Exporte nach Iran Wie es um Deutschlands Iran-Geschäft steht

Voller Hoffnung auf große Geschäfte reisten deutsche Unternehmer und der Wirtschaftsminister vor einem Jahr an den Persischen Golf. Doch von der Euphorie nach dem Ende der Sanktionen ist wenig geblieben.

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Der frühere deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) bei einem Tuchhändler im Basar von Isfahan (Iran), 2015. Quelle: dpa

Kurz nach der Landung in Teheran versteckt Julia Esterer ihre blonden Locken unter einem Kopftuch. Die Unternehmerin aus dem hessischen Städtchen Helsa will ihre muslimischen Gesprächspartner bloß nicht provozieren. Schließlich will sie mit ihnen ins Geschäft kommen. Angeführt vom damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, sind Esterer und gut 30 weitere Firmenchfes und Manager mit der Regierungsmaschine Theodor Heuss im Oktober 2016 in den Iran geflogen. Zusammen mit rund 80 Repräsentanten deutscher Unternehmen vor Ort bilden sie eine stattliche Delegation, als Gabriel mit seinem iranischen Kollegen Ali Tayebnia eine Sitzung der deutsch-iranischen Wirtschaftskommission leitet.

Harte Sanktionen gegen das Land sind aufgehoben, die Stimmung der Reisegruppe ist gut, fast schon euphorisch.

Heute ist davon bei Esterer wenig geblieben. Sie hatte vor allem darauf gehofft, für ihren auf die Herstellung von Betankungslastern spezialisierten Familienbetrieb neue Aufträge bei alten Geschäftspartnern klarzumachen. Doch alle Angebote hat sie bisher vergeblich an den Persischen Golf geschickt, und „geplante Bestellungen wurden wieder gestoppt“, sagt Esterer. Nun hofft sie, dass zumindest ein Vertrag erfüllt wird, den ihr Unternehmen schon vor dem Embargo 2009 abgeschlossen hatte. Wenigstens der.

Das politische Umfeld im Iran - eine schwierige Gemengelage

Die Bilanz der meisten Unternehmen fällt heute, ein Jahr nach dem Gabriel-Trip, ähnlich bescheiden aus. Auf die erhofften Millionenaufträge aus dem Mullah-Reich warten sie bisher weitgehend vergebens. Wenn überhaupt, läuft das Geschäft auf kleiner Flamme. Die iranischen Unternehmen halten sich mit Investitionen überraschend stark zurück, und die Europäer hemmt die Angst, mit Irandeals zwischen die politischen Fronten zu geraten, die derzeit immer härter werden – und schlimmstenfalls hohe Strafen zu kassieren, vor allem in den USA.

Denn das Atomabkommen mit dem Iran hat US-Präsident Donald Trump kürzlich erst als „worst deal ever“ bezeichnet und vor der UN-Vollversammlung im September einen möglichen Ausstieg angedeutet. Den Iran bezeichnete Trump dabei als wirtschaftlich ausgelaugten Schurkenstaat, der Gewalt exportiere.

Deshalb finanzieren die Banken Geschäfte mit dem Land weiterhin nur zurückhaltend. „Wir leiden noch immer unter dem amerikanischen Einfluss auf unsere Banken, da hat sich nichts geändert“, sagt Unternehmerin Esterer. Es hakt an allen Ecken und Enden. Die zwei Jahre alte Ankündigung der Lufthansa-Tochter Eurowings, künftig zwei Mal wöchentlich zwischen Köln und Teheran zu fliegen, wurde bis heute nicht realisiert. Ebenso wenig kam eine Ausstellung iranischer Kunst in Berlin und Rom zustande, die die Öffnung des Landes gen Westen kulturell untermauern sollte. Gehofft hatte darauf auch der Speziallogistiker Hasenkamp aus dem rheinischen Frechen, der wie Esterer der Gabriel-Delegation angehörte.

2016 hatten die USA und die EU einen erheblichen Teil der 2009 gegen Teheran verhängten Sanktionen aufgehoben. Schließlich hatte das Land alle Verpflichtungen aus dem ein Jahr zuvor geschlossenen Atomabkommen erfüllt. Aus ganz Europa machten sich hoffnungsvolle Businessreisegruppen auf den Weg in das Land am Persischen Golf, mit dem vor allem viele deutsche Unternehmen vor dem Embargo gute Beziehungen unterhalten hatten.

Dass Teheran weiterhin mit der Vernichtung Israel droht und im Land fast so viele Menschen hingerichtet werden wie in China, war durchaus ein schwieriges Thema für den sozialdemokratischen Wirtschaftswerber Gabriel. Doch mit seinen 80 Millionen Einwohnern und seinem riesigen Rohstoffreservoir erschien der Iran als attraktiver Markt, den die deutsche Wirtschaft nicht kampflos anderen überlassen sollte. Nach den Jahren der Abschottung war vor allem die Hoffnung auf Infrastrukturaufträge groß.

Die Angst vor den US-Behörden bremst

Die Angst vor den US-Behörden aber bremst total. „Deutsche Unternehmen mit starkem US-Geschäft halten sich lieber zurück“, bestätigt ein Unternehmer, der enge Verbindungen in den Iran hat. Mit einem Iranvisum im Pass werde die nächste Einreise in die USA zum Problem. Insbesondere nach dem Regierungswechsel fürchten international tätige Unternehmen und Banken, durch Irangeschäfte oder deren Finanzierung in ihrem US-Geschäft Probleme zu bekommen, argwöhnt ein anderer.

„Nach anfänglich großer Euphorie hat nun die Realität Einzug in die Geschäftsbeziehungen gehalten“, sagt auch Benno Morlock, Leiter des Bereichs Industrie beim Antriebs- und Bremssystemspezialisten Voith Turbo, der Gabriel vor einem Jahr begleitete. Zwar sei der Investitionsbedarf im Iran tatsächlich enorm. Aber auch die Hindernisse seien nach wie vor erheblich. Das Unternehmen aus dem baden-württembergischen Heidenheim hat derzeit keine Probleme, seine Geschäfte im Iran zu finanzieren, wohl aber seine dortigen Kunden. Und für zahlreiche Technologien, wie etwa Software für industrielle Prozesse sowie für zivil und militärisch nutzbare Produkte, gelten weiter Sanktionen. Voith muss deshalb jedes neue Projekt sehr genau prüfen.

Trotzdem hat das Unternehmen sein Team in Teheran zuletzt aufgestockt. Derzeit liefert Voith Turbo etwa Getriebe für Schienenfahrzeug- und Bushersteller. Perspektiven sieht der Konzern, der im vergangenen Jahr mit 19.000 Mitarbeitern rund 4,3 Milliarden Euro Umsatz machte, auch im Papiergeschäft, in der Energieerzeugung, bei der Förderung von Rohstoffen und der Suche nach Öl- und Gasquellen. Wie andere deutsche Unternehmen beschränkt Voith seine Aktivitäten im Iran auf ein Vertriebsbüro. Eine eigene Produktion kommt dort bisher nicht infrage.

Trotz aller Unwägbarkeiten hält auch der Mannheimer Industriedienstleister Bilfinger den Iran weiter für einen „interessanten Markt, weil er über die zweitgrößten Gas- und die viertgrößten Ölreserven der Welt verfügt“. Aufholbedarf sieht das Unternehmen bei der iranischen Infrastruktur und vor allem auch bei Umwelttechnologien. So leide etwa Teheran unter massivem Smog. Einen Erstauftrag der staatlichen Raffinerie Esfahan Oil Refining Company (EORC) in Isfahan ergatterte Bilfinger im Juli 2016, einen Folgeauftrag im März 2017. Das Ziel von EORC: mithilfe der Deutschen die Kapazität der Anlagen zu erhöhen.

Das Gesamtvolumen der neuen Iranaufträge von Bilfinger liegt im niedrigen zweistelligen Millionenbereich. Für den Auftrag aus dem Jahr 2016 hat das Unternehmen schon einen Teil der vereinbarten Summe kassiert. Die Zahlungen wickelt der Konzern, der wegen früherer Korruptionsdelikte in Nigeria unter Aufsicht des US-Justizministeriums steht, in Euro und ohne Beteiligung amerikanischer Banken und Bürger ab. Auf regionaler Ebene seien Geldinstitute „eher bereit, Gelder aus Irangeschäften anzunehmen und an die Lieferanten auszuzahlen“.

Auch Unternehmerin Esterer hat „eine lokale Bank gefunden, die mit uns Irangeschäfte abwickeln würde“, sagt sie. Die Hessin hält ihr Kopftuch bereit: „Ich bin es gewohnt, mich in anderen Kulturen als Gast zu bewegen. Dies gebührt der Höflichkeit.“ Aber sie fürchtet das endgültige Ende ihrer Iranbeziehungen, wenn die Sanktionen erneut verschärft werden sollten. „Wir leben mit dem Verlust unserer treuesten Kunden schon seit vielen Jahren, ein erneuter Abbruch der Beziehungen würde wahrscheinlich ein endgültiges Abwandern Richtung Osten bedeuten. Die Chinesen wären die großen Profiteure“, sagt die 44-Jährige. „Unsere Bemühungen, die Beziehungen mit Zuversicht wieder aufzunehmen, wären umsonst gewesen.“

Und die Reise in den Iran auch.

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