Flughafen Heathrow wird erweitert Theresa May und der Pisten-Entscheid

Der Flughafen Heathrow erhält eine weitere Landebahn. Die britische Regierung unter Theresa May hat sich nach einem zähen Streit dazu durchgerungen. Den Londonern droht mehr Lärm und Luftverschmutzung.

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Der Londoner Flughafen soll eine weitere Landebahn erhalten. Die Regierung stellt „ökonomische Vorteile für Passagiere und Wirtschaft“ in Höhe von bis zu 61 Milliarden Pfund in Aussicht. Quelle: dpa

London Die britische Regierung unter der Führung von Premierministerin Theresa May hat eine wichtige Entscheidung getroffen: Der Flughafen Heathrow soll eine neue, dritte Start- und Landebahn bekommen. Das erklärte Verkehrsminister Chris Grayling am Dienstag in London. Dabei handelt es sich um ein Vorzeigeprojekt der Infrastrukturpolitik. Die Kosten werden auf 16 Milliarden Pfund (umgerechnet 18 Milliarden Euro) veranschlagt.

Derzeit ist Heathrow mit 75 Millionen Passagieren pro Jahr der größte Flughafen in Europa, die Auslastung der zwei Start- und Landebahnen liegt bei 99 Prozent. Der Flughafen Frankfurt dagegen – die Nummer vier in Europa – fertigt im Jahr rund 60 Millionen Passagiere ab, hält vier Bahnen vor.

Das Thema Flughafenausbau ist ein in Großbritannien seit langem heftig umstrittenes Projekt, seit Jahrzehnten liefern sich Befürworter und Gegner einen heftigen Schlagabtausch. Experten erwarten daher nicht, dass das Thema nun beendet ist. Kritiker bringen sich bereits in Stellung.

Auch die Vorgängerregierung hatte vor ihrer Entscheidung eine Kommission eingesetzt. Vergangenes Jahr legte sie ihren Abschlussbericht vor. Noch gebe es in den sechs Flughäfen im Einzugsgebiet von London vereinzelt Kapazitäten, warnten die Experten, doch „wenn am Knotenpunkt London die Kapazitäten erschöpft sind, werden neue Routen zu wichtigen Langstrecken-Zielen an andere Flughäfen in Europa gegeben, nicht mehr an britische Flughäfen.“

Das koste nicht nur Zeit und Geld, sondern verschrecke auch Investoren. Man müsse jetzt handeln. „In einer komplexen und zunehmend globalen Umgebung wäre es kurzsichtig und gefährlich für die Anbindung Großbritanniens, würde man diese Beschränkungen nicht angehen“. Eine gute Fluganbindung sei für Großbritannien ein wichtiger Standortfaktor. 2014 wurden über britische Flughäfen Waren im Wert von 140 Milliarden Pfund transportiert.

Nicht der Flughafenausbau, sondern der Start- und Landepunkt der Flugzeuge waren lange umstritten. Zur Diskussion standen drei Optionen: Ein Ausbau der bestehenden Start- und Landebahn in Heathrow, der – nun von der britischen Regierung befürwortete – Bau einer dritten Bahn im Nordwesten des Flughafens oder der Bau einer zweiten Landebahn am kleineren Airport Gatwick.

Brisant ist die Tatsache, dass die Wahlbezirke zahlreicher Abgeordneter, die über das Projekt entscheiden, von Fluglärm betroffen sind – auch der Bezirk von Premierministerin May. „Es wird Widerspruch geben, ganz gleich, für welche Option wir uns entscheiden“, sagte Verkehrsminister Grayling kurz vor der Entscheidung im britischen Fernsehen.

Schließlich müssten für den Ausbau 783 Häuser dem Erdboden gleichgemacht werden. Zu diesem Ergebnis gelang der von der Regierung eingesetzte Ausschuss. Bis zu 2,6 Milliarden Pfund will die Regierung deswegen für Entschädigungen, Schallisolierung und andere Maßnahmen für die Bevölkerung ausgeben, erklärte der Transportminister.

Eine Studie der überparteilichen Arbeitsgruppe APPG hatte 16 Gründe gegen den Ausbau von Heathrow aufgelistet. Unter anderem warnte sie davor, dass lange und kostspielige Rechtsstreitigkeiten drohten. Der Grund: Bei einem Ausbau des Flughafens würden die europäischen und britischen Richtwerte für Lärm und Luftqualität überschritten. „Keine Industrienation erwägt im 21. Jahrhundert, noch mehr Flugzeuge direkt über die Hauptstadt fliegen zu lassen“, erklärte Lokalpolitiker Zac Goldsmith.

Auch der amtierende Außenminister Boris Johnson gehört zu den Gegnern des Flughafenausbaus. Noch vor wenigen Tagen hatte er seine Ablehnung bekräftigt. Er sei bereit, sich „vor Bulldozer“ zu legen, sollte es zu einem Ausbau kommen.


„Massive Kosten und enorme Risiken“

„Ich glaube nicht, dass meine Dienste als Bulldozer-Blockade in den kommenden Jahrzehnten gebraucht werden, denn es wird nicht dazu kommen“, sagte er. Selbst dann, wenn die Regierung den Ausbau von Heathrow genehmigen sollte, meinte er. Wegen der „massiven Kosten und enormen Risiken“ könne man den Ausbau nicht realisieren. „Wir brauchen eine bessere Lösung.“

Der von der Regierung eingesetzte Ausschuss kam hingegen zu der Einschätzung, dass eine dritte Start- und Landebahn in Heathrow aus „ökonomischer und strategischer Sicht“ die beste Lösung sei. Unter der Bedingung, dass sie mit einer Reihe weiterer Maßnahmen umgesetzt werde. So sollten vor allem die Gegner besänftigt werden. Zum Beispiel hatte die Kommission vorgeschlagen, keinerlei Flüge zwischen 23.30 Uhr und 6 Uhr morgens zu erlauben und strenge Richtwerte für die Umwelt einzuführen. Einige dieser Zugeständnisse hat die britische Regierung nun auch übernommen.

Die Erweiterung um eine dritte Start- und Landebahn würde der britischen Wirtschaft zum einen 211 Milliarden Pfund, zum anderen 180.000 zusätzliche Arbeitsplätze bringen. Zu diesem Ergebnis gelang die Flughafen-Kommission. Die Regierung stellt wiederum „ökonomische Vorteile für Passagiere und Wirtschaft“ in Höhe von bis zu 61 Milliarden Pfund in Aussicht.

Dennoch bahnt sich eine hitzige Debatte in Großbritannien an: Lokalpolitiker Goldsmith hat unmittelbar nach der „katastrophalen Entscheidung der Regierung“ für den Abend eine Erklärung angekündigt. Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan erklärte, er wolle juristische Schritte erwägen. Er hatte sich für einen Ausbau von Gatwick ausgesprochen – vor allem wegen Bedenken über eine stärkere Luftverschmutzung in London.

Auch Fluggesellschaften üben Kritik: Ryanair-Chef Michael O’Leary geht die Entscheidung nicht weit genug. Er fordert drei zusätzliche Bahnen. Viele Vertreter der britischen Wirtschaft begrüßten hingegen die Nachricht. Im Parlament soll über den Flughafenausbau frühestens 2017 abgestimmt werden.

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