte bis zum Jahreswechsel kein neuer Vertrag mit deutlich erhöhten Bezugspreisen zustande kommen. Gasprom will nach eigenen Angaben die Durchleitungsmenge durch die Transitpipeline "Sojus" um den ukrainischen Anteil senken. Russland will eine Preiserhöhung um knapp das Fünffache auf den Weltmarktpreis von 230 Dollar (195 Euro) je 1000 Kubikmeter Gas durchsetzen. Die Ukraine zahlt bislang 50 Dollar und nannte zuletzt 80 Dollar als Obergrenze.

Die Ukraine hat kurz vor Jahreswechsel den Vorschlag Putins angenommen, noch drei weitere Monate billiges Erdgas zu beziehen und bis zum zweiten Quartal 2006 marktgerechte Preise auszuhandeln. "Was die Erklärung Putins angeht: Wir akzeptieren den Vorschlag zum Übergang zu Marktpreisen", sagte der Sprecher des ukrainischen Ministerpräsidenten, Juri Jechunarow, Walentyn Mondrijewski, am Samstag. "Aber beide Seiten werden sich über die Zahlen noch verständigen müssen."

Wenige Stunden vor Ablauf des Ultimatums hatte Putin ein neues Angebot unterbreitet. Er habe Gazprom angewiesen, der Ukraine im ersten Quartal 2006 noch Erdgas zu den Preisen von 2005 zu liefern, sagte Putin. Dafür müsse die Ukraine aber einen Vertrag unterzeichnen, in dem es der Verfünffachung der Preise ab April zustimme. Der Streit alarmierte zuletzt auch die Europäische Union (EU), da mitteleuropäischen Ländern ebenfalls Versorgungsengpässe drohen könnten.

"Unterm Strich ist die Ukraine ein Brudervolk, und wir müssen an das Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine denken", sagte Putin bei einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates, zu der auch Gazprom-Chef Alexej Miller eingeladen war. Die Erhöhung der Gaspreise für die Ukraine bezeichnete er als einen "Übergang zu Marktpreisen". Der jüngste Vorschlag Putins wurde auch im Fernsehsender "NTW" ausgestrahlt.

Eine Einigung vor Jahresende war zuletzt immer unwahrscheinlicher geworden. Ein Angebot Russlands, der Ukraine zur Bezahlung der höheren Preise Kredite zu gewähren, wies die Regierung in Kiew zurück. Einen Vorstoß des ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko, mehr Zeit für eine Verhandlungslösung zu erreichen, lehnte Gazprom wiederum ab.

Der ukrainische Ministerpräsident Juri Jechanurow warnte seine Landsleute am Freitag indes davor, in Panik zu verfallen. Die Ukraine werde im kommenden Jahr ausreichend Gas aus Turkmenistan beziehen, sagte er. Die EU will am 4. Januar über die Auswirkungen des Konflikts beraten. Sie bezieht 25 Prozent ihres Gasbedarfs von Gazprom - das meiste davon fließt durch Pipelines durch die Ukraine.

Gazprom hat die Preiserhöhung für die Ukraine mit der Angleichung an internationale Standards begründet. Allerdings wurde Weißrussland ein Gaspreis von 47 Dollar je 1000 Kubikmeter angeboten. Die Ukraine wirft Russland vor, die Regierung in Kiew für ihre politische Annäherung an den Westen bestrafen zu wollen. Die Ukraine strebt nach der "Orangenen Revolution" einen Beitritt zur EU und zur Nato an. Sie will nur einen schrittweisen Anstieg der Gaspreise akzeptieren und droht, bei einem Scheitern der Verhandlungen das internationale Schiedsgericht in Stockholm anzurufen.

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