Fed-Entscheidung Die Fed setzt die EZB unter Druck

Der Chef der US-Notenbank Federal Reserve: Jerome Powell. Quelle: imago images

Die US-Notenbank will den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik beschleunigen und kündigt höhere Leitzinsen an. Für die EZB wird die Lage jetzt ungemütlich. 

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Eine Woche vor dem Weihnachtsfest ist es noch einmal richtig spannend geworden an den Finanzmärkten. In Washington trafen sich gestern die Notenbanker der amerikanischen Federal Reserve zum letzten Mal in diesem Jahr, um über den künftigen Kurs der Geldpolitik zu beraten. Beobachter hatten im Vorfeld der Sitzung darauf gewettet, dass die Zentralbanker um ihren Chef Jerome Powell den bereits eingeleiteten Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik beschleunigen. 

Die Wetten gingen auf. Powell kündigte an, das Tempo, mit dem die Fed ihr Kaufvolumen an Wertpapieren seit November zurückfährt, zu verdoppeln. Statt wie bisher um 15 Milliarden Dollar, sollen die Wertpapierkäufe ab Januar um 30 Milliarden Dollar je Monat reduziert werden. Damit dürften die Käufe (aktuelles monatliches Volumen: 90 Milliarden Dollar) Mitte März enden. 

In Anschluss ist der Weg für höhere Leitzinsen frei. Die Mehrheit der Notenbanker rechnet mit drei Zinsschritten im Verlauf des nächsten Jahres. Ende 2022 dürfte der Leitzins bei 0,9 Prozent stehen (aktuell: 0,0 bis 0,25 Prozent). Für die Folgejahre werden weitere Leitzinserhöhungen erwartet. Für Ende 2022 steht der mittlere Wert der Leitzinsprognose bei 1,6 Prozent, für 2024 bei 2,1 Prozent. 

Fed und EZB entscheiden über die Zukunft von Zinsen und Wertpapierkäufen. Wann und wie die beiden einflussreichsten Zentralbanken aus der ultralockeren Geldpolitik aussteigen, wird die Märkte nachhaltig beeinflussen.
von Malte Fischer

Angst vor permanent hoher Inflation 

Damit läutet die Fed das Ende der ultralockeren Geldpolitik ein. Mit guten Gründen. Die Inflation hat sich weit schneller und stärker erhöht als es die Fed noch im Frühjahr erwartet hatte. Im November schoss die Teuerungsrate auf 6,8 Prozent in die Höhe, den höchsten Wert seit 1982. Dabei waren es nicht nur die Energiepreise, die die Kosten der Lebenshaltung trieben. Vielmehr legten die Preise auf breiter Front zu. Ob für Gebrauchtwagen, Flugtickets oder Hotelübernachtungen – für alles mussten die US-Bürger tiefer in die Tasche greifen. Auch die Wohnungsmieten, auf die ein Drittel des Warenkorbs entfällt, zogen auf breiter Front an. 

In der Pressekonferenz wies Powell mehrfach darauf hin, dass die frühere Annahme der Fed, der Inflationsschub sei nur ein vorübergehendes Phänomen, nicht mehr zu halten ist. Der aktuelle Preisauftrieb sei nicht die Art der Inflation, die er sich gewünscht habe, sagte Powell. Die Fed hatte darauf gehofft, dass die Wirtschaft erst wieder das Beschäftigungsniveau erreicht, das vor der Corona-Pandemie herrschte, bevor die Preise anziehen. Derzeit ist die US-Wirtschaft mit einer Arbeitslosenquote von 4,2 Prozent aber noch ein Stück weit von ihrem Vor-Corona-Niveau von 3,5 Prozent entfernt. Die hohe Inflation sei daher nicht die Folge einer vollbeschäftigten Wirtschaft, sondern des von der Geld- und Fiskalpolitik ausgelösten Nachfrageschubs, der auf ein pandemiebedingt eingeschränktes Güterangebot trifft. 

Schon im nächsten Jahr könnte sich bei dem prognostizierten Wirtschaftswachstum von vier Prozent Vollbeschäftigung einstellen, so Powell. Dann drohe eine Lohn-Preis-Spirale, in deren Folge sich die Inflationserwartungen aus ihrer Verankerung lösen könnten. Deshalb sei es angebracht, die Leitzinsen notfalls auch dann anzuheben, wenn die Wirtschaft noch nicht wieder das Vollbeschäftigungsniveau erreicht hat. Powell machte damit klar, dass die Hauptsorge der Fed derzeit nicht der Beschäftigung, sondern der Inflation gilt. Es ist eine Kehrtwende in der Politik der Fed, die keine Minute zu früh kommt. 

Die EZB träumt weiter vom Inflationsbuckel 

Sie setzt die Europäische Zentralbank (EZB), die heute über die Geldpolitik entscheidet, massiv unter Druck. Auch in der Eurozone droht die Inflation aus dem Ruder zu laufen. Im Schnitt der Mitgliedsländer der Währungsunion lag sie im November bei 4,9 Prozent. In Belgien und den baltischen Staaten hat die Teuerung schon Raten zwischen fünf und zehn Prozent erreicht. Noch aber argumentiert die EZB realitätsblind, die Inflation auf dem alten Kontinent sei nur vorübergehend. 

Experten rechnen daher damit, dass die EZB ihr Pandemie-Notfall-Kaufprogramm PEPP im Frühjahr nächsten Jahres zwar auslaufen lässt. Doch dürfte sie im Gegenzug das seit einigen Jahren laufende Wertpapier-Kaufprogramm APP aufstocken. Höhere Leitzinsen wie sie die Fed angekündigt hat, haben die Notenbanker um EZB-Chefin Christine Lagarde bisher rundweg abgelehnt. 

Ob die Entscheidung der Fed die Frankfurter Währungshüter zum Umdenken bewegt, ist fraglich. Der fundamentale Unterschied zwischen der Fed und der EZB bleibt bestehen. Die Fed ist die Hüterin der internationalen Leitwährung Dollar. Anleger rund um den Globus sind bereit, den USA trotz hoher Staatsschulden Kredit zu gewähren. Sie müssen nicht fürchten, dass die Vereinigten Staaten wegen höherer Zinsen kollabieren.  



Die Altlasten der Euro-Rettung schränken die EZB ein 

In der Eurozone liegt der Fall anders. Strafft die EZB die Geldpolitik, könnten für die hochverschuldeten Länder im Süden der Eurozone die Lichter ausgehen. Ohne Anleihekäufe der EZB gingen die Kurse der Anleihen aus den hoch verschuldeten Südländern baden, ihre Finanzierungskosten schnellten in die Höhe. Sogar ein Käuferstreik kann dann nicht mehr ausgeschlossen werden. Die Banken der Eurozone, in deren Bilanzen sich die Anleihen der Hochschuldenländer noch aus den Zeiten der Euro-Rettung türmen, erlitten riesige Abschreibungsverluste. 

Die Altlasten der umfangreichen Euro-Rettungsaktionen schränken jetzt, da es darauf ankommt, der Inflation die Stirn zu bieten, den Handlungsspielraum der EZB ein. Aus stabilitätspolitischen Gründen müsste die EZB der Fed folgen. Doch aus Rücksichtnahme auf die Südländer und deren Banken wird sie es wohl vorziehen, die Eurozone weiter zu inflationieren. Die Anleger könnten daher bald in Scharen aus dem Euro fliehen – und ihr Geld jenseits des Atlantiks in Sicherheit bringen.

Mehr zum Thema: Die Federal Reserve macht es richtig – anders als die EZB: Die Inflation ist wie ein Feuer, das man sofort austreten muss. Sonst gerät sie außer Kontrolle, schreibt Ökonom Hans-Werner Sinn in seinem Gastbeitrag.

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