Ex-Außenminister Klaus Kinkel "Christian Lindner ist kein Putin-Versteher"

FDP-Chef Christian Lindner will die Annexion der Krim als „dauerhaftes Provisorium“ hinnehmen. Im Interview erklärt der frühere Außenminister Klaus Kinkel die Russlandpolitik der FDP und welches Ziel sein Parteichef verfolgt.

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Klaus-Kinkel-und-Christian-Lindner Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Die FDP hat den Völkerrechtsbruch Russlands auf der Krim bislang stets verurteilt. Christian Lindner rückt davon ab und spricht von einem „dauerhaften Provisorium“. Wie ist es zu diesem Schwenk gekommen?
Klaus Kinkel: Es gibt keinen Schwenk. Die Annexion der Krim und die russische Intervention in der Ostukraine sind und bleiben dreist und völkerrechtswidrig. Daran hält Christian Lindner fest. Aber er will Bewegung in die europäisch-russischen Beziehungen bringen. Lindner möchte, dass Europäer und Russen im Gespräch bleiben. Dieser Meinung bin ich auch.

Lindner will die Sanktionen gegen Russland lockern, obwohl der Friedensplan von Minsk nicht umgesetzt ist.
Das stimmt nicht, Sie verstehen ihn falsch.

Zitat Lindner: „Die Sanktionen sollten nicht erst fallen können, wenn das Friedensabkommen von Minsk vollständig erfüllt ist.“
Wenn Fortschritte erzielt werden, können Sanktionen gelockert werden. Im Moment gibt es keine Fortschritte, also werden auch keine Sanktionen gelockert. Weiter miteinander sprechen und verhandeln ist in jedem Fall richtig, auch wenn die Krim-Frage im Moment nicht gelöst werden kann.

Zur Person

Putin setzt darauf, dass die westliche Koalition gegen ihn bröckelt. Lindner tut ihm diesen Gefallen. Warum?
Lindner würde niemals zulassen, dass der Westen gespalten wird. Putin ist leider zum Teil erfolgreich mit seiner völkerrechtswidrigen Politik. Zugleich leidet Russland unter den Sanktionen des Westens. Lindner will ihm auch in unserem Interesse helfen, gesichtswahrend aus dieser Lage rauszukommen. Deswegen ist aber noch lange kein Putin-Versteher, wie manche nun behaupten.

Putin könnte dafür sorgen, dass der Konflikt in der Ostukraine endet. Das würde Vertrauen schaffen und die Lockerung von Sanktionen ermöglichen.
Das ist richtig. Die Frage ist nur, ob die Separatisten in der Ostukraine noch auf Putin hören. Jedenfalls halte ich nichts davon, Verhandlungen und Gespräche im Sinne einer Verbesserung der festgefahrenen Beziehungen von der Krim-Frage oder der Lage in der Ostukraine allein abhängig zu machen.

„Lindner wurde überinterpretiert und falsch verstanden“

Lindner hat das Thema Russland von sich angesprochen. Warum eigentlich?
Lindner wurde nach Erdogan und der Türkei gefragt. Von der Türkei und Erdogan in dieser durcheinander geratenen Welt auf Russland und Putin zu kommen, liegt nahe. Russland ist im Weltgefüge noch wichtiger als die Türkei. Deswegen hat er es angesprochen.

Seit Jahren spricht Lindner über Digitalisierung und Bildung, beides mittlerweile Markenkern der FDP. Sieben Wochen vor der Wahl spricht er nun über Russland. Das fällt schon auf.
Wenn Christian Lindner als FDP-Parteichef nach seinen außenpolitischen Ansichten gefragt wird, muss er antworten. Das ist doch klar. Er wurde überinterpretiert und falsch verstanden. Von manchen sogar wohl bewusst – die anstehende Bundestagswahl lässt grüßen. Lindner und die FDP haben einen Lauf, der manchen zu positiv ist.

Wie viel versteht Lindner von Außenpolitik?
Er hat in der Innen- und Außenpolitik wahrlich drauf, was er drauf haben muss. Er hat mit Alexander Graf Lambsdorff im Übrigens jemanden an seiner Seite, der Außenpolitik nun wirklich durchdrungen hat und Lindner in seinen Äußerungen unterstützt. Und mich gibt es ja auch noch, wenn ich um Rat gefragt werde. Erst vorhin habe ich mit Christian Lindner telefoniert. Ich kann Ihnen versichern: Lindner will keine neue, von der bisherigen Haltung der FDP abweichende Russlandpolitik. Er will helfen, die unerfreuliche Situation zu überwinden.

Viele haben Sorge, Lindner gefährde die außenpolitische Reputation der FDP.
Unsinn. Die FDP ändert ihre Haltung nicht – wir sind da glasklar und bleiben es. Auch im Kalten Krieg gab es immer wieder Situationen, die nicht überwindbar schienen. Trotzdem ist Hans-Dietrich Genscher mit allen Seiten im Gespräch geblieben. Denken Sie nur an die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, dem Vorläufer der heutigen OSZE. Genau das macht Lindner jetzt auch. Es gibt keine Veränderung in der Außenpolitik der FDP.

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