EU-Parlamentspräsident Wie Martin Schulz vom Dieselgate profitieren könnte

Nutzt EU-Parlamentspräsident Martin Schulz den Abgasbetrug, um eine dritte Amtszeit im Chefsessel Platz zu nehmen? Die Chancen stehen nicht schlecht, denn sein Konkurrent muss sich vor dem Ausschuss erklären.

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Der Abgasskandal könnte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz eine dritte Amtszeit bescheren. Quelle: dpa

Brüssel Wenn der Untersuchungsausschuss zur Dieselgate-Affäre im Europäischen Parlament an diesem Mittwoch zum ersten Mal zusammen tritt, dürfte sich EU-Parlamentspräsident Martin Schulz die Hände reiben – nicht nur, weil seine SPD-Fraktion und die Grünen das Gremium gegen den Willen der Christdemokraten und Konservativen durchgesetzt haben. Auch seine eigene politische Karriere könnte profitieren. Denn ein potenzieller Konkurrent im Kampf um eine dritte Amtszeit soll vor dem Ausschuss aussagen und könnte Schaden nehmen: der ehemalige EU-Industriekommissar Antonio Tajani. „Die Rolle der EU-Kommission und der Behörden der Mitgliedstaaten muss jetzt genau unter die Lupe genommen werden“, betonte SPD-Verkehrsexperte und Ausschussmitglied Ismael Ertug anlässlich der konstituierenden Sitzung.

Traditionell teilen sich die zwei großen politischen Lager im EU-Parlament das Amt des Präsidenten. Der Wechsel zwischen Christdemokraten (EVP) und Sozialdemokraten (S&D) findet zur Halbzeit der Legislaturperiode statt. In Brüssel ist es ein offenes Geheimnis, dass Schulz gern weiter machen würde. Der Sozialdemokrat stand der Kammer bereits in der vergangenen Legislaturperiode vor. Dass Schulz 2014 ein zweites Mal auf den Chefsessel durfte, war den besonderen Umständen zu verdanken: Er hatte zur Europawahl das Konzept des Spitzenkandidaten entworfen, sich im Kampf um das Amt des Kommissionschefs infolge des Wahlergebnisses aber dem ChristdemokratJean-Claude Juncker geschlagen geben müssen. Stand heute müsste Schulz sein Amt Anfang 2017 abtreten. Bislang galt der Italiener und heutige Parlamentsvize Tajani in der an Spitzenpersonal nicht ganz reichen EVP-Fraktion als aussichtsreicher Nachfolgekandidat.

Doch seine Chancen schwinden. Kritiker werfen dem Ex-Industriekommissar vor, er habe sich in der Vergangenheit nicht stark genug dafür eingesetzt, die Messverfahren bei Abgastest für Pkw so zu gestalten, dass sie realistische Werte liefern. Dem Mandat zufolge soll der 45-köpfige Untersuchungsausschuss innerhalb der nächsten zwölf Monate nun klären, ob die Brüsseler Behörde und die EU-Staaten bereits vor Jahren Anhaltspunkte hatten, dass verbotene Software zur Verfälschung von Abgastests zum Einsatz kam und ob oder warum sie tatenlos geblieben seien. Konservative sehen in ihm ein Werkzeug, zur Diskreditierung von Tajani.

Innerhalb der EVP-Fraktion sah sich der Ex-Kommissar und heutige Abgeordnete genötigt, in einem Rundschreiben dem Vorwurf entgegen zu treten, er habe als Kommissar bereits 2012/13 von den Abgasmanipulationen bei VW Kenntnis gehabt. Und auch grundsätzlich habe Tajani das Thema nicht schleifen lassen, sagte einer seiner Mitarbeiter kürzlich dem Handelsblatt. Vielmehr habe der Kommissar in Briefen an die Regierungen der Mitgliedstaaten auf mögliche Lücken bei der Marktüberwachung bei „Erzeugnissen der Automobilindustrie“ hingewiesen und auf Verbesserung hingewirkt.

Tatsächlich schloss Tajani in einem Brief an den damaligen Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler auch Tricksereien nicht aus. Die verbesserte Marktüberwachung müsse sicherstellen, 'dass die Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet über die erforderlichen Strukturen und Mittel verfügen, und dass sie Korrekturmaßnahmen durchführen, wenn Erzeugnisse entweder die entsprechenden Anforderungen für eine EU-Typgenehmigung nicht erfüllen oder (...) wenn es zu Fälschungen und Manipulationen kommt', heißt es in dem Brief vom 25. Juli 2012, der dem Handelsblatt vorliegt.

Mit oder ohne Tajani – die Neigung der EVP-Fraktion eine nochmalige Verlängerung der Schulz’schen Amtszeit mitzutragen, geht gen Null. Alternativ zu Tajani könnte sie den französische Abgeordnete Alain Lamassoure in Stellung bringen, er gilt zumindest in der eigenen Fraktion als ein bisschen präsidiabel.

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