
Seine jüngste Nacht-und-Nebel-Aktion war mal wieder ein Kraftakt: 14 Stunden hat es gedauert, bis die Getreidemühle auf dem Lkw vertäut war – und erst dann kam der wirklich knifflige Teil: die Lieferung der Anlage nach Syrien, mitten hinein ins Kriegsgebiet. Wie er das geschafft hat und wo die Getreidemühle jetzt steht, verrät Hani Khabbaz nicht, der Sicherheit wegen. Als er und seine Mitarbeiter einmal die Lieferung von Krankenwagen nach Aleppo publik gemacht hatten, warfen die Schergen von Syriens Diktator Baschar al-Assad wenige Tage später Fassbomben auf die Wagen. Daher wägt Khabbaz seine Worte sehr genau: „Für uns arbeiten einfach sehr tapfere Leute.“
Irgendwo in Syriens zerbombtem Norden verrichtet nun also eine Getreidemühle ihren Dienst, was vor Ort den Brotpreis drastisch gesenkt habe, wie Khabbaz berichtet. Der Ingenieur aus Damaskus war in Dubai ein erfolgreicher Unternehmensberater, bis er im Sommer 2014 im türkischen Gaziantep die Leitung des Syria Recovery Trust Fund (SRTF) übernahm, mitfinanziert von der staatlichen Förderbank KfW. Fast 100 Millionen Dollar können der Mittvierziger und seine 40 Mitarbeiter pro Jahr für die Reparatur und Ausstattung von Krankenhäusern, Wasserwerken oder Elektrizitätsversorgung ausgeben. „Wir sind der erste Fonds, der mit dem Wiederaufbau beginnt, bevor ein Krieg beendet ist“, sagt der Manager über die Nothilfe in seiner Heimat.
Wiederaufbau in Syrien funktioniert erst nach dem Krieg
Damit leistet Khabbaz genau das, was deutsche Politiker, allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel, derzeit wie ein Mantra beschwören: Nur die Bekämpfung der Fluchtursachen in den Ländern, aus denen so viele Menschen gen Europa und Deutschland fliehen, könne der Flüchtlingskrise Einhalt gebieten. Sprich: Erst wenn es in den besonders gebeutelten Regionen wieder Hoffnung gibt, werden die Menschen dort bleiben oder dorthin zurückkehren.





Aufbauhelfer Khabbaz gibt sich tatkräftig: „Wir sind bereit und in der Lage, diese Hilfe deutlich auszuweiten“, sagt er. Doch er sagt auch: Echter Wiederaufbau in Syrien kann erst gelingen, sobald der Krieg dort beendet ist. Und wie lange das noch dauert, mag nicht nur wegen des aktuellen Konflikts zwischen der Türkei und Russland niemand vorhersagen, der ein schwerer Rückschlag für die Wiener Verhandlungen über einen Waffenstillstand in Syrien ist.
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"Wir brauchen langfristige Wachstumsförderung"
Also bleibt die so oft beschworene Formel der Fluchtursachenbekämpfung für Syrien erst einmal vor allem eines: Selbstbetrug. So löblich die Hilfe von Organisationen wie SRTF nämlich ist – sie bleibt viel zu kleinteilig, als dass sie den Massenexodus stoppen könnte. Nur massive staatliche Hilfen können dies bewerkstelligen.
So viel Geld bekommen Flüchtlinge in den europäischen Ländern
800 Euro zahlt das Land im Monat pro Flüchtling. Die Summe muss allerdings versteuert werden.
Quelle: EU-Kommission / Frontex, Stand: 18. September 2015
Die Spanne, die der Inselstaat für einen Asylbewerber zahlt, liegt zwischen 85 und 452 Euro pro Monat.
400 Euro pro Flüchtling / Monat.
352 Euro pro Flüchtling / Monat.
330,30 Euro pro Flüchtling / Monat.
zwischen 85 und 290 Euro pro Flüchtling / Monat.
zwischen 176 und 276 Euro pro Flüchtling / Monat.
232 Euro pro Flüchtling / Monat.
225 Euro pro Flüchtling / Monat.
187 Euro pro Flüchtling / Monat.
177 Euro pro Flüchtling / Monat.
66 Euro pro Flüchtling / Monat.
33,23 Euro pro Flüchtling / Monat.
20 Euro pro Flüchtling / Monat.
18 Euro pro Flüchtling / Monat.
12 Euro pro Flüchtling / Monat.
0 Euro pro Flüchtling / Monat.
In Syrien mag dies besonders offensichtlich sein, doch in anderen Ländern in Nahost, Zentralasien und Afrika sind die Herausforderungen genauso gewaltig. Schließlich hatten viele Länder dort sogar vor den jüngsten Kriegen und Krise ökonomisch enormen Nachholbedarf. „Die ganze Region droht abzubrennen“, fürchtet Dirk Messner, Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik. „Wir brauchen eine langfristige Wachstumsförderung, die Menschen von der Flucht abhält“, beschreibt auch Axel Dreher, Entwicklungsökonom der Universität Heidelberg, was Ursachenbekämpfung wirklich bedeutet. Vom 1970 ausgerufenen UN-Ziel, wonach reiche Staaten 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens in Entwicklungshilfe stecken müssen, ist die Welt allerdings weit entfernt. Deutschland, in 2014 mit 16 Milliarden Dollar drittgrößter Geber der Welt, müsste dazu die Hilfen um 22 Milliarden Dollar aufstocken.