Finanzkrise Zahlungsnot Dubais verursacht Börsenbeben

Die Geldnöte des einstigen Boom-Emirats Dubai haben Ängste vor einer neuen Welle der Finanzkrise ausgelöst. Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Golf-Staaten belasten die Börsen.

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Die künstliche Inselgruppe Quelle: Four_Communications_Group

Die Nachricht von den Zahlungsschwierigkeiten des Emirats Dubai schlug an den Börsen ein wie eine Bombe. Besonders unter Druck gerieten Finanzwerte und Aktien von Unternehmen mit einem arabischen Anker-Aktionär, wie Porsche, VW und Daimler. Der Leitindex Dax verlor fast drei Prozent. „Alles, was in arabischer Hand ist, wird im Moment verkauft“, beschrieb ein Händler in Frankfurt die Stimmung am Markt. Wie vor gut einem Jahr nach dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers flüchteten die Anleger massenhaft in die als sicher geltenden Staatsanleihen, was deren Kurse nach oben trieb.

Bauprojekte liegen auf Eis

Das Emirat, das anders als die Nachbarländer auf keine größeren Ölvorräte zurückgreifen kann, versuchte zu beruhigen. Die Schuldenprobleme der staatseigenen Holding-Gesellschaft Dubai World, das die berühmte Insel in Palmenform im Meer, „The Palm Jumeirah“, entwickelt und baut, hätten keine Auswirkungen auf andere Staatsunternehmen. In Dubai liegen nach jahrelangem Immobilienboom alle prestigeträchtigen Bauprojekte auf Eis, da die Krise die Finanzierungsquellen versiegen ließ. Aus Mangel an Öl setzte die Regierung des Emirats auf andere Einnahmequellen und fand diese im Tourismus und in der Bankenbranche.

Dubai bittet um Zahlungsaufschub

Nun hat die Regierung die Gläubiger von Dubai World bis Mitte nächsten Jahres um Zahlungsaufschub für Milliardenschulden gebeten. Anleger reagierten geschockt, weil sie bei dem Emirat keine Zahlungsprobleme erwartet hatten. Dubai World hat Schulden von fast 60 Milliarden Dollar, das sind drei Viertel der gesamten Verbindlichkeiten des Emirats. Aus Expertensicht dürfte ein Staatsbankrott Dubais aber unwahrscheinlich sein. Hauptgrund für die aktuellen Zahlungsschwierigkeiten Dubais sei der Niedergang des Immobiliensektors – eine Folge der Finanzkrise, sagte Commerzbank-Experte Luis Costa. Nach dem Platzen der Immobilienblase in den USA gingen die Häuserpreise in vielen Ländern in den Sinkflug über - so auch in Dubai. Zusammen mit verschärften Kreditbedingungen und dem Rückzug vieler Investoren aus Bauprojekten führte dies dazu, dass die staatseigenen Immobilienunternehmen in Bedrängnis gerieten.

Besonders kritisch sei die Lage derzeit bei der Dubai-World-Tochter Nakheel, betonte Costa. Das Unternehmen stehe am Rande der Pleite. Das staatliche Immobilienunternehmen ist in erster Linie mit der Planung großer Bauprojekte betraut. Die Regierung kündigte den Umbau der Unternehmen an, die für einen beispiellosen Boom des Emirats gesorgt hatten.

Das Emirat Dubai, das Teil der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ist, hatte bereits im vergangenen Februar eine Staatsanleihe ausgegeben. Damals war ebenfalls das Emirat Abu Dhabi in die Bresche gesprungen, damit Dubai laufende Kredite bedienen konnte. Abu Dhabi hat deutlich höhere Einnahmen aus dem Öl-Geschäft als die Handelsmetropole Dubai.

Die Skyline des Emirats Dubai Quelle: AP

Der Deutsche Aktienindex Dax verlor bis kurz vor Börsenschluss mehr als drei Prozent. Besonders schlimm traf es Bankaktien, sie brachen bis zum Nachmittag um mehr als drei Prozent ein, Deutsche-Bank-Titel sogar um mehr als vier Prozent. Finanzwerte sackten auf den niedrigsten Stand seit einem halben Jahr ab. Auch die ebenfalls unter Verkaufsdruck geratenen Versicherer Münchener Rück, Allianz und Hannover Rück sprachen von keinen beziehungsweise „vernachlässigbaren“ Belastungen. Nach den Daten der Bundesbank und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ist das Engagement der deutschen Finanzbranche in den Vereinigten Arabischen Emiraten insgesamt mit rund 7,5 Milliarden Euro vergleichsweise gering. Die britischen Banken äußerten sich zunächst nicht, obwohl sie Finanzkreisen zufolge teils besonders stark betroffen sein dürften. Daher sackte auch der Kurs des britischen Pfunds ab. Lediglich die größte Privatkundenbank des Landes, Lloyds , teilte mit, ihr Engagement bei Dubai World halte sich in Grenzen.

Angst vor Ansteckung

Auf dem Börsenparkett machte das Wort „Ansteckungsgefahr“ die Runde. Anleger befürchten, andere Golfstaaten könnten zum Verkauf großer Aktienbestände gezwungen sein, um Löcher zu stopfen. In der Region tätige Banker sprachen von einem erheblichen Imageschaden für die Golfstaaten. „Das wird nicht ohne Folgen für Investitionen in den Emiraten bleiben“, sagte ein Top-Banker. Die Kosten für eine Absicherung der Schulden Dubais und anderer Golfländer gegen einen Ausfall stiegen deutlich an. Die Preise für diese so genannten CDS-Papiere signalisieren, wie stark am Markt mit ernsten Zahlungsproblemen gerechnet wird. In der Finanzkrise waren sie insbesondere bei Banken nach oben geschnellt, was deren Refinanzierung empfindlich verteuerte.

Andere Golfstaaten haben mehr Öl

Experten warnten aber vor voreiligen Schlüssen. „Dubai hat viel stärkere Schuldenprobleme als die Nachbarn, in Abu Dhabi und Katar steckt echtes Geld dahinter“, betonte Youssef Affany, Golf-Experte von der Citigroup. Die anderen ölreicheren Emirate sind weniger stark von Krediten und ausländischem Kapital abhängig und haben Milliardeneinnahmen aus dem Ölgeschäft für Kapitalspritzen etwa bei VW, Daimler oder Porsche verwendet. Eine Ansteckung sei daher unwahrscheinlich, sagte Affany. „Die anderen Emirate und Saudi-Arabien werden eine gewisse Form der Solidarität zeigen.“ Auch Helene Rang, geschäftsführender Vorstand des Nah- und Mittelostvereins, zeigte sich überzeugt, dass die Vereinigten Arabischen Emirate im Rahmen ihres Finanzausgleichs eine Lösung finden dürften. Die Regierung in Dubai wollte mit ihrer überraschenden Ankündigung offenkundig die Auswirkungen auf die Finanzmärkte so gering wie möglich halten.

Bis zum 6. Dezember sind im arabischen Raum wegen des Opferfestes fast alle Geschäfte geschlossen. „Einige hoffen, dass sich bis dahin die Lage wieder beruhigt hat - möglicherweise vergebens“, sagte ein Händler.

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