Flüchtlingskrise spaltet die EU Wohin mit den festsitzenden Flüchtlingen?

Die Länder Osteuropas sichern ihre Grenzen mit Zäunen und Stacheldraht – Tausende Flüchtlinge stecken in Griechenland fest. Abhilfe soll der EU-Türkei-Gipfel bringen. Doch Ministerpräsident Tsipras droht mit Blockade.

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In Idomeni an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien stecken Tausende Flüchtlinge fest. Tsipras will sie auf ganz Europa verteilen. Quelle: Reuters

Athen Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras will keinem EU-Beschluss zustimmen, der nicht die gleichmäßige Verteilung von Flüchtlingen in allen Staaten der Europäischen Union vorsieht. Dies gelte auch für den am 7. März geplanten EU-Türkei-Gipfel in Brüssel, bekräftigte Tsipras am frühen Dienstagmorgen in einem Interview des griechischen Fernsehsenders Star.

Der Regierungschef und die Vorsitzenden der wichtigsten Parteien im griechischen Parlament wollen sich am Freitag in Athen treffen. Unter Vorsitz des griechischen Staatspräsidenten Prokopis Pavlopoulos will die politische Führung darüber beraten, wie es mit der Flüchtlingskrise weiter gehen soll und welche Positionen Athen beim Gipfel mit der Türkei vertreten wird, wie Tsipras bestätigte.

In der griechischen Hafenstadt Piräus wurde am Dienstag wieder die Ankunft von zahlreichen Migranten von den Ägäisinseln erwartet. Die griechische Küstenwache und die Besatzungen der Patrouillenboote der europäischen Grenzagentur Frontex konnten binnen 48 Stunden 1272 Migranten aus den Fluten der Ägäis retten. Die Migranten kamen alle aus der Türkei und wurden in den Meerengen zwischen den Inseln der Ostägäis und der türkischen Küste gerettet, wie die griechische Küstenwache am Dienstag weiter mitteilte.

Hunderten anderen Migranten sei es aus eigener Kraft gelungen, Griechenland an Bord von Schlauch- und Holzbooten zu erreichen. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) sind in diesem Jahr bis zum 28. Februar bereits 120.565 Migranten aus der Türkei nach Griechenland gekommen

Das griechische Militär arbeitet weiter auf Hochtouren am Bau neuer Aufnahmelager. Um die Situation bei Idomeni am Grenzübergang nach Mazedonien zu entschärfen, werden sieben neue Lager für mehr als 20.000 Menschen südlich der Grenze gebaut. An der Grenze warten inzwischen mehr als 8000 Flüchtlinge auf ihre Weiterreise.

Die Lage dort war am Montag eskaliert. Hunderte verzweifelte Migranten hatten versucht, den Sperrzaun zu stürmen und in das Nachbarland durchzubrechen. Die mazedonischen Grenzpolizisten setzten daraufhin massiv Tränengas ein. Am Dienstag war die Lage ruhig.

Die Regierung in Athen rechnet damit, dass wegen der Schließung seiner Grenze zu Mazedonien in den kommenden Tagen mehr als 100.000 Migranten in Griechenland festsitzen könnten. Aus diesem Grund habe die Regierung ein EU-Hilfspaket in Höhe von 470 Millionen Euro beantragt, berichtete der griechische Fernsehsender ANT1 am Dienstag. Auch andere Medien nannten diesen Betrag.

Der Plan sehe vor, dass etwa 50.000 Menschen in Aufnahmelagern und weitere 50.000 in einfachen Hotels untergebracht werden sollen. Es würden insgesamt 8200 Polizisten und zivile Mitarbeiter benötigt, um die Flüchtlinge zu registrieren und für Verpflegung, Gesundheit und Sicherheit zu sorgen, hieß es.


Gläubiger zu neuen Prüfungen in Athen erwartet

Inmitten der sich zuspitzenden Flüchtlingskrise erwartet Griechenland nach Regierungsangaben baldige neue Prüfungen seiner Spar- und Reformbemühungen durch die internationalen Gläubiger. Er gehe davon aus, dass die Prüfer von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds (IWF) „bis zum 10. März“ ihre Arbeit im Land wieder aufnähmen, sagte Ministerpräsident Alexis Tsipras am Dienstag im Sender Star TV. Die Gläubiger müssten sich einig sein, „damit wir vorankommen“, ergänzte er.

Tsipras deutete damit Uneinigkeit unter den Gläubigern an. Eine erste Prüfung der Reformen war vor rund einem Monat beendet worden, seither gab es kaum Fortschritte. Ein wesentlicher Knackpunkt ist eine von der griechischen Regierung geplante Rentenreform, die der IWF für unzureichend erklärte.

Der griechische Regierungschef sagte am Dienstag, der IWF solle „in die Realität“ zurückfinden und entscheiden, ob er sich am Rettungsprogramm für sein Land weiter beteiligen wolle. Dazu müsse der Fonds „eine klare Aussage“ treffen. Griechenland könne seinen finanziellen Bedarf inzwischen auch ohne den IWF-Beitrag decken, sagte Tsipras.

Tsipras verwies darauf, dass für die Rekapitalisierung von Banken im vergangenen Jahr nur 5,7 von ursprünglich eingeplanten 25 Milliarden Dollar (knapp 23 Milliarden Euro) gebraucht habe. Der IWF hatte sich seit dem Jahr 2010 an zwei Hilfsprogrammen für Griechenland beteiligt, seinen weiteren Beitrag aber von Reformfortschritten abhängig gemacht.

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