Experte über Katars Investments "Katar strebt nach regionaler Reputation"

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„Angenehme Geldgeber, die sich nicht ins Tagesgeschäft eingemischt haben“

Wenn es stimmte, dass Katar den Terror unterstützt, dann müsste man doch sagen, dass die Dividenden von VW und der Deutschen Bank und anderen katarischen Beteiligungen indirekt dem Terror zugutekommen.
Das ist nicht völlig abwegig. Aber die Frage ist eben, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen Staatsfonds und den Geldern, die von wem auch immer an Terrororganisationen fließen. Ich habe dafür keine Belege. Und wenn man aus westlicher Perspektive so fragt, muss man natürlich genauso nach den Handelspartnern Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten fragen. 

von Saskia Littmann, Martin Seiwert, Matthias Kamp, Annina Reimann

Für viele Beobachter gilt Saudi-Arabien selbst als die eigentliche Quelle des Dschihadismus, also des islamistischen Terrors. Nicht nur ideologisch sondern auch finanziell.
Ich halte es für unwahrscheinlich, dass der saudische König oder Regierungsmitglieder den Dschihadismus derzeit unmittelbar unterstützen. Früher taten sie das durchaus. In den 80er und 90er Jahren finanzierten sie Al-Kaida im Kampf gegen die Sowjetunion, dann halfen sie 2012 bis 2014 dschihadistischen Gruppen im syrischen Bürgerkrieg. Aber das flog ihnen bisher immer um die Ohren. Denn früher oder später wird jede dschihadistische Gruppierung die Saudis selbst als Feind ansehen aufgrund ihrer Nähe zum Westen, ihrer Korruption, ihrer Dekadenz. Seit 2014 gab es entsprechend vermehrt IS-Anschläge in Saudi-Arabien.

Die Saudis führen einen relativ konsequenten Kampf auf sicherheitspolitischer Ebene gegen den Dschihadismus. Aber: Was von reichen Geschäftsleuten und religiösen Stiftungen getan wird, ist schwierig nachzuvollziehen. Al-Dschubeir sprach in Berlin von den drei großen M: Men, Money and Mindset – Menschen, Geld und Gedankengut. Beim letzteren tut Saudi-Arabien zu wenig. Die saudische Islamauslegung des Wahhabismus weist deutliche Nähen auf zur dschihadistischen Ideologie. Die ganze anti-schiitische und anti-iranische Propaganda der Saudis spielt letztlich dem IS in die Karten, denn er nutzt dieselben Argumente.

Deutsche und westliche Unternehmen sind bislang für Investments aus der Golfregion sehr offen. Wäre es nicht an der Zeit, dass westliche Staaten da mal genauer hinschauen, möglicherweise auch eingreifen?
Vielleicht, aber die Frage ist doch: warum jetzt? Die Terrorvorwürfe sind seit vielen Jahren bekannt. An der Grundsituation hat sich nichts geändert. Nur bläst Katar jetzt stärkerer Wind entgegen. Bislang waren Katar und andere Investoren aus der Golf-Region offensichtlich verlässliche, angenehme Geldgeber, die sich nicht ins unternehmerische Tagesgeschäft eingemischt haben. Da sieht man eben über manche Argumente gegen solche Investments hinweg.

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