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Euro-Krise Die Jagd auf den deutschen Goldschatz

Die Europäische Zentralbank will einen Teil der Währungsreserven der Euro-Notenbanken übernehmen und zur Stärkung des Rettungsfonds einsetzen. Dabei stößt sie auf heftigen Widerstand der Bundesbank.

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Das Euro-Zeichen an der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main Quelle: dpa

Düsseldorf Die EZB und die Bundesbank streiten heftig um den Kurs bei der Euro-Rettung. Dabei geht es um den Vorschlag, die Währungsreserven der Euro-Länder zur Euro-Rettung zu verpfänden. Hintergrund ist die Sorge, dass die Feuerkraft des 440 Milliarden schweren Euro-Rettungsfonds EFSF nicht ausreichen werde, sollten größere Staaten ins Wanken kommen.

Auf dem Treffen der 20 größten Industrieländer der Welt in Cannes hatten die USA, Großbritannien und Frankreich vorgeschlagen, die Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Effizienzsteigerung des EFSF heranzuziehen. Sonderziehungsrechte sind eine Art künstliche Währung und gehören ebenso wie Gold zu den nationalen Währungsreserven. Der Vorschlag sah vor, einen Teil der Sonderziehungsrechte der Euro-Länder in einer Zweckgesellschaft zu bündeln. Die Mittel daraus sollten dem Rettungsschirm EFSF zur Verfügung gestellt werden.

Laut Medienberichten befürwortet die Europäische Zentralbank (EZB) den Vorschlag, während die Bundesbank ihn strikt ablehnt. Die Bundesregierung hat sich hinter die Position der Bundesbank gestellt. Es gebe keinen Grund, über irgendwelche Nutzungen der deutschen Goldreserven dieser Art zu spekulieren, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Sie seien in der Verfügung der Bundesbank, "und es gibt keinen Grund und auch keinen Versuch, daran etwas zu ändern". Ähnliches gelte für die Währungsreserven, zu denen auch die Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds zählen. Allein die könne darüber verfügen, und zwar in all ihrer Unabhängigkeit. Das habe Kanzlerin Angela Merkel den G20-Partnern erläutert, als die Überlegung aufkam, Sonderziehungsrechte in deutschem Besitz als Pfand für Kreditvergaben zugunsten von Euro-Krisenländern zu nutzen.

Auch Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stellten klar, dass keine nationalen Goldreserven zur Euro-Rettung eingesetzt werden sollen. "Gold ist kein Thema und war auch nie ein Thema", sagte der luxemburgische Regierungschef Juncker am Montag zu Beginn eines Treffens der Euro-Finanzminister in Brüssel. Schäuble warnte, es dürfe keine Verwechslungen zwischen den sogenannten Sonderziehungsrechten und den Goldreserven geben. "Das hat mit Goldreserven nichts zu tun." Wer das verwechsle, schaffe eine Verunsicherung in der Bevölkerung, kritisierte Schäuble in Brüssel.

Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet, wollte die Europäische Zentralbank (EZB) einen Teil der Sonderziehungsrechte der Euro-Notenbanken im Internationalen Währungsfonds (IWF) übernehmen und deren Sitz und Stimme wahrnehmen. In Cannes seien 50 bis 60 Milliarden Euro im Gespräch gewesen, davon 15 Milliarden Euro von der Bundesbank. Zwar sollte es sich dabei zunächst nur um Sonderziehungsrechte handeln. Da die Bundesbank den größten Teil ihrer Währungsreserven jedoch in Gold hält, wird befürchtet, dass diese als nächstes angetastet würden.

Laut Financial Times Deutschland haben EZB-Juristen in einem Rechtsgutachten bereits prüfen lassen, ob die Währungsreserven der Euro-Staaten beim IWF in einem speziellen Fonds zusammengefasst werden können - um die Finanzkraft des Rettungsfonds EFSF zu stärken. Eine EZB-Sprecherin wollte dies auf Anfrage nicht kommentieren. Sie dementierte allerdings einen Konflikt mit der Bundesbank. Notenbankchef Draghi habe im Rahmen des Treffens in Cannes festgehalten, dass für die Zentralbanken des Eurosystems unterschiedliche Regelungen gelten, die respektiert werden sollten.


Ein Tabubruch für die Bundesbank

Für die Bundesbank wäre die Verpfändung ihrer Währungsreserven ein Tabubruch. Die Sonderziehungsrechte wurden bei der Gründung des Internationalen Währungsfonds geschaffen. Sie können in Währungen der betroffenen Länder getauscht werden. Ein Rückgriff auf sie wäre daher ein Einstieg in die monetäre Staatsfinanzierung, bei der die Notenbank den Staat durch die Notenpresse finanziert.

Entsprechend deutlich fiel das Statement der Bundesbank aus: „Wir kennen diesen Plan und wir lehnen ihn ab“, sagte ein Bundesbank-Sprecher. Die Währungsreserven sind für die Bundesbank ein Symbol ihrer politischen Unabhängigkeit und gelten als unantastbar. In ihrer Geschichte hat die deutsche Notenbank diese immer wieder gegen Begehrlichkeiten aus der Politik verteidigt. Zuletzt versuchte der damaligen Bundesfinanzminister Theo Waigel 1997 die Bundesbank zu einer Neubewertung ihrer Goldreserven zu bewegen. Der Buchgewinn aus der Operation sollte in den Bundeshaushalt fließen.

Der Streit um die Sonderziehungsrecht könnte jedoch erst der Anfang eines heftigen Konflikts sein. Auch in anderen wichtigen geldpolitischen Fragen nimmt der Druck auf die EZB zu, sich von der traditionellen Linie der Bundesbank zu verabschieden. So fordern immer mehr Politiker und internationale Ökonomen, dass die EZB eine wesentlich aktivere Rolle bei Stabilisierung der Eurozone spielen soll. Im Extremfall würde dies bedeuten, dass die EZB unbegrenzt Anleihen der Euro-Krisenländer kauft.

Manche Experten gehen davon aus, dass dies inzwischen eine Mehrheit im EZB-Rat unterstützen würde. Aus Rücksicht auf die deutschen Vertreter im EZB-Rat und auf die kritische Haltung der deutschen Bevölkerung sei es bisher noch nicht dazu gekommen. Sollte sich die Krise allerdings weiter verschärfen, könnte sich dies ändern und zu einer Konfrontation führen.

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