Fall Skripal Westen weist russische Diplomaten aus

Das Gebäude der russischen Botschaft in Berlin. Quelle: dpa

Die internationale Affäre um den ehemaligen Spion Skripal schaukelt sich hoch. Nach Großbritannien erhöhen weitere Länder mit konkreten Konsequenzen den Druck auf Moskau. Wie wird die Antwort ausfallen?

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Nach dem Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien haben die USA, Deutschland sowie 18 weitere Länder in einer bislang beispiellosen Gemeinschafsaktion mehr als 100 russische Diplomaten und Geheimdienstmitarbeiter ausgewiesen. Das Auswärtige Amt in Berlin kündigte am Montag die Ausweisung von vier russischen Diplomaten an. Sie müssen binnen sieben Tagen Deutschland verlassen.

Es handle sich um die größte gemeinschaftliche Ausweisung russischer Diplomaten in der Geschichte, sagte die britische Premierministerin Theresa May am Montag in London. „Das Vereinigte Königreich wird Schulter an Schulter mit der EU und der Nato stehen, um diesen Drohungen die Stirn zu bieten“, sagte May. Moskau verurteilte den „unfreundlichen Schritt“ scharf und kündigte eine Reaktion von Präsident Wladimir Putin auf Grundlage des „Prinzips der Gerechtigkeit“ an. In Deutschland stieß das westliche Vorgehen auf ein geteiltes Echo.

Insgesamt weisen nun neben Großbritannien 15 der 28 EU-Staaten mehr als 30 Diplomaten aus. Die USA schicken 60 Geheimdienstmitarbeiter außer Landes und schließen ein russisches Konsulat. Die Ukraine weist 13, Kanada vier und das Nicht-EU-Land Norwegen einen russischen Diplomaten aus. Zuvor hatte Großbritannien 23 Diplomaten aufgefordert, das Land zu verlassen.

Außenminister Heiko Maas (SPD) erklärte, die Entscheidung sei nicht leichtfertig getroffen worden. Die Fakten und Indizien im Fall Skripal wiesen aber nach Russland. „Die russische Regierung hat bisher keine der offenen Fragen beantwortet und keine Bereitschaft gezeigt, eine konstruktive Rolle bei der Aufklärung des Anschlags spielen zu wollen.“ Mit den Ausweisungen sende Deutschland „ein Signal der Solidarität mit Großbritannien“. Maas betonte zugleich: „Wir sind weiterhin offen für einen konstruktiven Dialog mit Russland, der zu vielen internationalen Themen notwendig bleibt.“

Die Bundesregierung begründete den Schritt außerdem mit einem Cyber-Angriff von Hackern mit mutmaßlich staatlichem russischem Hintergrund auf das Computernetz des Auswärtigen Amts.

Bei dem Anschlag im britischen Salisbury waren Anfang März Skripal und seine Tochter schwer vergiftet worden. Die Täter nutzten dabei nach derzeitigem Ermittlungsstand den in der früheren Sowjetunion entwickelten Kampfstoff Nowitschok.

Russland wies die Vorwürfe des Westens erneut als haltlos zurück. Die Verbündeten Großbritanniens folgten „blind dem Grundsatz der euroatlantischen Einheit entgegen dem gesunden Menschenverstand“, teilte das Außenministerium mit.

Präsident Putin wird nach Angaben seines Sprechers bald reagieren. „Natürlich werden wir dem Prinzip der Gegenseitigkeit folgen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag russischen Agenturen zufolge. Das Außenministerium und andere Behörden würden die Situation und den Konflikt um den Giftanschlag zunächst gründlich analysieren und weitere Schritte vorschlagen. „Eine endgültige Entscheidung wird aber der Präsident treffen.“ Moskau bedauere, dass es soweit gekommen sei, sagte Peskow.

Unterschiedliche Reaktionen

Zu den 15 EU-Staaten, die nun ebenfalls Diplomaten ausweisen, gehören unter anderem Frankreich, Italien, die Niederlande, Dänemark, Polen und Tschechien. Großbritannien und Russland hatten bereits die Ausweisung von 23 Diplomaten des jeweils anderen Landes angeordnet. Einige andere der insgesamt 28 EU-Staaten hatten signalisiert, sich nicht anschließen zu wollen. So hatte der österreichische Kanzler Sebastian Kurz in der vergangenen Woche gesagt, Gesprächskanäle zu Russland offenzuhalten.

EU-Ratspräsident Donald Tusk erklärte im bulgarischen Warna, es sei nicht ausgeschlossen, dass in den kommenden Tagen und Wochen weitere Maßnahmen ergriffen würden. Dazu könnte mehr Ausweisungen zählen. Zur Begründung verwies Tusk auf die Erklärung des EU-Gipfels vom Ende vergangener Woche. Darin hatten die Staats- und Regierungschefs erklärt, man stimme mit London überein, dass Moskau mit hoher Wahrscheinlichkeit die Verantwortung für den Anschlag trage.

Der britische Verteidigungsminister Gavin Williamson sprach von einer „starken Botschaft“ an den Kreml. Die Rückendeckung zahlreicher Länder sei eine Niederlage für den russischen Präsidenten Wladimir Putin, sagte er bei einem Besuch in Estland. Die Absicht Moskaus sei es, zu teilen. Doch die Welt habe sich hinter der britischen Haltung vereint - „das ist ein großer Sieg“, sagte Williamson.

In Deutschland wurden unterschiedliche Reaktionen laut - auch in der großen Koalition. SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich kritisierte die Ausweisungen als „übereilt“. Dieser Schritt werde „den politischen Kriterien, die an den Giftanschlag Skripal angelegt werden sollten, nicht gerecht“, sagte er der „Welt“. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), sprach dagegen von einem „klaren Signal der Solidarität mit Großbritannien und der Missbilligung des Verhaltens der russischen Regierung“.

Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sprach dagegen von „schlichtem Unverstand“. Das Verbrechen von Salisbury sei nicht aufgeklärt, Beweise für die russische Täterschaft lägen nicht vor. Der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, begrüßte die Ausweisung der russischen Diplomaten ebenfalls als Zeichen der Solidarität mit Großbritannien.

In Salisbury soll noch in dieser Woche mit der Dekontamination einiger Gebäude begonnen werden. Davon sind auch das Restaurant und der Pub betroffen, in dem sich Skripal mit seiner Tochter Yulia am Tag des Attentats aufgehalten hat, wie der Fernsehsender Sky News am Montag berichtete. Es handelt sich nach Angaben der Polizei um eine reine Vorsichtsmaßnahme; die Öffentlichkeit sei nicht in Gefahr.

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