Fall Skripal Briten bezeichnen Russlands Anschuldigen als „schamlos“ und „absurd“

Eigentlich sollte das Treffen beim OPCW Klarheit im Fall Skripal bringen. Stattdessen wird der Ton zwischen britischen und russischen Vertretern schärfer.

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Der Streit zwischen Großbritannien und Russland spitzt sich zu. Quelle: dpa

Der Streit zwischen Russland und Großbritannien um den Giftanschlag im englischen Salisbury wird schärfer. Selbst ein Treffen der beiden Seiten in den Niederlanden brachte offenbar keinen Fortschritt. Im Gegenteil: Die Fronten scheinen sich weiter zu verhärten. Derweil bekräftigen Vertreter der westlicher Regierungen, dass sie weiter hinter Großbritannien stehen.

Für Mittwoch hatte Russland eine Sondersitzung der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) einberufen. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte zuvor erklärt, er hoffe, dass mit dem Treffen der OPCW ein Strich unter den Fall gezogen werden könne.

Doch danach sah es nicht aus. Bei der Sitzung wiederholte der britische Vertreter John Foggo, dass man in Großbritannien die Schuldigen für den Anschlag am 4. März in Salisbury in Russland sehe. Russland habe nicht die von Großbritannien aufgeworfenen Fragen reagiert, sondern stattdessen sogar angedeutet, dass Schweden oder die USA den Angriff ausgeführt haben könnten, und erklärt, das Großbritannien selbst den Angriff vorgenommen habe, „um vom Brexit abzulenken“.

Das seien „schamlose, absurde Aussagen“, sagte Foggo. Forderungen von russischer Seite, Moskau in den Ermittlungen einzubeziehen, seien „pervers“. Es sei schließlich nicht üblich, „dass ein Opfer den mutmaßlichen Täter in eine gemeinsame Untersuchung einbezieht“.

Seine Regierung sei der festen Überzeugung, „dass der russische Staat höchstwahrscheinlich für diesen Angriff verantwortlich ist“. Es gebe „keine plausible alternative Erklärung“. Grundlage für diese Einschätzung sei, dass man das verwendete Nervengift identifiziert habe. Man wisse, dass Russland diesen Stoff produziert habe und weiterhin dazu in der Lage sei und dass Russland früher schon Anschläge mit staatlicher Rückendeckung durchgeführt habe, hieß es weiter. Dass man den in Salisbury verwendete Chemikalie eindeutig auf russische Quellen zurückführen könne, sagte er nicht – offenbar aus gutem Grund.

Weitere Laborergebnisse nächste Woche erwartet

Am Mittwoch hatte ein Wissenschaftler aus dem Bio- und Chemiewaffenlabors in Porton Down erklärt, dass es sich bei dem in Salisbury verwendeten Nervengift zwar um eine Substanz aus der in der Sowjetunion entwickelten Nowitschok-Gruppe handelt.

Sie konnten nach eigenen Angaben aber nicht herausfinden, ob das Gift in Russland hergestellt wurde – und das steht im Widerspruch zu früheren Äußerungen von Seiten des britischen Außenministers. Dessen Ministerium hatte zudem einen entsprechenden Tweet gesendet, der nun gelöscht wurde. Die britische Opposition wirft Johnson nun vor, die Öffentlichkeit getäuscht zu haben.

In Deutschland stellt man sich am Mittwoch hinter die Briten. Es würden von Russland „Nebelkerzen“ geworfen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts laut dpa. Über welche Erkenntnisse die Bundesregierung verfüge, um Russland die Verantwortung zuzuweisen, wollte der Sprecher nicht sagen. Man müsse Vertraulichkeit wahren, auch zum Schutz der Betroffenen.

Die EU forderte Russland auf, mit der OPCW bei deren Untersuchung zu kooperieren. Die Regierung in Moskau müsse die legitimen Fragen Großbritanniens beantworten, erklärte die EU bei der Sondersitzung. Wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Diplomatenkreise berichtete, dürfte jedoch nicht die Zwei-Drittel-Mehrheit zustande kommen, um eine neue, gemeinsame Untersuchung zu starten.

Die OPCW hatte nach dem Anschlag in Salisbury Proben genommen, die in unterschiedlichen Labors untersucht werden. Die Ergebnisse sollen Anfang kommender Woche vorliegen. 

Vor genau einem Monat waren der ehemalige russische Doppelagent Sergej Skripal Skripal und seine Tochter Julia auf einer Parkbank in Südengland bewusstlos zusammengebrochen. Sie liegen noch immer im Krankenhaus. Sergej Skripal befindet sich noch im kritischen Zustand, seine Tochter ist mittlerweile wieder bei Bewusstsein und ansprechbar, hat sich aber noch nicht öffentlich geäußert.

Schon wenige Tage nach dem Vorfall hatte die britische Regierungschefin Theresa May Russland beschuldigt, hinter dem Anschlag zu stecken, da ihren Experten zufolge eine Substanz aus der in der Sowjetunion entwickelten Nowitschok-Gruppe verwendet wurde.

Russland hatte die Vorwürfe zurückgewiesen – und Großbritannien verantwortlich gemacht. Die Beziehung der beiden Länder verschlechterte sich zusehends. Großbritannien erhielt gleichwohl Rückendeckung von einer Reihe anderer Staaten wie der EU und den USA. Nachdem die britische Premierministerin 24 russische Diplomaten auswies, folgten diese Länder mit ähnlichen Maßnahmen – aber auch Russland unternahm derartige Schritte.

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