
In der Diskussion über die Macht der Ratingagenturen verlangt EU-Justizkommissarin Viviane Reding die Zerschlagung der drei US-Riesen Standard & Poors (S&P), Moody's und Fitch. „Europa darf sich nicht von drei US-Privatunternehmen kaputt machen lassen“, sagte Reding der Tageszeitung „Die Welt“. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier regte an, Ratingagenturen die Bewertung von Staaten unter einem Euro-Hilfsprogramm zu verbieten. Die EU müsse sich fragen, ob das angemessen sei, sagte er in Paris.
Reding sagte: „Entweder beschließen die G20-Staaten gemeinsam, das Kartell der drei US-Ratingagenturen zu zerschlagen. Die USA könnten beispielsweise aufgefordert werden, aus drei Ratingagenturen sechs zu machen. Oder aber es werden unabhängige europäische und asiatische Ratingagenturen geschaffen.“ Das brauche allerdings Zeit.
Barnier stellte sich mit dem Verbot der Bewertung von Staaten unter dem Rettungsschirm hinter einen Vorschlag der früheren französischen Finanzministerin und neuen Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde. Barnier rief die polnische EU-Ratspräsidentschaft auf, das Thema auf die kommenden Sitzungen der EU-Finanzminister zu setzen. Die Agenturen könnten nicht ignorieren, dass Staaten wie Portugal und Griechenland Mitglieder der EU seien, dass sie die Solidarität der Mitgliedsstaaten bekämen und dass sie international ausgehandelte Hilfspakete erhalten würden, sagte Barnier.
EU-Kommission will Vorschläge zur Regulierung der Ratingagenturen machen
Barnier kündigte für die kommenden Wochen Vorschläge der EU-Kommission zur Regulierung der Ratingagenturen an. Zudem werde er sich dafür einsetzen, dass das Thema von den G-20-Staaten in Angriff genommen wird, sagte der Kommissar. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte in Brüssel, Europa könne einen solchen Schritt nicht allein beschließen. Es würden alle Möglichkeiten geprüft, ob es Missbräuche gegeben habe. Die Mitteilung einer Ratingagentur zu Portugal sei auf völliges Unverständnis gestoßen, denn das Land sei auf dem Weg, das umzusetzen, was verabredet worden sei. Ansonsten müsse die EU die Möglichkeiten prüfen, wie das Oligopol der Agenturen aufzubrechen sei.
Der Obmann der Unionsfraktion im Finanzausschuss des Bundestages, Hans Michelbach (CSU), begrüßte die Vorstöße der EU. Er sagte in Berlin: „Es ist gut, dass die Kommission endlich aufwacht. Ankündigungen reichen aber nicht, es muss gehandelt werden - und zwar rasch. Europa darf sich nicht länger zum Spielball der amerikanischen Finanzwirtschaft machen lassen.“
Entbrannt war die Diskussion, nachdem Moody's die Kreditwürdigkeit Portugals Anfang Juli auf Ramschniveau herabgestuft und dadurch einen Kurssturz der Börse in Lissabon ausgelöst hatte. Angesichts eines möglichen Übergreifens der europäischen Schuldenkrise auf Italien steige in der EU die Bereitschaft zu harten Maßnahmen gegen Griechenland, berichtete die „Welt“ unter Berufung auf EU-Kreise. Mittlerweile werde auch ein Schuldenschnitt für Athen als „extreme Option“ nicht mehr ausgeschlossen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass es spätestens bis Dezember zu einer Umschuldung Griechenlands kommt, ist sehr hoch“, zitiert das Blatt einen EU-Diplomaten.
Die Europäische Zentralbank (EZB) fordert unterdessen eine grundlegende Reform der Krisenpolitik der Euro-Staaten. Der Euro-Rettungsschirm müsse deutlich aufgestockt, möglicherweise sogar auf 1,5 Billionen Euro verdoppelt werden, berichtete die „Welt“ weiter unter Berufung auf hochrangige Zentralbankkreise. Ansonsten drohe die aktuelle Krise an den EU-Anleihemärkten außer Kontrolle zu geraten. „Der bestehende Schirm in Europa reicht nicht aus, um eine glaubwürdige Schutzmauer um Italien zu bauen. Dafür war er nie angelegt“, zitiert die Zeitung die ungenannte Quelle weiter.
Am Donnerstag und Freitag vergangener Woche waren die Anleihekurse Italiens eingebrochen, so dass die Aufnahme neuer Verbindlichkeiten weitaus teurer werden könnte. Eine Verdoppelung des Rettungsschirms hatte im Juni bereits der Chef der niederländischen Notenbank, Nout Wellink, gefordert. CDU-Finanzexperte Klaus-Peter Flosbach erklärte derweil, er erwarte nicht, dass Italien unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen müsse. „Italien hat sicherlich eine hohe Verschuldung. Aber konkret sind bisher Griechenland, Irland und Portugal die gefährdeten Länder. Ich gehe davon aus, dass Italien keine Hilfe braucht“, sagte Flosbach im Südwestrundfunk.