Tatsächlich kann Donald Trump kein Interesse daran haben, sein Land – insbesondere gegenüber anderen Industrienationen wie Deutschland – abzuschotten. Das Handelsvolumen zwischen der Europäischen Union und den USA belief sich im vergangenen Jahr insgesamt auf 620 Milliarden Euro. Es ist das weltweit größte Handelsvolumen zwischen zwei Partnern überhaupt. „Um es ganz einfach zu sagen: Wir sind stärker, wenn wir zusammenarbeiten“, unterstreichen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Noch-Präsident Barack Obama exklusiv in einem Beitrag für die WirtschaftsWoche.
„Ein Abkommen, das unsere Wirtschaften stärker miteinander verknüpft und das auf Regeln aufbaut, die gemeinsamen Werte entsprechen, würde uns über die nächsten Jahrzehnte helfen, zu wachsen und weltweit wettbewerbsfähig zu bleiben“, so Merkel und Obama. Für Deutschland sind die USA inzwischen der wichtigste Handelspartner. Waren im Wert von 173,2 Milliarden Euro sind 2015 zwischen den beiden Wirtschaftsmächten ausgetauscht worden; der Handelsüberschuss Deutschlands mit den Vereinigten Staaten betrug 54,6 Milliarden Euro.
Kritik der Umweltschützer an TTIP
Egal ob Creme, Lippenstift oder Mascara – in Europa müssen solche Produkte eine Zulassung überstehen, die es in den USA so einheitlich nicht gibt. Sicherheitstests erfolgten dort freiwillig, heißt es beim Sachverständigenrat. Sonnenmilch allerdings gelte in Amerika als Medikament und sei streng reguliert.
Die Europäer wollen geklonte Nutztiere und Klonfleisch verbieten, auch deren Import. In den USA gibt es dagegen kein einheitliches Verbot. Gentechnisch veränderte Tiere, etwa Lachse, die schneller wachsen, sind dort bereits zugelassen und im Handel. Eine besondere Kennzeichnung ist nicht vorgeschrieben.
Gentechnisch veränderte Pflanzen und Nahrungsmittel müssen in der EU zugelassen und später gekennzeichnet werden. Das gilt auch für Futtermittel. Einzelne Mitgliedsstaaten können seit 2015 auf ihrem Gebiet sogar einzelne gentechnisch veränderte Pflanzen verbieten. In den USA ist nicht nur die Zulassung großzügiger, gentechnisch veränderte Lebensmittel werden regelmäßig nicht kenntlich gemacht.
Pflanzenschutzmittel, die möglicherweise Krebs erregen oder vielleicht das Erbgut schädigen können in der EU erst gar nicht auf den Markt – anders als in den USA.
Die Verordnung REACH gilt mit als schärfstes Chemikaliengesetz weltweit. Darin wird ein Zulassungsverfahren, eine Risikobewertung und teils eine Beschränkung für Chemikalien von der Herstellung in der Fabrik bis zum buntgefärbten T-Shirt beim Endverbraucher festgeschrieben. In den USA gilt kein vergleichbares „Vorsorgeprinzip“ bei Chemieprodukten.
„Deutschland braucht die USA. Aber die USA brauchen in gleichem Maße Deutschland oder Frankreich und deren Produkte“, sagt Robert Lawrence, Professor für internationalen Handel an der Harvard University. Abschottung und Importzölle würden weder den US-Unternehmen helfen, noch den US-Arbeitern. Im Gegenteil. Sollten Autos, Möbel, Elektroartikel und Dienstleistungen aus dem Ausland gestoppt oder gar mit Strafzahlungen versehen werden, müssten die US-Konsumenten nur tiefer in die Tasche greifen. „Die Mittelschicht würde 29 Prozent an Kaufkraft verlieren, wenn sich Amerika abschottet“, sagt Lawrence. Die Unterschicht, bei denen Konsumabgaben einen höheren Anteil an den Ausgaben haben als bei Besserverdienende, würde gar 62 Prozent ihrer Kaufkraft einbüßen. Populist Trump würde schnell vom Kämpfer des einfachen Mannes zur Hassfigur werden.
Und auch die Wirtschaft würde massiv leiden. „Ein signifikanter Teil der importierten Waren wird in den USA weiterverarbeitet“, sagt Lawrence. Der Wirtschaftskreislauf würde durch Importzölle ausgebremst – zum Leidwesen der US-Produktionsstätten. Und deswegen werben auch die US-Konzerne für einen neuen Anlauf in den ausgebremsten TTIP-Verhandlungen.
So etwa John Engler. Zwölf Jahre lang war der Republikaner Gouverneur von Michigan. Heute leitet er die Wirtschaftsvereinigung „Business Roundtable“ und repräsentiert rund 200 Vorstandschefs der größten Konzerne in Amerika. Er sagt: „Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen Amerika und Europa, etwa bei den Umwelt- und Arbeitnehmerstandards. Nicht alles ist gleich, aber vieles ist ähnlich.“
Die US-Arbeiter müssten sich keine Sorgen um Lohndumping oder der Absenkung ihrer Rechte machen. „Es handelt es sich bei beiden Regionen um entwickelte Märkte mit einem Sinn für hohe Standards. Das macht Handelsabkommen zwischen USA und Europa einfacher als zwischen USA und Asien.“ Engler glaubt: „Es wird einige Leute geben, die einen neuen Anlauf bei TTIP wagen werden.“