FBI-Chef James Comey Donald Trump feuert sein Problem

Mit dem Rauswurf von FBI-Chef James Comey versucht der US-Präsident einen Befreiungsschlag aus der Verstrickung in angebliche Russland-Kontakte und die aufgebauschte E-Mail-Affäre seiner Gegnerin Hillary Clinton.

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Gefeuert – FBI-Chef Comey muss seinen Posten räumen

In dem Roman „Jahrestage“ schreibt Uwe Johnson über einen in Bedrängnis geratenen russischen Kommandeur, er „reckte sich in seinem Sessel, als wolle er das Problem erschießen lassen“. US-Präsident Trump ist zurückhaltender. Er erschießt seine Probleme nicht, er feuert sie. Aber sie haben auch eine Menge mit Russland zu tun.

Das erste prominente Opfer war sein Wahlkampf-Manager Paul Manafort, der wegen seiner unklaren Rolle in der Ukraine und möglicher russischer Kontakte gehen musste. Das zweite Opfer war Sicherheitsberater Michael Flynn wegen seiner Russland-Beziehungen. Das dritte Opfer wurde am Dienstag FBI-Chef James Comey.

Trump teilte ihm per Brief mit: „Ich weiß es zwar sehr zu schätzen, dass Sie mich in drei verschiedenen Situationen darüber informiert haben, dass nicht gegen mich ermittelt werde; dennoch stimme ich mit dem Justizministerium darin überein, dass Sie nicht in der Lage sind, das FBI effektiv zu führen.“ In dem Kündigungsschreiben an Comey fügt Trump hinzu: „Es ist essenziell, eine neue Führung für das FBI zu finden, die das Vertrauen der Öffentlichkeit und das Zutrauen in die Kernaufgaben seiner Aufgaben in der Strafverfolgung wiederherstellt.“

Sein Sprecher Sean Spicer erklärte, Comey sei aus „seinem Büro entfernt“ worden. Laut der „New York Times“ soll Comey von seinem Rauswurf erfahren haben, während er eine Rede vor FBI-Agenten in Los Angeles gehalten hat. Ein schmählicher Abschied für einen Mann, dem Trump seinen Wahlsieg im vergangenen November verdankt, wenn man seiner Gegnerin Hillary Clinton glaubt.

Auch wenn man Clinton nicht so weit folgen mag, ist kaum zu bestreiten, dass der FBI-Chef zu Trumps Sieg beigetragen hat. Comey hatte vor wenigen Tagen bei einem denkwürdigen Auftritt vor dem Senat vergeblich versucht zu erklären, weshalb er kurz vor der Wahl über angeblich neue Funde in Clintons E-Mail-Affäre sprach und zugleich Untersuchungen wegen Russland-Kontakte von Trumps Team verschwieg.

Laut Comey befanden sich die Untersuchungen gegen das Trump-Lager noch im Anfangsstadium, weshalb es zu früh gewesen wäre, darüber zu berichten. Das Verfahren gegen Clinton sei dagegen schon fortgeschrittener gewesen. Er sagte zum Fall Clinton: „Himmel, darüber elf Tage vor der Wahl zu sprechen, war wirklich schlecht. Aber es zu verschweigen, wäre meiner Meinung nach eine Katastrophe gewesen.“ Offenbar hat das neben zahlreichen anderen Politikern auch den neuen Justizminister Jeff Sessions nicht überzeugt. Die Bundespolizei untersteht in den USA dem Justizministerium.

Tatsächlich schweigt das FBI normalerweise bei Ermittlungen, solange es keine sicheren Erkenntnisse gibt. Und tatsächlich hält es sich sonst auch unmittelbar vor Wahlen mit Ermittlungen gegen die Beteiligten zurück, geschweige denn mit Kommentaren.

Kompliziert wird die Sachlage dadurch, dass beide Fälle zusammenhängen. Trump nutzte in seinem Wahlkampf gegen Clinton Erkenntnisse, die wahrscheinlich durch russische Hacker ans Tageslicht gebracht wurden. Die Frage ist, ob seine Leute von der Einmischung der Russen wussten. Flynn hatte die Wahrheit über seine Russland-Kontakte verschwiegen und musste gehen. Comey hat seine Rechtfertigung so ungeschickt vorgebracht, dass er nicht mehr zu halten war.

Trump versucht hier offensichtlich einen Befreiungsschlag. Aber ob der gelingt? Der demokratische Senator Ron Wyden hat schon gefordert, Comey solle „sofort vor den Geheimdienst-Ausschuss des Senats geladen werden, um in einer offenen Anhörung über den Stand der Trump/Russland-Ermittlungen zu dem Zeitpunkt, als er gefeuert wurde, Zeugnis abzulegen“.

Die Demokraten gingen in ersten Reaktionen nicht auf die E-Mail-Affäre ein, sondern verwiesen auf Comeys Ermittlungen zu etwaigen Russland-Verbindungen. Der Schritt „riecht nach einer Vertuschung“ und sei Teil eines Versuches, die Untersuchung zu behindern, sagte der ranghöchste Demokrat im Justizausschuss des Repräsentantenhauses, John Conyers. Die USA stünden damit am Rande einer Verfassungskrise. Der ranghöchste Demokrat im Senat, Chuck Schumer, forderte die sofortige Einsetzung eines Sonderermittlers für die Russland-Affäre.

Auffällig ist beim Vergleich der E-Mail-Affäre Clintons mit Trumps Russland-Skandal vor allem eins: Ab dem Tag nach der Wahl war von den E-Mails fast keine Rede mehr. Obwohl Trump seiner Gegnerin im Wahlkampf einen Sonderermittler angedroht hatte, winkte er nach seinem Sieg ab.

Scheinbar eine großzügige Geste, in Wahrheit ein Eingeständnis, dass Clintons fahrlässige Nutzung eines privaten E-Mail-Kontos in ihrer Zeit als Außenministerin keinen Schaden angerichtet hat und eine zu Wahlkampfzwecken aufgebauschte Affäre war.

Ganz anders verhält es sich mit den angeblichen Russland-Kontakten von Trumps Leuten. Es gilt als beinahe sicher, dass die Russen sich in den amerikanischen Wahlkampf zu seinen Gunsten eingemischt haben. Mit seiner peinlichen Lobhudelei des russischen Autokraten Wladimir Putin hat Trump sich selber in Verdacht gebracht, dies zumindest mit Wohlwollen beobachtet zu haben.

Die Frage, ob einer seiner Leute illegale Kontakte nach Moskau hatte, schwebt nach wie vor über dem Weißen Haus. Clintons E-Mail-Server-Fall war dagegen eine Nachlässigkeit, schlimm genug, aber nicht zu vergleichen mit einem möglichen an Verrat grenzenden Verhalten.

Trump hat persönlich vielleicht gar nichts mit Russland zu tun, außer seinen Geschäften dort. Aber mit seiner Rhetorik und seinem Hang, hartnäckig selbst an unglaubwürdigen Lügen festzuhalten, wird es für ihn immer schwer sein, außerhalb seiner ergebenen Anhängerschar glaubwürdig zu wirken. Und ein Präsident mit einem Glaubwürdigkeitsproblem zieht andere Probleme an. Die lassen sich nicht alle feuern.

Eine Chance für ihn, an Glaubwürdigkeit zu gewinnen, besteht darin, mehr und mehr auf Leute zu setzen, die über die Parteigrenzen hinweg Ansehen haben - wie etwa Verteidigungsminister Jim Mattis und Chef-Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster.

Der Rauswurf seines Chef-Ideologen Steve Bannon aus dem Nationalen Sicherheitsrat war ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Bannon ist mit seiner kruden Rhetorik und Weltanschauung längst eine Belastung, die aus dem Wahlkampf übrig geblieben ist. Dieses Problem ließe sich möglicherweise mit Erfolg feuern.

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