EU-Haushalt Wie wird die Brexit-Lücke geflickt?

Wenn Großbritannien ab März 2019 aus der EU ausscheidet, hinterlässt das im EU-Haushalt eine Lücke von zehn Milliarden Euro pro Jahr. Die Kommission hat fünf Ideen, wie diese Lücke gestopft werden kann.

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Brüssel Die Europäische Kommission warnt wegen des Brexit vor Lücken im nächsten EU-Haushalt und erwägt die Verknüpfung von Finanzmitteln an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien. Der Ausfall des Beitragszahlers Großbritannien ab März 2019 müsse voraussichtlich durch Kürzungen und einige neue Mittel ausgeglichen werden, sagte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger am Mittwoch in Brüssel. Einen Kahlschlag, etwa im Agrarsektor, lehne er aber ab.

Der aktuelle Haushalt der EU von insgesamt 1,1 Billionen Euro läuft über sieben Jahre von 2014 bis 2020 und ist damit nach Ansicht der EU-Kommission verhältnismäßig klein. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt in Deutschland umfasst allein in diesem Jahr Ausgaben von rund 330 Milliarden Euro. Die EU-Behörde machte die Rechnung auf, dass im Schnitt von 100 Euro Einkommen der Bürger nur ein Euro Richtung Brüssel fließt, während der jeweilige Nationalstaat davon 50 Euro einbehält.

Der EU-Etat speist sich zu 70 Prozent aus den Mitgliedsländern. Großbritannien zahlt bisher unter dem Strich rund zehn Milliarden Euro pro Jahr ein, was 16 Prozent am Gesamthaushalt entspricht. Oettinger stellte fünf Optionen vor, wie mit der Lücke umgegangen werden kann, sobald das Königreich nicht mehr in der EU ist. Dazu gehört, dass bei Kohäsionsfonds zur Unterstützung strukturschwacher Regionen sowie der Agrarpolitik gekürzt wird, um neue Prioritäten zu finanzieren. Diese neuen Schwerpunkte seien die Bewältigung der Flüchtlingskrise, Sicherheitsfragen, die Bedrohung durch Cyber-Angriffe, die Terrorismusbekämpfung und die gemeinsame Verteidigung.

Als zweite Option steht ein deutlich gestutzter EU-Haushalt im Raum, der sich nur auf das Funktionieren des Binnenmarktes konzentriert. Im dritten Szenario sind der verstärkte Einsatz von Finanzinstrumenten und Garantien, wie sie etwa beim EU-Investitionsfonds eingesetzt werden, angedacht. Auch neue Eigenmittel wären dabei eine Möglichkeit. „Wir streben keine EU-Steuer an“, stellte Oettinger klar. Die Beteiligung an bestehenden Steuern der EU-Staaten sei indes denkbar.

Das vierte Szenario bezeichnete die EU-Kommission als „radikalen Umbau“ mit einem Mix aus starker Reduzierung der Kohäsionsfonds und der Mittel im Agrarbereich, zugleich aber eine Konzentration auf gemeinsame Schwerpunkte und den Einsatz der Finanzinstrumente. Dazu sollen auch alle Rabatte für die Mitgliedsländer abgeschafft und Eigenmittel verstärkt herangezogen werden. Im fünften Szenario würde der EU-Haushalt zum größten Teil aus solchen Eigenmitteln bestehen.

Stimmen aus dem EU-Parlament deuteten bereits auf schwierige Verhandlungen hin, worauf der Fokus bei der Verteilung der Mittel gelegt werden sollte. So warb Vize-Parlamentspräsident Alexander Graf Lambsdorff (FDP) für eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, die Grünen-Fraktionschefin Ska Keller für die Verwendung zum Erreichen der Klimaziele von Paris und der CSU-Abgeordnete Markus Ferber für eine Reflexion über die Ausgaben an sich: „Die EU muss sich ein Beispiel an der schwäbischen Hausfrau nehmen.“ Über den EU-Haushalt entscheiden die EU-Staaten einstimmig nach Zustimmung des EU-Parlaments.

Zurückhaltend äußerte sich Oettinger zu der unter anderem von Deutschland angeregten Verknüpfung von Mitteln aus den Kohäsionsfonds mit der Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien in den Mitgliedsländern. In dieser Frage sei man völlig ergebnisoffen und wolle nur die Ideen wiedergeben, die an die Kommission herangetragen worden seien. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte Anfang Juni in Berlin bereits erklärt, dass er gegen eine Verknüpfung beider Aspekte sei.

In dem Papier seiner Behörde hieß es, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen der Rechtsstaatlichkeit einerseits und einer effizienten Durchführung der aus dem EU-Etat geförderten Investitionen andererseits gebe: „Die Achtung der EU-Grundwerte bei der Entwicklung und Umsetzung der EU-Politik ist ganz entscheidend.“ Gegen die nationalkonservative Regierung Polens, einer der größten Empfänger von EU-Fördermitteln, läuft seit eineinhalb Jahren ein Verfahren aus Brüssel wegen umstrittener Reformen am Verfassungsgericht. Auch Ungarn ist in mehreren Fällen ins Visier der EU geraten.

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