EU-Gipfel Brüssel will Türkei keine „Freifahrt“ gewähren

Die EU-Kommission wirbt vor dem Spitzentreffen am Donnerstag für den umstrittenen Flüchtlingsdeal mit der Türkei. Brüssel will Ankara jedoch nicht bei allen Forderungen uneingeschränkt entgegenkommen.

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Der Vizepräsident der EU-Kommission sieht keine Alternative zum geplanten EU-Türkei-Abkommen. Quelle: dpa

Brüssel Trotz rechtlicher Hürden hält die EU-Kommission an der angestrebten Vereinbarung mit der Türkei zur Bewältigung der Flüchtlingskrise fest. „Unser Ansatz ist kompliziert, aber ich sehe keinen anderen, um die Lage für die Menschen zu verbessern“, sagte der erste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans am Mittwoch in Brüssel. Es müsse sowohl politisch wie auch moralisch ausgeschlossen werden, die Türkei oder Griechenland in ein riesiges Flüchtlingslager zu verwandeln.

„Wir gewähren der Türkei sicher keine Freifahrt“, sagte er mit Blick auf Kritik, die EU komme der Regierung in Ankara bei den Themen Visafreiheit, Finanzhilfen, Beitrittsverhandlungen sowie Menschenrechten zu stark entgegen. Am Freitag wollen die Staats- und Regierungschefs der EU mit der Türkei ein weitreichendes Abkommen vereinbaren, um den Zustrom von Migranten über die Ägäis nach Europa zu stoppen.

Timmermans nannte eine Reihe von Bedingungen, die in dem anvisierten Abkommen aus Sicht der EU-Kommission erfüllt sein müssten. So müsse die Türkei die Voraussetzungen erfüllen, bevor fünf neue Kapitel in den EU-Beitrittsverhandlungen eröffnet werden könnten. Beim EU-Gipfel selbst könne nicht entschieden werden, diese Kapitel zu öffnen.

Die Beitrittsverhandlungen stocken auch deshalb seit Jahren, weil die Türkei das EU-Mitglied Zypern völkerrechtlich nicht anerkennt. Zypern wiederum hatte am Dienstag gedroht, das gesamte Abkommen zwischen EU und Türkei zu blockieren, wenn die Probleme mit der Regierung in Ankara nicht ausgeräumt würden. Einem ranghohen EU-Vertreter zufolge sollten die Verhandlungen aber als Chance begriffen werden, die Annäherung zwischen Zypern und dem von der Türkei besetzten Nordteil der Insel voranzubringen.


Keine massenhafte Abschiebung aus Griechenland geplant

Timmermans sagte, eine massenhafte Abschiebung von Menschen aus Griechenland in die Türkei solle es nicht geben. Jeder Einzelfall müsse von den griechischen Behörden, vornehmlich auf den Ägäis-Inseln, geprüft werden. Abgeschobene Asylbewerber sollten in der Türkei die gleichen international vereinbarten Rechte erhalten. Die EU will für jeden Syrer, der sich irregulär auf den Weg nach Europa gemacht hat und deshalb wieder in die Türkei abgeschoben werden soll, einen Syrer aus einem der türkischen Flüchtlingslager aufnehmen. Dieses Tauschsystem soll zeitlich begrenzt sein.

Aus einem bereits existierenden Programm könnten Timmermans Angaben zufolge zunächst 18.000 freie Plätze für syrische Flüchtlinge genutzt werden. Bei Bedarf könnten weitere 54.000 Plätze hinzukommen, die aus dem Umverteilungssystems innerhalb der EU stammen. Ziel dieser Eins-zu-Eins-Idee sei es, Flüchtlingen zu zeigen, dass es legale Wege in die EU gebe, und zugleich das Geschäft der Schleuser zu zerstören, sagte Timmermans. Nach einem Reuters vorliegenden Entwurf des EU-Rates soll die einzelnen EU-Staaten aber nicht dazu verpflichtet werden können, Syrer aufzunehmen.

Für die von der Türkei geforderte Visa-Befreiung für ihre Landsleute ab Juni sind nach Angaben der EU-Kommission 35 von 72 Voraussetzungen erfüllt. Damit die Befreiung ab Juni greifen könne, müsse die Türkei bis Ende April alle Bedingungen erfüllen, sagte Timmermans. Demnach kann auch die Visa-Befreiung nicht auf dem Gipfel beschlossen werden.

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