Frankreich Erste Moralprobe für Macron

Der neue Präsident steckt in einem ernsten Konflikt: Soll er einen Minister entlassen, der an einem fragwürdigen Immobiliendeal beteiligt war?

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Paris Es ist die Art von Konflikt, die jeder Politiker hasst: Soll er einen Freund trotz aller Vorwürfe stützen oder ihn rauswerfen, weil er zur Belastung wird? Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron muss diese Entscheidung fällen. Es ist seine erste Bewährungsprobe im Amt.

Richard Ferrand, Generalsekretär seiner Bewegung „La République en Marche“ (LREM) und Minister für den territorialen Zusammenhalt, findet sich im Zentrum eines Skandals um einen möglicherweise rechtswidrigen Immobiliendeal. Noch am Mittwoch nach der Kabinettssitzung ließ Macron seinen Sprecher Christophe Castaner mitteilen, Ferrand bleibe im Amt. Nur die Justiz entscheide, nicht die Presse. Am Donnerstag aber hat die Staatsanwaltschaft in Brest beschlossen, Vorermittlungen aufzunehmen. Nun fragt man sich in Frankreich, ob dies das Aus für Ferrand bedeutet.

Die Affäre belastet den Wahlkampf von LREM und könnte sie im schlimmsten Fall die Mehrheit kosten. Denn mehr Sauberkeit und Moral in der Politik, das ist eines der wichtigsten Versprechen von Macron und seiner Truppe. Erfüllt er das nicht, könnte die Begeisterung der Franzosen für ihren jungen Präsidenten einen Dämpfer erleiden. Doch gleichzeitig will er nicht den Eindruck erwecken, beim ersten Rauschen im Blätterwald umzufallen und seine engsten Mitarbeiter zu opfern. Ferrand ist ein Mann der ersten Stunde, einer der ersten prominenten Sozialisten, die sich 2016 Macron anschlossen. Er war sogar als Premierminister im Gespräch. Noch am Mittwoch bei einem Besuch in der Bretagne zeigte der Präsident sich demonstrativ mit seinem Minister.

Die satirische Zeitung „Le Canard Enchainé“ (deutsch: „die angekettete Ente“) hatte vor einer Woche geschrieben, Ferrand habe vor seiner politischen Aktivität, als er eine Krankenversicherung (frz. Mutuelle) in der Bretagne leitete, seiner Lebensgefährtin einen Mietvertrag zugespielt. Nur dank dieses Vertrags habe sie die Immobilie kaufen können, die anschließend von der Mutuelle angemietet wurde. Ferrand verteidigte sich: Der Aufsichtsrat habe alles gutgeheißen, weil es das billigste Angebot war. Die Justiz teilte mit, sie sehe keinen Grund für ein Verfahren.

Doch das war nicht das Ende. Die „angekettete Ente“, die schon den konservativen Kandidaten Francois Fillon zu Fall gebracht hat, legte am Mittwoch nach. Ferrand habe den Deal selber eingefädelt, die Immobilie sogar anfangs selber gekauft, dann erst sei seine Lebensgefährtin in den Vertrag eingetreten. Das habe er verschleiert. Ferrands Argument, er habe sich nicht bereichern können, da er mit seiner Lebensgefährtin nicht verheiratet sei und auch keine eingetragene Lebenspartnerschaft habe, sei geschmacklos: Immerhin gehe es hier um die Mutter seiner Tochter.

Geschmacklos, unmoralisch, oder rechtswidrig?  Noch ist diese Frage nicht entschieden. Es geht um ein kleines Bürogebäude im Wert von 400.000 Euro. Zugleich geht es auch um den Ruf von Macron und seiner Bewegung, um die Frage, ob sie wirklich Politik und private Geschäfte völlig trennen. Die Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft bringen Ferrand dem Rücktritt näher: Anfang der Woche stellte Premier Edouard Philippe klar, dass niemand in der Regierung bleiben könne, der von der Justiz beschuldigt wird.

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