Ex-Präsident Obama übt scharfe Kritik an Trump

Ex-Präsidenten halten sich mit Kritik an Amtsinhabern im Weißen Haus zurück. Auch Barack Obama folgte diesem ungeschriebenen Gesetz – bis jetzt.

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Washington Der frühere US-Präsident Barack Obama hat in einem ungewöhnlichen Schritt seinen Nachfolger Donald Trump scharf kritisiert. Über Parteigrenzen hinweg rief Obama dazu auf, die Regierung seines Nachfolgers bei den Zwischenwahlen am 6. November abzustrafen. Zwei Monate vor den Kongresswahlen kritisierte der frühere Präsident am Freitag in einer Rede vor Studenten in Urbana-Champaign im US-Bundesstaat Illinois Inhalt und Stil der Trump-Regierung.

Obama sagte, auch wer mit ihm politisch nicht übereinstimme, „sollte dennoch besorgt sein über unseren derzeitigen Kurs und die Wiederherstellung von Ehrlichkeit, Anstand und Rechtmäßigkeit in unserer Regierung verlangen“.

In Teilen seiner demokratischen Partei wurde Obama wegen seiner couragierten Rede als Heilsbringer gefeiert. Die US-Demokraten leiden noch immer an dem Wahldebakel von 2016, als Hillary Clinton als haushohe Favoritin den Kampf um die Präsidentschaft gegen Donald Trump verlor. Die Partei ist personell, finanziell und nach Meinung vieler Kritiker auch programmatisch ausgezehrt.

Der Ex-Präsident hatte nach seinem Abschied aus dem Weißen Haus im Januar 2017 angekündigt, er wolle sich mehr der Familie widmen. Ferner hatte er erklärt, seine Präsenz könnte der Entwicklung eines neuen Hoffnungsträgers innerhalb der Demokratischen Partei im Wege stehen. Allerdings will sich Obama vor den Kongresswahlen für seine Partei als Wahlkämpfer einspannen lassen.

Obama gilt im Lager Donald Trumps als Feindbild. Insofern birgt sein Engagement für die Demokraten auch die Gefahr, den Korpsgeist innerhalb der Trump-Wählerschaft zu stärken. Trump, der seinen Vorgänger regelmäßig auf Twitter angreift, nennt etwa die Kuba-Politik Obamas schwach. Ferner hält er ihm vor, das Atomabkommen mit dem Iran eingegangen zu sein, das Trump für schwach und nachteilig hält.

Ähnlich verhält es sich mit dem Pariser Klimaabkommen. Insgesamt besteht ein Großteil der von Trump reklamierten „Erfolge“ darin, Regelungen aus der Obama-Ära rückgängig zu machen, etwa bei der Deregulierung des Finanzdienstleistungsmarktes oder bei Umweltauflagen für den Energiesektor.

Trump spottete am Freitag bei einem Auftritt in Fargo im US-Bundesstaat North Dakota über Obamas Rede. „Ich bin eingeschlafen“, sagte Trump. Indessen gilt der amtierende US-Präsident den Deutschen als Auslöser größter Verunsicherung. 69 Prozent halten seine Politik einer Umfrage zufolge für eine Gefahr.

Bei Trump-Gegnern im In- und Ausland herrscht die Hoffnung vor, der Präsident könnte bald einem Amtsenthebungsverfahren ausgesetzt sein. Dazu wären vermutlich weitere klare Nachweise von Fehlverhalten im Rahmen der Russland-Untersuchungen, vor allem aber eine demokratische Mehrheit im Abgeordnetenhaus nach den Kongresswahlen vonnöten. Ob es zu einer Übernahme der Demokraten kommen wird, ist unsicher.

Obamas Kritik richtete sich jedoch nicht ausschließlich gegen seinen Nachfolger. Er zeichnete ein umfassenderes Bild und warnte vor „den Mächtigen und den Privilegierten, die uns gespalten und wütend und zynisch halten wollen, weil es ihnen hilft, den Status quo zu wahren und ihre Macht und ihre Privilegien zu wahren.“ Er fügte hinzu: „Es hat nicht mit Donald Trump angefangen. Er ist ein Symptom, nicht die Ursache. Er zieht nur seinen Nutzen aus Feindseligkeiten, die Politiker seit Jahren angeheizt haben.“

Die Republikanische Partei und deren Politik im Kongress griff Obama mit beißenden Worten an. Steuergeschenke an die Reichen, den kleinen Leuten die Gesundheitsversorgung nehmen, das systematische Erschweren der Ausübung des Wahlrechts für junge Leute und Minderheiten – all das erfülle nicht die Definition von „konservativ“, sagte Obama. „Das ist radikal.“

Obama rief seine Zuhörer dazu auf, bei den Wahlen im November ihre Stimme abzugeben. Mit Blick auf die zweijährige Amtszeit Trumps sagte er: „Wenn Ihr denkt, dass Wahlen keine Rolle spielen, dann hoffe ich, dass die vergangenen zwei Jahre diesen Eindruck korrigiert haben.“ Obama fügte hinzu: „Ihr müsst mehr machen, als einen Hashtag zu retweeten. Ihr müsst wählen.“

Bei den Wahlen im November werden das Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt. Die Abstimmung gilt als wichtiger Stimmungstest für die Regierung Trump. Der Präsident befürchtet, seine Republikaner könnten ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus an die Demokraten verlieren – mit erheblichen Konsequenzen auch für ihn selbst.

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