Finanzkrise Islands Angst vor dem Staatsbankrott

Mancher Banker wird erst mal den Atlas hervorgekramt haben – Island steht schließlich selten im Mittelpunkt. Das ist derzeit anders. Die kleine Inselrepublik hat Garantien für Einlagen ihrer Banken übernommen und einige Institute verstaatlicht. Jetzt droht dem Zwergstaat der Bankrott. Ausgerechnet Russland soll das Nato-Mitglied retten. Gelingt das nicht, drohen Schockwellen bis aufs europäische Festland.

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Der isländische Staat hat die Quelle: REUTERS

Das Wetter ist stürmisch, die See peitscht an die felsige Küste, Berge und karge Täler prägen die Landschaft.

Die Isländer sind die raue Umgebung gewohnt. Was sich aber heute über ihrer kleinen Insel zusammenbraut, bringt auch die kühlen Nordlichter in Wallung. Ihre Regierung hat sich offenbar beim Management der Finanzkrise so übernommen, dass jetzt erstmals in dieser Krise einem ganzen Land der Bankrott droht.

Islands Finanzaufsicht hat in der Hauptstadt Reykjavik die vollständige Kontrolle über die zweitgrößte Bank des Landes, Landsbanki, übernommen. Die Behörden wandten damit erstmals ein wenige Stunden zuvor vom Parlament verabschiedetes Eilgesetz zur Verhinderung eines totalen Finanzkollaps an.

Nach Angaben der isländischen Regierung hätte andernfalls ein Bankrott des Landes gedroht. Der aber scheint noch immer nicht abgewendet.

Weitere isländische Banken straucheln. Die Kaupthing, die seit einiger Zeit auch mit lukrativen Angeboten auf dem deutschen Markt für Privatkunden vertreten ist, bekam einen Sofortkredit über 500 Millionen Euro.

Die deutsche Niederlassung der Bank ist dem isländischen Einlagensicherungsfonds angeschlossen, nicht dem deutschen. Dieser Fonds schützt die Einlagen jedes einzelnen Kunden – auch in Deutschland – bis zu einer Höhe von 20 887 Euro zu 100 Prozent. Wesentlich hierbei ist jedoch, dass im Fall eines Ausfalls die Kunden diesen Ausfall an der Hauptniederlassung in Island geltend machen müssen.

In der Vorwoche hatte die isländische Regierung bereits für 600 Millionen Euro 75 Prozent der Anteile an der drittgrößten Bank Glitnir übernommen. Ministerpräsident Geir Haarde warnte die Bevölkerung in einer TV-Ansprache: „Es besteht die Gefahr, dass die isländische Wirtschaft im schlimmsten Fall in den Abwärtsstrudel der Banken gerät und das Ergebnis ein Bankrott des Landes sein könnte.“

Die Nordatlantikinsel mit gut 300 000 Einwohnern ist wegen der extrem expansiven Kreditpolitik ihrer führenden Banken besonders hart von der internationalen Finanzkrise betroffen.

Island zahlt damit nach Ansicht von Experten den Preis für den vergangenen Wirtschaftsboom, als die Unternehmen des Landes in Europa auf Einkaufstour gingen und der Finanzsektor ein beispielloses Wachstum verzeichnete. Die Vermögenswerte der Banken sind neun Mal so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt des Landes von 14 Milliarden Euro.

Angesichts der massiven Folgen der Finanzmarktkrise für das Land ist die isländische Krone unter Druck geraten, zugleich zieht die Inflation deutlich an. Ein Kollaps des isländischen Finanzsystems dürfte angesichts des starken Engagements der Banken und Unternehmen im Ausland nicht ohne Folgen für den Rest Europas bleiben.

So hält beispielsweise eines der größten Unternehmen des Landes, die Investmentgruppe Baugur, Anteile an verschiedenen Einzelhandelsunternehmen unter anderem in Großbritannien. Auch zu Deutschland gibt es enge wirtschaftliche Beziehungen. Deutschland ist nach den Niederlanden und noch vor Großbritannien wichtigster Partner der Isländer.

Auch die Bank Kaupthing, die Quelle: KAUPTHING

Ausgerechnet Russland soll nach Vorstellungen der Regierung des Nato-Staates das klamme Land vor dem Staatsbankrott retten. Allerdings gibt es zwischen beiden Ländern seit heute Vormittag einen offenen Streit darüber, wie weit entsprechende Verhandlungen gediehen sind. Islands Regierungschef Haarde räumte nach russischen Protesten ein, dass die Mitteilung seiner Nationalbank über einen Kredit der Russen voreilig war.

Haarde sagte bei einer Pressekonferenz in Reykjavik, dass Experten der Nationalbank umgehend nach Moskau reisen würden, um die Bedingungen auszuhandeln. Die isländische Zentralbank geht davon aus, dass Russland ihr vier Milliarden Euro Kredit gewähren werde, um die Devisenreserven des Landes zu besichern. Es habe keine offizielle Anfrage aus  Island gegeben, sagte dagegen Vize-Finanzminister Dmitri Pankin der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti. „Die Verhandlungen haben noch nicht begonnen, eine Entscheidung ist noch nicht gefallen.“

Die isländische Zentralbank schreibt dagegen: „Der russische Botschafter in Island, Victor I. Tatarintsev, hat den Vorsitzenden des Direktoriums der Zentralbank von Island an diesem Morgen darüber informiert, dass Russland der Zentralbank einen Kredit in Höhe von 4 Milliarden Euro gewähren würde."

Die Fälligkeit betrage drei bis vier Jahre zu Konditionen in einer Spanne zwischen 30 bis 50 Basispunkten über dem Libor, hieß es bei der Bank weiter. Der russische Premierminister Wladimir Putin habe die Zusage bestätigt. Der isländische Premierminister hatte offenbar bereits vor einigen Monaten entsprechende Kontakte nach Moskau geknüpft.

Die isländische Landeswährung Krone hat in den letzten zwölf Monaten drei Viertel ihres Wertes gegenüber dem Euro verloren. Mittlerweile hat die isländische Regierung den Wechselkurs für die isländische Krone fixiert. Außerdem wurde der Handel mit sämtlichen Finanzwerten an Islands Börsen ausgesetzt. Die Ratingagentur Standard & Poor's stufte Islands Bonität derweil um zwei Stufen von „A-„ auf „BBB“ herunter. Zwar würden die Maßnahmen der Regierung dazu beitragen, die Risiken für den Staatshaushalt zu begrenzen, aber sie würden auch den Zugang der isländischen Banken zum internationalen Markt beschneiden, teilte Standard & Poor’s mit.

Sollte sich die Lage weiter verschlechtern, wäre es das erste Mal in dieser Finanzkrise, dass ein Staat pleite geht. Der vorerst letzte Staat, der seinen Bankrott erklären musste, war im Jahr 2002 Argentinien. Nach einem Zusammenbruch des dortigen Bankensystems kam das südamerikanische Land erst nach massiven staatlichen Eingriffen auf den Finanzmarkt und die Anlagevermögen der Bürger wieder auf die Beine.

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