Flüchtlingslager Moria Lage auf Lesbos bleibt gespannt – Athen verstärkt Polizeikräfte

Nach dem Brand in Moria haben hunderte Geflüchtete eine neue Unterkunft. Andere weigern sich, in ein neues Lager zu gehen und wollen weg von der Insel.

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Auf der griechischen Insel Lesbos bleibt die Lage auch nach Öffnung erster Ersatz-Unterkünfte für Flüchtlinge aus dem abgebrannten Lager Moria angespannt. Die griechische Regierung schickte am Sonntag weitere Polizeieinheiten sowie gepanzerte Geländefahrzeuge auf die Insel.

Mehr als 300 Menschen konnten ein provisorisch errichtetes Zeltlager beziehen. Bei Corona-Tests wurde festgestellt, dass sieben von ihnen infiziert sind. Tausende Migranten leben jedoch nach wie vor auf der Straße. Viele wehren sich verzweifelt dagegen, erneut in ein Lager gebracht zu werden.

Am Sonntag berichteten griechische Medien, dass einige Geflüchtete andere daran hinderten, das frisch errichtete Zeltlager zu beziehen. Das bestätigte auch ein Mitarbeiter einer Hilfsorganisation der Deutschen Presse-Agentur.

Griechenlands Bürgerschutzminister Michalis Chrysohoidis wandte sich mit einer Warnung an die Geflüchteten: Griechenland sei ein Rechtsstaat, man werde auch nicht die kleinste illegale Aktion akzeptieren. Wer andere daran hindere, das Lager zu beziehen, müssen mit Konsequenzen rechnen.

Griechenland bleibt weiterhin hart bei der Strategie, über die bereits aus Moria ausgeflogenen unbegleiteten Minderjährigen hinaus keine Flüchtlinge aufs Festland zu lassen. Das sieht zum einen der Flüchtlingspakt zwischen EU und Türkei nicht vor; außerdem fürchtet Athen, dass es auch in anderen Lagern Unruhen und Brandstiftungen gibt, wenn die Migranten auf Lesbos mit ihrer Gegenwehr Erfolg haben. Die große Mehrheit will aufs Festland und dann weiter nach Mittel- und Nordeuropa.

Unter den mehr als 12.000 Menschen, die seit dem Großbrand am Mittwoch im Flüchtlingslager Moria obdachlos sind, finden sich zahlreiche Familien mit Tausenden Minderjährige. Viele von ihnen sind auf den Schutz des Lagers angewiesen, weil sie kein Dach mehr über dem Kopf haben und auch keinen Zugang zu sanitären Anlagen oder fließendem Wasser.

Unklar ist, wie stark sich das Coronavirus verbreitet hat

Nach Medienberichten soll ein aggressive Gruppe vor allem afghanischer Geflüchteter für Unruhen, Brandstiftungen und auch Drohungen gegen andere Flüchtlinge verantwortlich sein. Der stellvertretende Migrationsminister Notis Mitarakis erklärte am Sonntag im Fernsehen, im neuen Lager sei sowohl für Essensausgabe und sanitäre Anlagen als auch die gesundheitliche Versorgung gesorgt. Er gehe davon aus, dass sich die gesamte Situation innerhalb der nächsten Tage beruhigen und verbessern werde. Die sieben Corona-Infizierten wurden zur Isolation in einen abgelegenen Teil des Lagers gebracht.

Noch ist nicht klar, ob und wie stark sich das Virus unter den Menschen ausbreiten konnte. Vor dem Großbrand am vergangenen Mittwoch waren 35 Geflüchtete positiv getestet worden. Sie waren im folgenden Chaos aber nicht mehr auffindbar. Am Samstag kam ein 20 Tage altes Baby einer afghanischen Familie mit Corona-Symptomen ins Inselkrankenhaus. Später wurde es mit seiner Mutter nach Athen gebracht.

Angesichts des Elends rief Papst Franziskus Europa zum Handeln auf. Der 83-Jährige erinnerte in Rom an einen Besuch auf Lesbos 2016 und seinen damaligen Appell für eine „menschenwürdige Aufnahme der Frauen und Männer, der Migranten und Flüchtlinge, derjenigen, die Asyl in Europa suchen“.

Unterdessen ging auch die deutsche Debatte um die Aufnahme von Flüchtlingen weiter. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken forderte in der „Bild am Sonntag“: „Deutschland muss hier vorangehen und kann sich auch unabhängig von der Entscheidung anderer EU-Länder zur Aufnahme weiterer Flüchtlinge bereit erklären.“ Die Ankündigung des Innenministers Horst Seehofer (CSU), in einem ersten Schritt 100 bis 150 unbegleitete Minderjährige aufzunehmen, reiche nicht aus.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte demselben Blatt: „Deutschland sollte als Vorbild vorangehen, gern auch mit anderen Europäern in einer Koalition der Willigen.“ Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) schlug im „Tagesspiegel am Sonntag“ einen Krisengipfel von Bund sowie aufnahmewilligen Ländern und Kommunen vor.

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