Europäische Union Steuertrickser prellen Brüssel um Milliarden

Steuertrickser bringen die Europäische Union jedes Jahr um hohe Steuereinnahmen in dreistelliger Milliardenhöhe. Ein Grund für die hohen Steuerausfälle ist zum Beispiel der grenzüberschreitende Mehrwertsteuerbetrug.

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Der Europäischen Union entgehen jedes Jahr Steuereinnahmen in dreistelliger Milliardenhöhe. Quelle: dpa

Berlin Der EU entgehen durch Steuertricksereien hohe Steuereinnahmen. Im Jahr 2015 waren die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer rund 151,5 Milliarden Euro niedriger als erwartet, teilte die Brüsseler EU-Kommission mit. Das entspricht satten 12,7 Prozent der erwarteten Einnahmen.

Ein Grund für die hohen Steuerausfälle ist Steuerhinterziehung. Allein grenzüberschreitender Mehrwertsteuerbetrug verursacht nach Angaben in der Europäischen Union pro Jahr Ausfälle in Höhe von 50 Milliarden Euro. Aber auch statistische Fehler, Zahlungsverzug in Folge von Insolvenzen sowie legale Steuervermeidung führen zu den geringeren Einnahmen.

Je nach EU-Land fällt die Steuerlücke sehr unterschiedlich aus. In Deutschland entgingen den öffentlichen Kassen Einnahmen von 22,4 Milliarden Euro, das sind rund zehn Prozent. Relativ am höchsten war die Lücke in Rumänien: Das Land nahm 7,7 Milliarden Euro oder 37,8 Prozent weniger ein. In absoluten Zahlen wies Italien die größte Lücke aus: Dem ohnehin hoch verschuldeten Land entgingen allein 35,1 Milliarden Euro, das entspricht 26 Prozent der gesamten Mehrwertsteuereinnahmen.

Die hohen Steuerausfälle sind kein neues Phänomen. Im Jahr 2011 etwa gingen den EU-Staaten schätzungsweise 193 Milliarden verloren, im Vorjahr waren es rund 160 Milliarden. Seit vielen Jahren versucht die EU-Kommission, das Problem in den Griff zu bekommen. Doch auch wenn die Ausfälle etwas zurückgegangen sind, gelang dies bislang nicht.

Zuletzt hatte die Kommission im April 2016 einen Aktionsplan gegen die „Mehrwertsteuer-Lücke“ beschlossen. Neben Sofortmaßnahmen beschreibt der Plan auch Schritte zu einem einheitlichen Mehrwertsteuer-System innerhalb der EU. Auch legt er dar, wie die Mehrwertsteuer an die digitale Wirtschaft angepasst werden sollte. Noch im Oktober will die Kommission Gesetzesvorschläge zur Mehrwertsteuer-Erhebung auf den grenzüberschreitenden Handel innerhalb der EU vorlegen. Das neue System soll den grenzüberschreitenden Betrug um 80 Prozent senken.

Auch die Euro-Finanzminister haben zuletzt den Druck erhöht. Auf ihrem Treffen Mitte September legten sechs Minister, darunter Wolfgang Schäuble (CDU), einen Vorschlag vor, nicht mehr den Gewinn zu besteuern, sondern stattdessen die Umsätze der Internetgiganten wie Apple oder Google zügig mit einer europäischen Abgabe zu belegen. Dies wäre eine völlig neuer Ansatz der Besteuerung. Sollten sich die großen EU-Staaten tatsächlich durchsetzen, könnte die Kommission tatsächlich schon bald einen Gesetzesvorschlag für eine Verbrauchsteuer im Internet machen.

Ob dieser aber jemals ins EU-Gesetzblatt kommt, ist höchst ungewiss. EU-Steuergesetze können nur einstimmig beschlossen werden, was erfahrungsgemäß lange dauert oder gar nicht gelingt. Es wird deshalb spekuliert, ob eine kleinere Gruppe von EU-Staaten versucht, die Abgabe allein einzuführen. An einer solchen „verstärkten Zusammenarbeit“ müssen sich mindestens neun Länder beteiligen.

Sollte in Deutschland wie erwartet eine Jamaika-Koalition zu Stande kommen, dürften vor allem die Grünen Druck machen, den Kampf gegen Steuervermeidung zu verschärfen. In ihrem Wahlprogramm nahm der Kampf gegen Steuertrickser einen breiten Raum ein.

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