Flüchtlinge und Arbeitsmarkt Österreichs Wirtschaft will keine „Festung Europa“

Österreichs Unternehmer halten die Integration mehrere Millionen Flüchtlinge in Europa für problemlos machbar – wenn alle mitmachen. Industriellen-Präsident Kapsch kritisiert das „Outsourcen“ des Problems an die Türkei.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Demonstranten in Österreich fordern die Öffnung der Grenzen. Quelle: dpa

Wien Die österreichische Industrie tritt für eine weitere Aufnahme von Flüchtlingen bei einer fairen Verteilung innerhalb der Europäischen Union ein. „Eine Gemeinschaft mit 500 Millionen Menschen muss in der Lage sein, fünf Millionen Menschen aufzunehmen. Das ist ein Prozent der Bevölkerung. Wenn sich das aber auf wenige Länder konzentriert, dann wird es schwierig“, sagte Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung, vor der Auslandspresse in Wien. „Griechenland, Italien, Österreich, Deutschland und Schweden haben bislang die Hauptlast getragen. Das kann so nicht sein.“

Der Unternehmer, der einen Technologiekonzern mit knapp einer Milliarde Euro Umsatz führt, kritisierte die Einigung der EU mit der Türkei zur Zurücknahme von Flüchtlingen aus Griechenland. „Das ist ein Thema, das man nicht einen Drittstaat outsourcen kann. Das müssen wir selbst lösen. Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist jemanden Geld zu geben, weil es uns nur hilft das Problem zu verschieben“, sagte Kapsch in Anspielung auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Die Türkei wird von der EU künftig sechs Milliarden Euro für die Bewältigung des Flüchtlingsproblems erhalten. Das hatten die Staats- und Regierungschef in Brüssel vor kurzem beschlossen. Stattdessen schlägt die Industriellenvereinigung des Alpenlandes vor, innerhalb der EU Bereiche schaffen, wo sich die Flüchtlinge aufhalten können, bevor sie nachher innerhalb der Europäischen Union verteilt werden.

Der Präsident der österreichischen Industrie kritisierte insbesondere die auf Abschottung setzende Politik der Wiener Regierung. „Ich halte von einem Festungsgedanken nichts. Festung bedeutet immer Einschränkung der geistigen, kulturellen und wirtschaftlichen Offenheit. Einschränkung hat noch nie zu mehr Wohlstand geführt“, kritisierte Kapsch. „Der Gedanke einer Festung Europa ist relativ kurzsichtig.“

Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hatte bei einer Besichtigung der Grenzsperranlagen in Spielfeld an der Grenze zu Slowenien gesagt: „Wir müssen an einer Festung Europa bauen.“ Die Politikerin hat ihre Karriere bei der Industriellenvereinigung begonnen. Von der deutschen Regierung wird die Position der rot-schwarzen Koalition in Wien unterdessen abgelehnt. „Europa ist keine Festung und wird auch keine Festung“, sagte Kanzleramtsminister Peter Altmaier.

Die österreichische Industrie ist auf langer Sicht von den positiven Effekten des Flüchtlingszustroms überzeugt. „Wir glauben, dass die Zuwanderung langfristig der österreichischen Gesellschaft nutzt“, sagt Kapsch. Beispielsweise sein Unternehmen, die Kapsch AG, bilde seit drei Jahren unbegleitete Flüchtlinge aus.

„Unsere Unternehmen sind willens, Asylbewerber aufzunehmen und auszubilden. Deshalb wehren wir uns gegen die Idee von Asyl auf Zeit“, beteuerte der Wirtschaftsverbandsführer. „Das Sperren von Grenzen ist nicht die Lösung, erstens aus humanitären und zweitens aus rechtlichen Gründen. Wir sind auf Grund internationaler Vertrage verpflichtet, Menschen, die Asyl berechtigt sind oder verfolgt werden auch Asyl zu gewähren.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%