
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat angesichts der Flüchtlingskrise zu einer weltweiten Kraftanstrengung aufgerufen. „Wenn wir globale Solidarität haben, dann können wir diese tragischen Szenen überwinden“, sagte Ban am Mittwoch in New York bei einer Sondersitzung am Rande der UN-Vollversammlung. Er bedankte sich dabei ausdrücklich bei der Bundesregierung für ihre „überzeugende und anteilnehmende Führungsstärke“. Für Deutschland nahm Außenminister Frank-Walter Steinmeier an dem Treffen teil.
Die einzige Chance zur Lösung der Krise liege in „globaler Zusammenarbeit“, sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. „Europa fühlt sich bei diesem Thema unter Druck.“ Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras rief zu „mehr europäischer Kooperation“ auf. „Wir können es schaffen, wenn wir zusammenhalten“, mahnte der österreichische Präsident Heinz Fischer.
Über das Mittelmeer nach Europa: Zahlen zu Flüchtlingen
Trotz der lebensgefährlichen Fahrt über das Mittelmeer wagen viele Tausend Menschen die Flucht nach Europa. 219.000 Menschen flohen laut Flüchtlingshilfswerk UNHCR 2014 über das Mittelmeer nach Europa; 2015 waren es bis zum 20. April 35.000.
3.500 Menschen kamen 2014 bei ihrer Flucht ums Leben oder werden vermisst; im laufenden Jahr sind es bis zum 20. April 1600.
170.100 Flüchtlinge erreichten 2014 über das Meer Italien (Januar bis März 2015: mehr als 10.100); weitere 43.500 kamen nach Griechenland, 3.500 nach Spanien, 570 nach Malta und 340 nach Zypern.
66.700 Syrer registrierte die EU-Grenzschutzagentur Frontex 2014 bei einem illegalen Grenzübertritt auf dem Seeweg, 34.300 Menschen kamen aus Eritrea, 12.700 aus Afghanistan und 9.800 aus Mali.
191.000 Flüchtlinge stellten 2014 in der EU einen Asylantrag (dabei wird nicht unterschieden, auf welchem Weg die Flüchtlinge nach Europa kamen). Das sind EU-weit 1,2 Asylbewerber pro tausend Einwohner.
...beantragten 2014 in der EU Asyl (2013: 50.000).
202.700 Asylbewerber wurden 2014 in Deutschland registriert (32 Prozent aller Bewerber), 81.200 in Schweden (13 Prozent) 64.600 in Italien (10 Prozent), 62.800 in Frankreich (10 Prozent) und 42.800 in Ungarn (7 Prozent).
Um 143 Prozent stieg die Zahl der Asylbewerber im Vergleich zu 2013 in Italien, um 126 Prozent in Ungarn, um 60 Prozent in Deutschland und um 50 Prozent in Schweden.
Mit 8,4 Bewerbern pro tausend Einwohner nahm Schweden 2014 im Verhältnis zur Bevölkerung die meisten Flüchtlinge auf. Es folgten Ungarn (4,3), Österreich (3,3), Malta (3,2), Dänemark (2,6) und Deutschland (2,5).
600.000 bis eine Million Menschen warten nach Schätzungen der EU-Kommission allein in Libyen, um in den nächsten Monaten die Überfahrt nach Italien oder Malta zu wagen.
Unterdessen schlug EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Moscovici vor, die Kosten, die wegen der Flüchtlingskrise auf die EU-Mitgliedstaaten zukommen, nicht auf die Schulden anrechnen. „Diese Flüchtlingskrise ist kurzfristig eine Belastung für die Volkswirtschaften, mittelfristig kann sich das ändern“, sagte Moscovici der „Süddeutschen Zeitung“. „Wir müssen die Flüchtlingskrise und deren Kosten deshalb als eine Investition betrachten. Ich bin sicher, dass sie neue Arbeitskräfte, neue Energie und neuen Konsum weckt, so dass sie schlussendlich einen positiven Effekt haben wird auf unsere Volkswirtschaften.“
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, der wegen seiner harten Haltung in der Flüchtlingspolitik seit Wochen in der Kritik steht, warnte dagegen erneut vor einer Destabilisierung Europas durch den anhaltenden Zustrom von Flüchtlingen. „Europa wird nicht in der Lage sein, diese Last alleine zu tragen. Wenn die Situation sich nicht ändert, dann wird Europa destabilisiert.“
Auch sein Land habe „tief empfundenes Mitleid“ für die Menschen, die ihre Heimat verließen, fügte Orban an. „Es ist unsere moralische Verpflichtung, diesen Menschen ihre Heimat und ihre Länder wiederzugeben. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, ihnen ein neues, europäisches Leben zu geben.“
Zuvor hatten die Außenminister der G7-Staaten, die ebenfalls am Rande der UN-Vollversammlung zusammengekommen waren, angekündigt, dass sie ihre Hilfen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise zusammen mit anderen Ländern um annähernd 1,9 Milliarden Dollar (etwa 1,7 Milliarden Euro) aufstocken wollen. Der zusätzliche deutsche Beitrag beträgt 100 Millionen Euro.
Steinmeier forderte bei dem von UN-Chef Ban einberufenen Sondertreffen, dass weitere Länder zusätzliches Geld bereitstellen sollten. Außerdem brauche es ein gemeinsames europäisches Asylsystem. „Davon sind wir aber noch weit entfernt.“