Freihandelsabkommen Wieso der Indische Ozean chinesisch wird

Chinas maritime Macht wächst: Das zeigt ein nun geschlossener Handelspakt mit den strategisch wichtigen Malediven, der unter mysteriösen Umständen abgesegnet wurde. Indien versetzt das Abkommen in Aufruhr.

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Malediven News: Aktuelle Meldungen zum Inselstaat im Indischen Ozean Quelle: dpa

Bangkok/Colombo Die Aufforderung kam für die Abgeordneten der Malediven ziemlich überraschend. In einer plötzlich einberufenen Notfall-Sitzung sollten sie am Mittwoch innerhalb von 30 Minuten ein 1000 Seiten starkes Dokument der Regierung prüfen und absegnen. Dabei ging es um nicht weniger als einen Vertrag, der die Richtung des Inselparadieses auf Jahre prägen könnte: ein Freihandelsabkommen mit China.

Die Entscheidung fiel alles andere als demokratisch: Einige Oppositionspolitiker sagen, dass sie die von der Regierung zur Abstimmung gegebenen Dokumente nicht einmal sehen konnten und boykottierten die Abstimmung. Andere wurden ohnehin zu spät informiert, hieß es. Ohne Widerrede oder gar Debatte winkten die Abgeordneten der Regierungspartei das historische Vertragswerk schließlich durchs Parlament.

Doch nicht nur die Opposition ist angesichts solcher brachialen Methoden entsetzt. Der im Turbomodus verabschiedete Handelspakt weckt vor allem Ängste beim großen Nachbarn Indien. Dort fürchtet man, dass die politische Führung der Malediven nun endgültig unter der Fuchtel Chinas steht – und damit der eigene Einfluss im Indischen Ozean noch weiter schwindet.

Zwar haben die Malediven nur rund eine halbe Million Einwohner. Doch die Inseln liegen an zahlreichen Schifffahrtsrouten und haben daher große geostrategische Bedeutung. Zudem sind es nicht nur die Malediven, die sich immer stärker Richtung Volksrepublik orientieren, sondern zahlreiche weitere Anrainer des Indischen Ozeans. Für Indien wird damit ein Schreckensszenario immer realistischer: Der Indische Ozean wird langsam zu einem chinesischen.

Der Fokus der Weltöffentlichkeit liegt meistens auf dem Südchinesischen Meer – wo China eine Insel nach der anderen aufschüttet und militärisch absichert. Doch der Ozean zwischen Asien und Afrika ist für die Volksrepublik kaum weniger wichtig. „Die zukünftige Ordnung Asiens wird weniger von den Entwicklungen in Ostasien bestimmt, als um den Kampf um Einfluss im Indischen Ozean“, schreibt Brahma Chellaney, Politikprofessor am Center for Policy Research in Neu Delhi. Der Indische Ozean sei schließlich „das maritime Zentrum der Welt“.

Und dort haben die Chinesen ihre Dominanz in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut. Vor allem im Rahmen der groß angelegten maritimen Seidenstraßen-Initiative investieren die Chinesen in Häfen, Industrieanlagen und Pipelines. Das Geld fließt in Staaten wie Myanmar, Sri Lanka, Bangladesch und Pakistan.


Warum die Schuldenfalle droht

Westliche und indische Geostrategen warnen vor der sogenannten „Perlenkette” – einer Reihe an chinesischer Stützpunkten, mit der China den kompletten Ozean kontrollieren könnte.

Auch auf den Malediven ist China längst die wichtigste Geldquelle: Rund zwei Drittel der Direktinvestitionen stammen aus der Volksrepublik. Die Chinesen finanzieren außerdem e eine wichtige Brücke zwischen Flughafen und Hauptinsel für hunderte Millionen Dollar. Auch der Airport selbst wird derzeit von chinesischen Unternehmen modernisiert. Den ursprünglichen Auftrag für ein indisches Unternehmen kündigten die Malediven dafür.

Doch auch die Abhängigkeit steigt, schon jetzt haben die Kredite ein beachtliches Ausmaß erreicht. 70 Prozent ihrer Auslandsschulden haben die Malediven in China – und entsprechend groß ist der Einfluss. Fraglich ist auch, ob die Schulden für die Riesenprojekte je zurückgezahlt werden können. Die Opposition warnt schon jetzt vor einer Schuldenfalle.

Dass die Angst nicht unbegründet ist, zeigt der Blick auf eine andere zu Indien benachbarte Insel: Sri Lanka. Nach dem Bürgerkrieg baute sich das Land mit chinesischer Hilfe die Infrastruktur neu auf. Doch jetzt hat das Land Schwierigkeiten die Schulden zu bedienen. Mittlerweile wird die Volksrepublik de facto ausbezahlt, indem sie Anteile von strategisch wichtigen Projekten erhält: So bekommen die Chinesen nun für die kommenden 99 Jahre 70 Prozent am Tiefseehafen Hambantota.

Sowohl in Indien als auch in Sri Lanka wird befürchtet, dass China den Hafen auch militärisch nutzen könnte – auch wenn China garantiert hat, das nicht zu tun. Ein perfekter strategischer militärischer Stützpunkt wären auch die Malediven. Die Angst, dass die chinesische Marine dort einen U-Boot-Stützpunkt errichten könnten, treibt indische Militärs seit Jahren um.

Besonders argwöhnisch betrachten die Inder, dass die Chinesen ausgerechnet im Erzfeind Pakistan einen neuen strategischen Partner ausgemacht haben. Dort können sich die Chinesen über einen recht kurzen Landweg direkten Zugang zu dem Ozean verschaffen.

Ein zentraler Abschnitt Maritimen der Seidenstraße ist der China-Pakistan Economic Corridor, der Transportwege, Industrieanlagen und einen riesigen Tiefseehafen bei Gwadar umfasst. Das Vorhaben, in das China mehr als 50 Milliarden US-Dollar investiert, geht mitten durch einen von Indien beanspruchten Teil der umstrittenen Kaschmir-Region.

China selbst sieht seine Projekte als Aufbauhilfe und Förderung des globalen Handels. Für Indiens Bedenken hat man keinerlei Verständnis. Chinesische Offizielle lassen gerne mitteilen: Der Indische Ozean gehöre eben nicht Indien.

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