Flüchtlingspolitik Ugandas Harmonie ist in Gefahr

In Uganda werden Flüchtlinge fair behandelt. Sie bekommen Arbeit und Land von der Regierung. Das führte zu einem harmonischen Zusammenleben. Doch die offene Flüchtlingspolitik gerät nun unter Druck.

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Flüchtlinge bekommen eine eigene Parzelle. Das führte schon zu Streitigkeiten zwischen den Flüchtlingen und den Einwohnern. Quelle: dpa

Nakivale Im Flüchtlingslager in Nakivale leben Menschen in einfachen, sauberen Lehmhütten, umgeben von grünen Maisfeldern. Kinder spielen in sauberen Höfen, während ein paar Männer Lehmziegel zu einer Mauer für ein neues Haus aufeinanderschichten. Nakivale ist die zweitgrößte von zehn ähnlichen Siedlungen, gelegen im Südwesten Ugandas. Rund 113.000 Flüchtlinge, die vor Gewalt in Nachbarstaaten geflohen sind, leben dort auf rund 183 Quadratkilometern, einer Fläche fast halb so groß wie Köln.

Joseph O. kam während des Bürgerkriegs im Sudan 2003. In Nakivale erhielt er eine Parzelle, wo heute ein Haus und ein Kiosk stehen, mit dem er den Lebensunterhalt für seine Frau und die sechs Kinder verdient. „Uganda gibt Flüchtlingen Sicherheit und Bewegungsfreiheit“, sagt der 45-Jährige. Zudem dürfen sie arbeiten.

Nur wenige Flüchtlinge auf dem Kontinent leben unter solch guten Bedingungen. In Afrika südlich der Sahara leben nach UN-Angaben rund 26 Prozent der weltweit über 21 Millionen Flüchtlinge. Viele von ihnen leben zusammengepfercht in chronisch unterversorgten, oftmals umzäunten Zeltstädten. Es mangelt an Lebensmitteln und Medikamenten, es gibt Choleraausbrüche oder auch Rebellenangriffe.

Uganda beheimatet mit rund 900.000 Flüchtlingen eine der größten Flüchtlingspopulationen Afrikas – bei einer eigenen Bevölkerungszahl von 39 Millionen. Rund 800.000 von ihnen erhielten Land von der Regierung in nicht eingezäunten Siedlungen. Zehntausende weitere Flüchtlinge leben in den Städten. Sie dürfen dort arbeiten und eigene Unternehmen führen. „Uganda hat ein Regelwerk, das die Würde von Flüchtlingen wiederherstellt“, betont Teresa Ongaro vom Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) in Kenia.

Die größte Gruppe – etwa eine halbe Million Menschen – kommt aus dem Südsudan. Die jüngste Nation der Welt erlangte 2011 ihre Unabhängigkeit vom Sudan, verfiel jedoch zwei Jahre später in einen blutigen Bürgerkrieg. Zehntausende Menschen kamen ums Leben, Millionen flohen vor der Gewalt. Neue Gewaltausbrüche seit dem vergangenen Juli haben die Lage erneut destabilisiert. Auch Bürgerkriege und Krisen in anderen Nachbarländern Ugandas – wie etwa Somalia, Burundi, Kongo oder Ruanda – haben Menschen nach Uganda geführt.

Bei Ankunft werden sie nach Angaben der Behörden medizinisch untersucht, geimpft und erhalten einen Identitätsausweis. Es gebe auch Schulungen in Landwirtschaft und Betriebswirtschaft, erklärt Patrick Rwabwogo von der Hilfsorganisation Finnish Refugee Council, die solche Programme in Nakivale anbietet. „Wenn Flüchtlinge Möglichkeiten geboten werden, werden sie nicht zu solch einer großen Belastung und produktiv“, sagt Apollo Kazungu, Flüchtlingskommissar der ugandischen Regierung.


Immer mehr Konflikte

In Kisenyi, einem Vorort der Hauptstadt Kampala, betreiben somalische Flüchtlinge Supermärkte, Obst- und Gemüsestände oder Wechselstuben. Wenn die Muezzins über dem ausgedehnten Dächermeer zum Gebet rufen, eilen Somalier und ihre ugandischen Glaubensbrüder zu den Moscheen.

„Es ist ein gutes Land, das uns erlaubt, wie alle anderen Menschen zu leben“, sagt Deeqa Muhammed, hinter der Verkaufstheke ihres Ladens stehend. Die 39-Jährige floh 2012 vor Kämpfen in Somalia. Auch wenn es schwierig sei, für Miete und die Schulgebühren ihrer Kinder aufzukommen, sei sie zufrieden. Man ließe sie hier in Ruhe.

Während es in Südafrika und Sambia im vergangenen Jahr zu blutigen ausländerfeindlichen Ausschreitungen kam, gab es keine derartigen Berichte aus Uganda. Manche Beobachter führen dies auch darauf zurück, dass zahlreiche Ugander auf der Flucht vor der blutigen Diktatur von Milton Obote in den 1980ern etwa im Sudan Zuflucht suchten. Man wurde aufgenommen und nimmt nun andere auf.

Doch im Zusammenleben von Flüchtlingen und Ugandern gibt es zunehmend Spannungen. Bewohner in Nakivale wurden von der Leitung der Siedlung dazu angehalten, nicht über diese Probleme zu sprechen, ebenso über Mängel an finanzieller Unterstützung oder medizinischer Versorgung. Bei Zusammenstößen mit benachbarten Bauern soll es Berichten zufolge einen Toten gegeben haben. Die Leitung in Nakivale wollte sich nicht dazu äußern.

Flüchtlingskommissar Kazungu gibt zu, dass sich die Landfrage zu einem Problem entwickelt. Die Regierung habe die Größe der Parzellen auf 50 mal 50 Meter beschränkt. Der Wert der bisher an Flüchtlinge vergebenen Ländereien betrage umgerechnet rund 47 Millionen Euro – eine stolze Summe in einem Land in dem nahezu jeder Fünfte der Weltbank zufolge als arm gilt.

Doch ein Ende der Zuwanderung sei nicht in Sicht. „Wir müssen uns auf das Schlimmste vorbereiten“, sagt Charles Yaxley, UNHCR-Sprecher in Kampala. Ugandas Flüchtlingsprogramm wird mit rund 200 Millionen Dollar (rund 190 Millionen Euro) jährlich von den UN unterstützt. Durch den starken Zustrom aus dem Südsudan im vergangenen Jahr musste das Welternährungsprogramm (WFP) die Lebensmittelrationen für jene verkürzen, die bereits seit über einem Jahr im Land sind.

Die wachsende finanzielle Belastung stärkt auch Kritikern den Rücken. Sie werfen Flüchtlingen vor, Mietpreise in die Höhe zu treiben. Zudem bezeichnen sie Somalier zunehmend als Sicherheitsrisiko wegen ihrer möglicher Verbindungen zur somalischen Terrormiliz Al-Shabaab. „In diesem Land gibt es bereits Millionen Menschen in Not“, kritisiert etwa Ken Lukyamuzi von der oppositionellen konservativen Partei. Mit den Flüchtlingen sorge die Regierung für eine zusätzliche Belastung.

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