Europas ungewöhnlichste Wahl Wohin steuert Katalonien?

Kurz vor Weihnachten wählen die Katalanen eine neue Regierung. Quelle: dpa

Die Neuwahl in Katalonien am 21. Dezember gilt als richtungsweisend – aber schon der Wahlkampf ist bizarr: Einige Kandidaten sind hinter Gittern, andere nach Brüssel geflohen.

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Beim Weihnachtsfest 2017 geht es für die Katalanen um mehr als Kerzenschein und fromme Lieder. Das Schicksal ihrer Region steht auf dem Spiel, wenn drei Tage vor Heiligabend die mit Spannung erwartete Neuwahl stattfindet. Ihr Ergebnis wird entweder die Rückkehr zur Normalität einleiten oder die Fortsetzung der Unabhängigkeitsbestrebungen in der nordostspanischen Region bedeuten. Sicher ist, dass es sich um eine ungewöhnliche, ja in Europa einzigartige Wahl handelt – denn einige Kandidaten sitzen unter dem Vorwurf der Rebellion in Untersuchungshaft oder harren, wie Ex-Regionalchef Carles Puigdemont, im „Exil“ in Brüssel aus.

Die Frage ist: Können die separatistischen Parteien erneut eine Mehrheit erringen, wodurch der Machtkampf mit der Zentralregierung in Madrid vermutlich unvermindert weiterginge? Oder strömt die so genannte „schweigende Mehrheit“, die für ein Verbleiben Kataloniens in Spanien ist, dieses Mal massenhaft an die Urnen? Die Zeitung „La Vanguardia“ prophezeite zuletzt eine Wahlbeteiligung von stolzen 82 Prozent. Insgesamt sind 5,5 Millionen Katalanen wahlberechtigt.

Seit Wochen veröffentlichen spanische Medien immer neue Umfragen, die zeigen, wie gespalten die Region ist. Demnach wird es zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen beider politischen Lager kommen. Ob eine Koalition auf die für eine absolute Mehrheit nötigen 68 Sitze kommt, ist derzeit mehr als fraglich.

Ein Rückblick auf den „heißen Herbst“ in Spanien: Am 1. Oktober lässt Puigdemonts Regionalregierung trotz eines Justizverbots ein Referendum über die Loslösung Kataloniens von Spanien durchführen. Rund 90 Prozent der Wähler sprechen sich dafür aus - bei einer Wahlbeteiligung von gerade einmal 42 Prozent. Wenige Wochen später verabschiedet das Parlament in Barcelona einen Unabhängigkeitsbeschluss.

Die spanische Regierung unter Mariano Rajoy reagiert mit aller Härte und entmachtet die Regionalregierung. Seither hat sie selbst die Kontrolle in der aufmüpfigen Region. Der Verfassungsartikel 155 erlaubt dies, allerdings war er bisher noch nie angewendet worden. Gleichzeitig ruft Rajoy eine rasche Neuwahl für den 21. Dezember aus. Viele Beobachter werten dies als cleveren Schachzug des Ministerpräsidenten, um Kritikern der Machtübernahme den Wind aus den Segeln zu nehmen und die Lage schnell zu normalisieren.

Aber die Schäden der Krise sind bereits heute unübersehbar. 2500 Firmen haben ihren Sitz aus Katalonien wegverlegt, alle großen Banken sind abgewandert. Und auch die Touristenzahlen gehen Statistiken zufolge zurück. „Es wird lange Zeit dauern, bis die wirtschaftlichen Schäden, die durch das Unabhängigkeitsprojekt verursacht werden, überhaupt quantifiziert werden können“, kommentierte die Zeitung „El País“ zuletzt.

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