Flüchtlinge in Serbien In der Sackgasse

Stiefeltritte, Hundebisse, Pfefferspray: In Ungarn erwartet Flüchtlinge miese Behandlung. Doch es zieht Tausende auf dem Weg nach Westeuropa dorthin. Aber Serbien verhindert den Marsch. Die Migranten stecken fest.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Belgrader Regierung toleriert auch illegale Camps. Eines befindet sich im serbischen Grenzort Horgos, unmittelbar am ungarischen Grenzzaun. Quelle: AFP

Budapest/Belgrad Flüchtlinge in Serbien marschieren in Richtung Ungarn, als wäre es das Gelobte Land. Allerdings hat der Nachbarstaat, der zum Schengen-Raum gehört, seine Grenze mit einem messerscharfen, drei Meter hohen Zaun gesichert. Mit ihrem Protestmarsch demonstrieren die Flüchtlinge gegen dieses Hindernis, das ihnen den Weg nach Norden versperrt. Doch bis zur Grenze kommen sie erst gar nicht.

Bereits rund 40 Kilometer nördlich der serbischen Hauptstadt Belgrad werden die Flüchtlinge von der Polizei gestoppt. Die hat damit eine erneute Welle der Gewalt an der Grenze zum Nachbarland verhindert. Doch die Situation der Menschen wird immer dramatischer.

Mittlerweile sind die Flüchtlinge des Protestzuges wieder nach Belgrad zurückgekehrt. Doch der Unmut unter den auf der Balkan-Route stecken gebliebenen Flüchtlinge wächst. Durch den Kälteeinbruch in der Region verschlechtern sich auch die Bedingungen in den provisorischen Lagern. Nach Behördenangaben halten sich derzeit rund 7000 Migranten vor allem aus arabischen Kriegsgebieten noch in Serbien auf. Für sie gibt es kaum noch ein Weiterkommen auf ihrer langen Reise nach Westeuropa.

Ungarn gewährt täglich nur 30 Migranten an jeweils zwei Grenzübergängen die Einreise. Einer davon ist Röszke, eine gute Autostunde südlich der ungarischen Hauptstadt Budapest. Insider vermuten, dass das am vergangenen Sonntag gescheiterte Referendum des ungarischen Premiers Viktor Orbán gegen den EU-Verteilungsplan für Flüchtlinge die Hoffnungen genährt hat, das Land der Magyaren könnte seine Grenze für die Weiterreise nach Mittel- und Nordeuropa öffnen.

Nach Angaben von Hilfsorganisationen gibt es insgesamt zehn Lager in Serbien. Die Belgrader Regierung toleriert auch illegale Camps. Eines befindet sich im serbischen Grenzort Horgos, unmittelbar am ungarischen Grenzzaun. Die armseligen Zelte der Migranten sind auf der Autobahn zwischen Budapest und Belgrad schon aus der Ferne zu erkennen.

Hilfsorganisationen in Serbien erwarten einen Anstieg der Flüchtlingszahlen in dem Balkan-Land. „Bis zum Jahresende werden es 9000 Flüchtlinge in Serbien sein“, sagt eine Serbin aus Belgrad, die in der Migrantenhilfe arbeitet. Davon würde knapp über die Hälfte illegal aus Mazedonien einreisen, der Rest käme aus dem EU-Land Bulgarien.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat unterdessen erneut die Schließung der Balkan-Route von Griechenland über Mazedonien, Serbien und Kroatien nach Ungarn kritisiert, die von der österreichischen Regierung initiiert wurde. Diese habe „in den Wochen, bevor das EU-Türkei-Abkommen in Kraft trat, zwar dazu geführt, dass weniger Flüchtlinge in Deutschland ankamen – aber dafür 45.000 in Griechenland“, sagt die CDU-Chefin der Wochenzeitung „Die Zeit“.


Ungarn rüstet sich

Ungarn bereitet sich unterdessen auf einen weiteren Ansturm auf seine Grenzen vor. „Die ungarische Polizei ist sehr gut darauf vorbereitet, auf jede Situation zu reagieren, wenn der Druck der Migranten steigen sollte“, sagte Zsolt Gulyás, stellvertretender Polizeipräsident in der ungarischen Grenzstadt Szeged, dem Handelsblatt. Nach seinen Angaben sind derzeit 8000 Polizei- und Armeekräfte entlang der 174 Kilometer langen Grenze zu Serbien im Einsatz. „Wir haben in diesem Jahr bereits Menschen aus mehr als 80 Ländern aufgegriffen“, berichtet Gulyás. Von den Komoren über Sierra Leona, Kuba, Vietnam bis zu den vom Krieg heimgesuchten Ländern Syrien, Irak und Afghanistan reicht die Liste der Herkunftsstaaten.

Ungarn hat nach Angaben seines rechtspopulistischen Regierungschefs Orbán bislang aus eigenen Mitteln eine halbe Milliarde Euro für die Grenzsicherung zum Balkan ausgegeben. „Wir wollen die Flüchtlinge mit physischen Mitteln aufhalten“, beteuerte der Führer der Fidesz-Partei zuletzt in Wien. In Budapest liegen längst Pläne in den Schubläden, den Grenzschutz zum Balkan noch stärker auszubauen.

Amnesty International wirft Ungarn unterdessen die Misshandlung von Flüchtlingen vor. Die Menschenrechtsorganisation berichtete zuletzt von systematischen Übergriffen in Budapest. Das bestätigen auch Ärzte in den serbischen Flüchtlingscamps.

„Die Ungarn erteilen den Flüchtlingen mit Schlagstöcken, Stiefeltritten, Hunden und Pfefferspray eine Lektion. Das kommt ein- bis zweimal die Woche vor“, sagte der serbische Arzt Mladen Rekic im Flüchtlingslager von Subotica dem Handelsblatt. Die Kleinstadt liegt nur rund 15 Autominuten von der Grenze zu Ungarn entfernt. „Im Juni und Juli hatten wir sogar zehn bis 20 Fälle pro Tag“, sagte der Mediziner, der für das deutsche Hilfswerk Diakonie Katastrophenhilfe arbeitet. Am gefährlichsten seien die Hundebisse für die Migranten, die illegal in das EU-Land wollten

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%