
London Es war von Anfang an klar, dass dies ein extrem schwieriger EU-Gipfel für den britischen Premierminister David Cameron werden würde. Aber, dass das Ergebnis derart desaströs ausfallen würde, überrascht doch. Am Ende wird die Weigerung Camerons, eine Änderung der EU-Verträge mitzutragen, den Briten weitaus mehr schaden, als den restlichen Europäern.
Cameron steckt seit Monaten in einem europapolitischen Dilemma, aus dem es eigentlich keinen Ausweg gibt. Auf der einen Seite treibt den Premier die Angst um, dass die EU-Mitglieder, die nicht zur Währungsunion gehören, an den Rand gedrängt werden und Großbritannien am Katzentisch der Union landet. Auf der anderen Seite wird zu Hause der Chor der Europaskeptiker, die einen Rückzug oder gar einen Austritt aus der EU fordern immer lauter. Cameron kann diese Stimmen aus der eigenen Partei und aus der Kernwählerschaft der Tories nicht ignorieren, zumal auch die Labour-Opposition zunehmend eurokritischer wird.
Angesichts dieser Ausgangslage reiste Cameron mit der Agenda nach Brüssel, dass er Vertragsreformen nur zustimmen würde, wenn der Rest der EU gleichzeitig ein Protokoll akzeptiert, dass das Finanzzentrum der Londoner City vor der Regulierungswut aus Brüssel schützt. Aus Camerons Sicht ist diese Forderung verständlich, schließlich klagt der Premier seit Monaten über die Dauerattacken der EU auf das Nervenzentrum der britischen Wirtschaft. Vor allem die von Paris und Berlin vorangetriebene Transaktionssteuer auf Finanzgeschäfte ist für die Briten ein absolutes Tabu.
Mit seiner harten Verhandlungsstrategie fuhr Cameron allerdings gegen die Wand. Nicht nur für den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy waren die britischen Forderungen unakzeptabel, sondern auch für Bundeskanzlein Angela Merkel und einige andere Regierungschefs der Euro-Zone.
Innenpolitisch wird Cameron mit seiner Blockadetaktik sicherlich Punkte machen. Wieder einmal steht Großbritanniens seit jeher zwiespältiges Verhältnis zur europäischen Einigung vor einer Neudefinition, und das dürfte der Mehrheit der Wähler gefallen. Außenpolitisch hat sich Cameron allerdings weit ins Abseits manövriert. Quasi seit Jahrhunderten ist es eines der vorrangigen Ziele der britischen Europapolitik zu verhindern, dass sich auf dem Kontinent ein übermächtiger Block bildet, auf den die Insulaner keinen oder kaum Einfluss haben. Aber genau diese Gefahr droht jetzt.
Harte Regulierung der Finanzindustrie findet ohne London statt
Wenn die Pläne von Sarkozy und Merkel aufgehen, könnten sich am Ende 25 der 27 EU-Staaten auf eine sehr viel engere Integration einigen. Nur die Briten und vielleicht noch Ungarn blieben außen vor.
Mit seiner harten Haltung hat Cameron jeglichen Good Will in der EU verspielt und seine Kollegen gegen sich aufgebracht. Das dürfte sich bitter rächen. Denn die große Mehrheit der EU-Länder wird die Möglichkeit der engeren Integration nutzen, um Reformen des Binnenmarktes und auch eine härtere Regulierung der Finanzindustrie voranzutreiben, die Großbritannien und der Londoner City schweren Schaden zufügen können.
Die Tatsache, dass Großbritannien nicht mehr zum engen Kreis der EU gehören will, heißt noch lange nicht, dass die Insel immun gegen die Wirkung der Entscheidungen der anderen ist. So würde selbst eine Finanztransaktionssteuer, die nur auf dem Kontinent gilt, die Wettbewerbsfähigkeit der City gegenüber der Wall Street oder den aufstrebenden Finanzzentren in Asien schwer beschädigen.
In den kommenden Tagen und Wochen wird sich zeigen, ob Cameron tatsächlich an seinem harten Kurs festhält, oder ob die Briten am Ende nicht doch einsehen müssen, dass ihnen ihre Blockadehaltung mehr schadet als nützt. Allerdings hätten Angela Merkel und Nicolas Sarkozy auch gut daran getan, etwas mehr Verständnis für die Forderungen des Premierministers nach einem Schutzwall für die Londoner City zu zeigen. Schließlich spielt die Finanzbranche für die Briten eine ähnlich wichtige Rolle, wie die Landwirtschaft für Frankreich. Und die Privilegien ihrer Bauern verteidigen die Franzosen bekanntlich seit Jahrzehnten mit Zähnen und Klauen.