EU-Gipfel in Malta Europa macht sich allein auf den Weg

Kanzlerin Merkel verzichtet auf dem EU-Gipfel in Malta auf harsche Kritik des neuen US-Präsidenten. Ihr Motto zwischen den Zeilen: zur Not ohne Trump. Doch auch ohne Trump steht die EU vor riesigen Herausforderungen.

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Die Kanzlerin tut das, was sie in schwieriger Lage immer versucht hat: Schritt für Schritt voranzukommen. Quelle: AFP

Valletta Scharfe Worte in Richtung des neuen US-Präsidenten lässt sich Angela Merkel, anders als ihr Herausforderer bei der anstehenden Bundestagswahl, nicht entlocken. Während SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz lospoltert und Donald Trump als „hochgradig demokratiegefährdend“ bezeichnet, bleibt die Kanzlerin beim EU-Gipfel in Malta betont nüchtern: „Jetzt wird man Schritt für Schritt sehen, wo gibt es gemeinsame Interessen und wo gibt es diese vielleicht weniger als mit anderen Administrationen“.

Ein typischer Merkel-Satz: sperrig, unpersönlich, emotionslos. Und doch von großer Tragweite. Sagt er doch nichts anderes als: Wenn Trumps Amerika auf Europa und die gemeinsamen Werte pfeift, dann geht Europa den Weg eben ohne seinen wichtigsten Verbündeten.

Die Frage ist nur: wohin? Die auf dem Weg liegenden Hindernisse waren auch ohne Trump schon groß genug: Terrorismus, Flüchtlingskrise, Wachstumsschwäche, eine explosive Nachbarschaft, der Vertrauensverlust der eigenen Bürger in ihre politische Führung. Und so weiter.

Ob Europa all das bewältigen kann, hängt vor allem von zwei Dingen ab. Kurzfristig davon, ob die in den kommenden Monaten anstehenden Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland handlungsfähige Regierungen hervorbringen. Und mittelfristig davon, ob die EU-Staaten sich noch auf gemeinsame Ziele ihrer Zusammenarbeit einigen können.

Beides ist keineswegs gewiss. In den Niederlanden könnte ein starkes Abschneiden des Islamgegners Geert Wilders die Koalitionsbildung enorm erschweren. In Frankreich könnte das Straucheln des konservativen Kandidaten Francois Fillon der EU-Gegnerin Marine Le Pen zur Präsidentschaft verhelfen. Und auch in Deutschland ist schwer vorherzusagen, welche Regierungskonstellationen ein Wahlerfolg der AfD noch ermöglichen würde.

Die Schocks durch Trump und den EU-Austritt Großbritanniens scheinen die in den vergangenen Jahren häufig zerstrittenen EU-Staaten vorerst zusammenzuschweißen. Wie weit diese Einigkeit trägt, darüber werden schon die kommenden Wochen Aufschluss geben. Bis zu den 60-Jahr-Feierlichkeiten der Römischen Verträge am 25. März wollen die Regierungschefs eine gemeinsame Vision für die Europäische Union entwerfen.

Die Vorstellungen aber gehen weit auseinander. Vor allem osteuropäische Staaten wollen im Grunde nur einen Binnenmarkt, die Gründungsmitglieder der Gemeinschaft dagegen eine noch weitergehende politische Integration. Einen Ausweg könnte eine EU der zwei Geschwindigkeiten bieten. Ob diese aber lebensfähig wäre, müsste sich erst erweisen.

Merkel jedenfalls tut das, was sie in schwieriger Lage immer versucht hat: Schritt für Schritt voranzukommen. Große Sprünge dürften in der derzeitigen Lage auch kaum möglich sein, große Worte nur falsche Erwartungen wecken. Ein Kanzlerkandidat ohne Regierungsamt kann sich starke Sprüche erlauben. Eine Regierungschefin eher nicht.

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